Allgemeine Arteninformationen
Taxonomie
2 Unterarten, in Mitteleuropa Botaurus stellaris stellaris (Linnaeus, 1758) vorkommend
Kennzeichen
Die Rohrdommel ist ein gedrungener Reiher, der sich selten frei zeigt. Er ist kleiner und kurzbeiniger als ein Graureiher. Das Gefieder ist eulenartig gelbbraun gefärbt und dunkel gebändert, Oberkopf und Bartstreifen sind schwarz. Die Anwesenheit des Vogels verrät sich meist nur durch den charakteristischen Balzruf des Männchens (ein tiefes, weit hörbares „Humb“), der zu dem volkstümlichen Namen „Moorochse“ führte. Bei Gefahr nimmt die Rohrdommel eine aufrechte „Pfahlstellung“ ein.
Biologie und Ökologie
Die Rohrdommel brütet in ausgedehnten, störungsarmen Verlandungszonen stehender Gewässer mit mehrjährigen und strukturreichen aber nicht zu dichten Schilf- und Rohrkolbenbeständen. Während des Zuges kommt sie auch in kleinflächigen Schilfbeständen, teilweise auch im offenen Gelände an Ufern und Gräben vor.
Das Nest liegt versteckt im Röhricht über Wasser nahe der Wasseroberfläche. Die Rohrdommel schreitet zu einer Jahresbrut (5-6 Eier, Brutdauer 25-26 Tage, Nestlingsdauer 4-5 Wochen). Ein Männchen kann mit mehreren Weibchen verpaart sein. Das Weibchen brütet und zieht die Jungen auf.
Die Rohrdommel ist ein Teilzieher, welcher an eisfreien Gewässern der westeuropäischen Brutgebiete überwintert. In kalten Wintern kommt es zu Kälteflucht und hohen Verlusten. Die Überwinterungsgebiete der ziehenden, westpaläarktischen Vögel sind West-, Mittel- und Südeuropa, Nordafrika und Vorderasien.
Überregionale Verbreitung
Das Brutgebiet der heimischen Unterart erstreckt sich von Westeuropa und dem Mittelmeer über Sibirien bis zum Pazifik und Nordjapan. In Europa hat die RohrdommeI nur im Osten ein weitgehend geschlossenes Verbreitungsgebiet, in West- und Südeuropa tritt sie hingegen nur inselartig auf. In Deutschland kommt sie hauptsächlich im nordostdeutschen Tiefland und in Schleswig-Holstein vor, mit Verbreitungsschwerpunkten im östlichen Schleswig-Holstein, in der mecklenburgisch-brandenburgischen Seenplatte, im Bereich der Unteren Havel, in der sächsischen Oberlausitz sowie im mittleren und südlichen Sachsen-Anhalt.
Erhaltungszustand
günstig
Prüfung und Erfassung
Verantwortlichkeit (Sachsen)
Anteil Sachsen am deutschen Brutbestand: 7,9 %
Hinweise für Artenschutzprüfung
- Vogelart mit hervorgehobener artenschutzrechtlicher Bedeutung
- Einzelvorkommen als Bezug für die lokale Population bei artenschutzrechtlichen Prüfungen
Betrachtungsschwerpunkt Artenschutzprüfung
Jahresvogelaspekt
Untersuchungsstandards
Methodik, Wertungsgrenzen und Zeitraum der Brutvogelerfassung gemäß Südbeck et al. (2005)
Hinweise: Einsatz Klangattrappe notwendig
Sonstige Arten-Attribute
- Besonders störungsempfindlich (TK25-Viertelquadrant)
- windkraftempfindlich
- Brutvogelart des SPA-Fachkonzeptes (im engeren Sinne, Tab. 1+2)
- Triggerart (Vögel) - Brut
- Triggerart (Vögel) - Überwinterung
- Triggerart (Vögel) - Durchzug
- Brutvogelart der SPA-Erhaltungszieleverordnungen
- Vogelart in den SPA-Standarddatenbögen (alt)
- Brutvogelart in den SPA-Standarddatenbögen (neu) - Fortpflanzung
- Vogelart des SPA-Monitorings (Brutvögel)
Mortalitäts-Gefährdungs-Index (MGI)
- als Brutvogel: II.4 (hoch)
- als Gastvogel: II.5 (hoch)
