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Bicolorana bicolor (Philippi, 1830) / Zweifarbige Beißschrecke (Sachsen)

Synonyme


Metrioptera bicolor

Rechtlicher Schutz und Rote Liste


Rote Liste Deutschland:* (derzeit keine Gefährdung)
Rote Liste Sachsen:3 (gefährdet)

Allgemeine Arteninformationen


Taxonomie

Die zentralasiatischen Populationen wurden als Bicolorana bicolor angarica (Liana, 1987) beschrieben.

Kennzeichen

Bicolorana bicolor ist eine verhältnismäßig zierlich gebaute Beißschrecke von überwiegend hellgrüner Färbung. Über die Körperoberseite verläuft ein scharf begrenztes bräunliches Band. Seltener treten auch einfarbig gelbbraune Individuen auf. Ein schnelles Bestimmungsmerkmal sind die einfarbig grünen Halsschildseiten, die eine Unterscheidung von den beiden häufigeren heimischen Beißschreckenarten Roesels Beißschrecke (Roeseliana (Metrioptera) roeseli) und Kurzflügliger Beißschrecke (Metrioptera brachyptera) erlauben. Die Bestimmung sollte aber immer über morphologische Merkmale, wie die Form der Hinterleibsanhänge der Männchen bzw. der Subgenitalplatte (letzte Bauchplatte) der Weibchen abgesichert werden. Die Weibchen besitzen eine kürzere Legeröhre als die anderen Beißschrecken-Weibchen, die zudem an der Basis nahezu winklig nach oben gebogen ist. Gelegentlich treten langflüglige, gut flugfähige Individuen auf. Der etwas ratternd klingende Gesang wird immer wieder von abrupten kurzen Pausen unterbrochen, kann aber bei hohen Temperaturen auch minutenlang anhalten. Grundform sind schnell gereihte, kurze dreisilbige Verse, deren Lautstärke mit jeder Silbe zunimmt (Detzel 1998). Verwechslungen sind mit grün gefärbten Individuen anderer Langfühlerschrecken und ihrer Larven möglich.

Biologie und Ökologie

Die Zweifarbige Beißschrecke besiedelt magere, trockene bis frische, wärmebegünstigte Standorte mit höherer, nicht zu schütterer Vegetation. Neben langrasigen, steppenartigen Biotopen werden Heiden, Säume und Raine sowie Streuobstwiesen besiedelt. Nach verschiedenen Autoren werden windoffene Lagen bevorzugt (z. B. Detzel 1998).

Die Männchen singen überwiegend tagsüber von erhöhten Singwarten in der Vegetation. Bevorzugt werden Warten in 25-40 cm Höhe (Köhler 2001). Die Eiablage erfolgt in Grasstängel (Detzel 1998). Im Früh- und Hochsommer abgelegte Eier entwickeln sich bis zum nächsten Frühjahr, während später abgelegte Eier eine zweijährige Entwicklung durchlaufen. Bicolorana bicolor frisst hauptsächlich Blätter und Blüten von Gräsern sowie kleine Insekten (Ingrisch & Köhler 1998).

Sowohl erwachsene Tiere, als auch ältere Larvenstadien sind mobil und können in geeigneten Lebensräumen längere Strecken zurücklegen und kleinere Hindernisse wie Wege und schmale Straßen überwinden. Die Kolonisationsdistanz wird auf ca. 300 m geschätzt (Ingrisch & Köhler 1998). Makroptere (langflügelige) Individuen sind teilweise gut flugfähig, tragen aber vermutlich eher zum Genaustausch als zur Neugründung von Populationen bei (Detzel 1998).

Überregionale Verbreitung

Das lückige Areal erstreckt sich von den Pyrenäen bis in die mongolisch-sibirischen Steppengebiete. In Deutschland verläuft die nördliche Verbreitungsgrenze der Art durch Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern. Allerdings liegen aufgrund der Seltenheit der Art entlang der Verbreitungsgrenze nur wenige, verstreut liegende Fundorte. In Skandinavien erreicht die Art nur Südschweden.

Erhaltungszustand


Erhaltungszustand

nicht bewertet

Hinweise Erhaltungszustand

Aussagen zum Erhaltungszustand und zur Verbreitung der in Sachsen seltenen Art setzen eine intensive Validierung der aktuellen Fundorte voraus und sind auf Grundlage der vorliegenden Datenbasis nicht möglich. Offensichtlich bestehen in Sachsen klimatische Restriktionen.