Naturschutzfachlicher Wert-Index (NWI)
- als Brutvogel: 2 (hoch)
- als Gastvogel: 3 (mittel)
Populationsökologischer Sensitivitäts-Index (PSI)
- als Brutvogel: 3 (hoch)
- als Gastvogel: 3 (hoch)
Vorkommen
Status Etablierung
Indigene, Ureinheimische (Reproduktion)
Status Vögel
Brutvogel, Gastvogel
Bemerkung zum Status
Sommervogel (Jahresvogel), Durchzügler, Wintergast
Nachweisabsicherung
Nein
Langfristiger Bestandstrend
- starker Rückgang
- mäßiger Rückgang
Kurzfristiger Bestandstrend
- gleichbleibend
- deutliche Zunahme
Bestand
Brutbestand in Sachsen (nach Steffens et al. 2013):
1978-1982: 40-60 BP (Brutvogelkartierung 1)
1993-1996: 25-35 BP (Brutvogelkartierung 2)
2004-2007: 60-80 BP (Brutvogelkartierung 3)
2016: 60-70 BP (Expertenschätzung)
Vorkommenskarte
Naturraumkarte
Phänologie
Phänogramm
Erläuterung Phänologie
Die Reviere in den sächsischen Brutgebieten werden Ende Februar/Anfang März besetzt. Die Eier werden frühestens Anfang April, meist Ende April/Anfang Mai, teilweise auch erst Ende Mai gelegt. Die Jungenaufzucht kann sich bis in den August erstrecken. Jungvögel ziehen ab Juli, Altvögel ab August aus den Brutgebieten ab. Der Hauptdurchzug erfolgt im Zeitraum August bis Oktober. Überwinterungen finden regelmäßig statt (Steffens et al. 2013).
Lebensraum
Die Rohrdommel besiedelt flache Bereiche stehender Gewässer mit ausgedehnten mehrjährigen und strukturreichen, nicht zu dichten Altbeständen von Schilf- oder Schilf-/Rohrkolbenröhrichten ab etwa 4 ha Größe. In Gewässerkomplexen können Brut- und Rufplätze auch in weniger als 1 ha zusammenhängender Röhrichtfläche liegen. Wichtig ist ein ausreichendes Nahrungsangebot (Kleinfische, Amphibien, aquatische Wirbellose) im Bruthabitat oder in dessen Nähe.
Die meisten sächsischen Rohrdommeln brüten in den Teichgebieten der Oberlausitz. In den ehemaligen Tagebaugebieten nördlich und südlich von Leipzig werden auch flache und schilfreiche Bergbaurestgewässer besiedelt.
Während der Zugzeiten und im Winter kommt die Rohrdommel auch in kleinflächigen, schütteren Schilfbeständen oder zeitweise an völlig ungedeckten Fließgewässern, Teichen und Gräben vor.
Lebensräume nach Artenschutzrecht
Fortpflanzungsstätten:
Fortpflanzungsstätte im engeren Sinne ist das Nest. Rufende Männchen sind in der Regel 60-70 m, maximal 500 m vom Neststandort entfernt. Da der Neststandort in der Regel nicht genau ermittelt werden kann, sollte das gesamte Rufrevier oder die räumlich zusammenhängende Röhrichtfläche in der das Tier ruft, als Fortpflanzungsstätte betrachtet werden.
Ruhestätten:
Die Ruhestätten liegen im Nestbereich bzw. in unmittelbarer Nestumgebung
Habitatkomplexe
- Bergbaubiotope
- Stillgewässer inkl. Ufer
- Sümpfe, Niedermoore, Ufer
Habitatkomplexe Reproduktion
- Bergbaubiotope
- Stillgewässer inkl. Ufer
- Sümpfe, Niedermoore, Ufer
Höhenstufen
Management
Handlungsbedarf aus Landessicht
- Landeszielart des Biotopverbundes
Sonstiges
Literatur
Bauer, H.-G.; Bezzel, E. & Fiedler, W. (2005): Das Kompendium der Vögel Mitteleuropas. Alles über Biologie, Gefährdung und Schutz. Band 1: Nonpasseriformes - Nichtsperlingsvögel, 2. Aufl., Wiebelsheim.
Bauer, K. M. & Glutz von Blotzheim, U. N. (1987): Handbuch der Vögel Mitteleuropas. - Bd. 1 Gaviiformes-Phoenicopteriformes., 2. Aufl. Wiesbaden.