Prüfung und Erfassung


Einstufung nach F+E-Projekt Artenschutzkonzeption 2012

Sonstige Artenhilfsmaßnahmen, Priorität 2 (hohe)

Untersuchungsstandards

Für die Erfassung bestehen keine Methodenstandards. Die Erfassung singender Tiere erfolgt am günstigsten an warmen Tagen bis Sonnenuntergang im Zeitraum (Juli) August bis September. Der Gesang ist von mittlerer Lautstärke und mehrere Meter weit hörbar. Die Nachweisbarkeit kann aber durch Einsatz eines Ultraschalldetektors weiter verbessert werden.

Vorkommen


Status Etablierung

Indigene, Ureinheimische (Reproduktion)

Nachweisabsicherung

Nein

Langfristiger Bestandstrend

gleichbleibend

Kurzfristiger Bestandstrend

  • gleichbleibend
  • Abnahme mäßig oder im Ausmaß unbekannt

Bestand

Die Zweifarbige Beißschrecke ist in Sachsen eine sehr seltene Art. Seit 1990 wurde sie nur von 14 Fundorten gemeldet. Diese liegen weit über Sachsen verstreut und reichen von der Gohrischheide nördlich von Riesa bis zu den Kammlagen des Osterzgebirges und des Zittauer Gebirges. Bemerkenswert ist das völlige Fehlen der Art in Nordwestsachsen. Diese Verbreitungslücke schließt an eine Ostthüringer Verbreitungslücke an (Köhler 2001). Wie bei vielen selteneren Heuschreckenarten bestehen aber vermutlich noch starke Kenntnisdefizite in Sachsen. Aussagen zur Bestandsentwicklung sind nicht möglich, da in der Zentralen Artdatenbank im LfULG keine Beobachtungsreihen, sondern ausschließlich Daten aus einmaligen Begehungen vorliegen.

Regionales Vorkommen

  • Chemnitz/Ob. Erzgebirge: Nachweis ab 1980
  • Oberes Elbtal/Osterzgeb.: Nachweis ab 1980
  • Oberlausitz/Niederschles.: Nachweis ab 1980
  • Westerzgebirge/Vogtland: Nachweis ab 1980

Vorkommenskarte

Vorkommenskarte

Naturraumkarte

Naturraumkarte

Phänologie


Phänogramm

Phänogramm

Erläuterung Phänologie

Die Art überwintert als Ei. Der Entwicklungszyklus ist fakultativ mehrjährig (vgl. Lebensweise). Damit sind ganzjährig Eier in den Lebensräumen vorhanden.

Lebensraum


Zu den in Sachsen genutzten Lebensräumen liegen kaum detaillierte Informationen vor. Die in der Zentralen Artdatenbank enthaltenen Fundorte umfassen u.a. Steppenrasen, Binnendünen, Straßenböschungen und Bergwiesen. Grundsätzlich ist die Art in langrasigen, steppenartigen Grasbeständen auf nährstoffarmen, wärmebegünstigten Standorten zu erwarten. Für Populationen auf isolierten Standorten besteht ein hohes Aussterberisiko, besonders bei geringen Habitatflächen. Für einen dauerhaften Erhalt überlebensfähiger Populationen sind mehrere Hektar besiedelbarer Habitate erforderlich (vgl. Detzel 1998).

Fortpflanzungs- und Ruhestätten: Entsprechen aufgrund der geringen Mobilität dem Jahreslebensraum.

Hinweise zur Abgrenzung von Populationen: Regionale Abstufung unterhalb der Ebene Landkreis. Da die Tiere nur sehr lokal verbreitet sind, sollten jeweils direkt miteinander vernetzte Vorkommen als eine Population aufgefasst werden: z. B. Wiesenkomplex, besiedelter Hangbereich etc.

Habitatkomplexe

  • Grünland, Grünanlagen
  • Heiden, Magerrasen

Habitatkomplexe Reproduktion

  • Grünland, Grünanlagen
  • Heiden, Magerrasen

Ökologische Charakterisierung

  • Offene Landschaft besonderer Struktur

Höhenstufen

  • collin
  • hochmontan
  • montan
  • planar

Management


Beurteilung

Die Verbreitungsdaten in der Zentralen Artdatenbank bestehen ausschließlich aus Einzeldaten, ohne dass eine Zu- oder Abnahme in der Fundhäufigkeit direkt ableitbar ist. Da trotz der stark erhöhten Erfassungsdichte von Heuschrecken seit ca. 2000 die Nachweise von B. bicolor nicht zunahmen, ist eher von einem negativen Bestandstrend auszugehen. Grundsätzlich ist die Zweifarbige Beißschrecke in Sachsen eine sehr seltene Art, deren Bestandsentwicklung ohne Validierung der bekannten Fundorte nicht abgeschätzt werden kann.

Management

Schutz durch sonstige Artenhilfsmaßnahmen: 

  • Validierung der bekannten Fundorte und Überprüfung der lokalen Situation der jeweiligen Populationen 
  • Erhalt, Förderung und Vernetzung des Offenlandcharakters der besiedelten wärmebetonten Standorte 
  • Förderung der Art durch extensive Schafbeweidung der besiedelten Grünländer, ggf. Herbstmahd (Oktober), um langrasige und steppenartige Grasbestände zu fördern 
  • Prüfung möglicher Entwicklungsmaßnahmen an Straßenböschungen und Deichen, die in räumlichem Bezug zu bestehenden Populationen stehen 
  • Förderung von Vernetzungskorridoren z. B. in Form von Wiesensäumen und Triften

Zentrales Medium für die Sammlung von Artdaten in der Naturschutzverwaltung des Freistaates Sachsen ist die Zentrale Artdatenbank beim LfULG: http://www.umwelt.sachsen.de/umwelt/natur/8048.htm; - Aktuelle Übersichtskarten der Verbreitung von Arten in Sachsen können unter folgendem Link abgerufen werden: http://www.umwelt.sachsen.de/umwelt/infosysteme/ida

Gefährdungen


Es liegen keine Informationen zu Gefährdungen der Art in Sachsen vor. Potenziell bestehen folgende Gefährdungen: 

  • zunehmende Verschattung infolge Aufforstungen und Gehölzsukzession bei fehlender Beweidung oder Herbstmahd 
  • Mangel an langrasigen Habitaten bei mehrschüriger Mahd 
  • Eutrophierung 
  • Isolation und Zerschneidung der Lebensräume; verringerte Flächengröße der Habitatflächen erhöhen das Aussterberisiko

Sonstiges


Literatur

Bellmann, H. (2006): Der Kosmos Heuschreckenführer. - Franckh Kosmos Verlag Stuttgart

Detzel, P. (1998): Die Heuschrecken Baden-Württembergs. – Verlag Eugen Ulmer Stuttgart. 580 S.

Detzel, P. & Maas, S. (2004): Verantwortlichkeit Deutschlands für den Erhalt von Heuschreckenarten. In: Gruttke, H. (Bearb.): Ermittlung und Verantwortlichkeit für die Erhaltung mitteleuropäischer Arten: Referate und Ergebnisse des Symposiums. Landwirtschaftsverlag, Münster, Naturschutz und biologische Vielfalt 8, S. 161 – 172.

Ingrisch, S. & Köhler, G. (1998): Die Heuschrecken Mitteleuropas. Westarp Wissenschaften, Magdeburg, Neue Brehm-Bücherei 629, 460 S.

Klaus, D. & Matzke, D. (2010): Heuschrecken, Fangschrecken, Schaben und Ohrwürmer. Rote Liste und Artenliste Sachsens. - Sächsisches Landesamt für Umwelt und Geologie, Dresden, 36 S.

Köhler, G. (2001): Fauna der Heuschrecken (Ensifera et Caelifera) des Freistaates Thüringen.- Naturschutzreport 17, Jena.

Maas, S.; Detzel, P. & Staudt, A. (2002): Gefährdungsanalyse der Heuschrecken Deutschlands. Verbreitungsatlas, Gefährdungseinstufung und Schutzkonzepte. Bonn-Bad Godesberg, 401 S.

Pfeiffer, M. A. & Renker, C. (2011): Zweifarbige Beißschrecke – Metrioptera bicolor (Philippi, 1830) In: Pfeiffer, M. A.; Niehuis, M. & Renker, C. (Hrsg.): Die Fang- und Heuschrecken in Rheinland-Pfalz. GNOR Mainz: 257-264.

Schiemenz, H. (1966): Die Orthopterenfauna von Sachsen. – Faunistische Abhandlungen, Staatliches Museum für Tierkunde Dresden 1(7, 29), S. 337 – 366 + 5 Karten.

Bearbeitungsstand und Bearbeiter des Artensteckbriefes

Stand: 07.12.2015; Bearbeiter: Dr. André Günther und Marko Olias (Naturschutzinstitut Freiberg); Hinweise und Änderungsvorschläge bitte an: Holger.Lueg@smul.sachsen.de

Legende zum Artensteckbrief unter: http://www.umwelt.sachsen.de/umwelt/natur/22872.htm; Informationen zur Artengruppe für Sachsen: http://www.umwelt.sachsen.de/umwelt/natur/22988.htm