Bernotat, D. & Dierschke, V. (2015): Übergeordnete Kriterien zur Bewertung der Mortalität wildlebender Tiere im Rahmen von Projekten und Eingriffen 2. Fassung - Stand 25.11.2015. (Studie als PDF-Datei)
Dürr, T. (2015): Vogelverluste an Windenergieanlagen in Deutschland - Daten der zentrale Fundkartei der Staatlichen Vogelschutzwarte im Landesamt für Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz Brandenburg, Stand 02.06.2015. Ministerium für Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz (LUGV) des Landes Brandenburg. (Excel-Tabelle 'Vogelverluste an Windenergieanlagen in Deutschland')
Garniel, A. & Mierwald, U. (2010): Arbeitshilfe Vögel und Straßenverkehr. Schlussbericht zum Forschungsprojekt FE 02.286/2007/LRB der Bundesanstalt für Straßenwesen: „Entwicklung eines Handlungsleitfadens für Vermeidung und Kompensation verkehrsbedingter Wirkungen auf die Avifauna“.
Gedeon, K.; Grüneberg, C.; Mitschke, A.; Sudfeldt, C.; Eikhorst, W.; Fischer, S.; Flade, M.; Frick, S.; Geiersberger, I.; Koop, B.; Kramer, M.; Krüger, T.; Roth, N.; Ryslavy, T.; Stübing, S; Sudmann, S. R.; Steffens, R.; Vökler, F. & Witt, K. (2014): Atlas Deutscher Brutvogelarten. Atlas of German Breeding Birds. Stiftung Vogelmonitoring Deutschland und Dachverband Deutscher Avifaunisten (Hrsg.), Münster.
Hagemeijer, W. J. M. & Blair, M. J. (eds.) (1997): The EBCC Atlas of European Breeding Birds: Their distribution and abundance. London.
SMEKUL – Sächsisches Staatsministerium für Energie, Klimaschutz, Umwelt und Landwirtschaft (2021): Leitfaden Vogelschutz an Windenergieanlagen im Freistaat Sachsen (Stand 1. Dezember 2021): https://www.natur.sachsen.de/download/Leitfaden-Vogelschutz-an-Windenergieanlagen.pdf.pdf
Steffens, R.; Nachtigall, W.; Rau, S.; Trapp, H. & Ulbricht, J. (2013): Brutvögel in Sachsen. Sächsisches Landesamt für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie, Dresden. (als PDF-Dateien unter Brutvögel in Sachsen, Seiten 1-247 sowie S. 248-436 bzw. S. 437-656)
Steffens, R.; Saemann, D. & Grössler, K. (Hrsg.) (1998): Die Vogelwelt Sachsens. Gustav Fischer Verlag, Jena.
Stiefel, A. (1979): Ruhe und Schlaf bei Vögeln. Die Neue Brehm-Bücherei 487. Ziemsen-Verlag, Wittenberg.
Südbeck, P.; Andretzke, H.; Fischer, S.; Gedeon, K.; Schikore, T.; Schröder, K. & Sudfeldt, C. (Hrsg.) (2005): Methodenstandards zur Erfassung der Brutvögel Deutschlands. Radolfzell.
Südbeck, P.; Bauer, H.-G.; Boschert, M.; Boye, P. & Knief, W. (2007): Rote Liste der Brutvögel Deutschlands, 4. Fassung, 30. November 2007. Ber. Vogelschutz 44: 23-81.
Bearbeitungsstand und Bearbeiter des Artensteckbriefes
Offizieller Artensteckbrief des LfULG
Stand: 02.02.2022
Erstbearbeitung: 31.08.2016; Bearbeiter: Jörg Huth, Hans-Markus Oelerich (Halle), Dr. Matthias Weber (Heidenau);
Anpassung an die Arbeitshilfen für artenschutzrechtliche Bewertungen im Dezember 2021 und Januar 2022
Die Artensteckbriefe werden bei Bedarf fortlaufend aktualisiert.
Legende zum Artensteckbrief unter: https://www.natur.sachsen.de/artensteckbriefe-21889.html
Der Artensteckbrief ist Bestandteil der Arbeitshilfen für artenschutzrechtliche Bewertungen: https://www.natur.sachsen.de/arbeitshilfen-artenschutz-20609.html
Informationen zur Artengruppe für Sachsen: https://www.natur.sachsen.de/vogel-21259.html
Hinweise und Änderungsvorschläge zum Artensteckbrief bitte an:
Heiner.Blischke@smekul.sachsen.de