Allgemeine Arteninformationen
Taxonomie
Von der Zwergdommel sind 6 Unterarten bekannt, wobei in Deutschland Ixobrychus minutus minutus vorkommt.
Kennzeichen
Die Zwergdommel ist die kleinste Reiherart, sie ist etwa so groß wie ein Eichelhäher. Die adulten Männchen sind kontrastreich gefärbt mit schwarzem Oberkopf, Rücken und Schwanz sowie cremegelber Nacken- und Brustzeichnung. Im Flug fällt ein helles Armdeckenfeld innerhalb der dunklen Flügeloberseite auf. Die Weibchen sind weniger kontrastreich braun und gelb gezeichnet.
Biologie und Ökologie
Die Zwergdommel brütet in Verlandungsbereichen stehender und langsam fließender Gewässer mit dichten Pflanzenbeständen aus Schilf und Rohrkolben, die meist mit Weidengebüschen durchsetzt sind. Wichtig sind mehrjährige, im Wasser stehende Röhrichte, die eine Knickschicht aufweisen. Hauptsächlich werden Altwässer, Brüche, Seen, Teiche und Bergbaurestgewässer besiedelt. Zuweilen ist sie auch an kleinen Dorf-, Park- und Fischteichen (Mindestgröße ca. 0,3 ha) mit schmalen Schilfufern anzutreffen. Die Zwergdommel kommt in Deutschland bevorzugt in wärmebegünstigten Gebieten des Tieflandes mit geringen Sommerniederschlägen vor.
Das Nest befindet sich im Röhricht auf Wurzelstöcken, in der Knickschicht der Röhrichte oder in Gebüschen. In monogamer Saisonehe findet eine Jahresbrut statt (Nachgelege möglich). Das Gelege enthält 5-7 (4-9) Eier, die 16-21 Tage bebrütet werden. Die kletterfähigen Jungen halten sich in Nestnähe auf, bis sie mit ca. 25 Tagen flügge werden. Beide Eltern brüten und füttern.
Die Zwergdommel ist ein Langstreckenzieher, der vorwiegend südlich der Sahara in Ost- und Südafrika, vereinzelt auch in Westafrika und nördlich der Sahara (z. B. Nildelta) überwintert.
Überregionale Verbreitung
Die Art kommt in Süd-, Mittel- und Osteuropa, Afrika (südlich Sahara einschließlich Madagaskar), SW-Asien, Australien und Neuseeland vor. Das Verbreitungsgebiet der Nominatform (Ixobrychus m. minutus) erstreckt sich von SW-Europa bis Westasien, auf den Britischen Inseln und in Skandinavien fehlt sie.
In Deutschland kommt die Zwergdommel aktuell nur noch sehr zerstreut in Ost- und Süddeutschland vor. Aktuelle Verbreitungsschwerpunkte sind das Mitteldeutsche Trockengebiet (südliches Sachsen-Anhalt), die Leipziger Tieflandsbucht, Teile Brandenburgs, das Muschelkalkgebiet des Maintals, das nördliche Oberrheintal sowie zerstreute Vorkommen an Seen und in Flussauen des Alpenvorlandes.
Erhaltungszustand
ungünstig-unzureichend
Prüfung und Erfassung
Verantwortlichkeit (Sachsen)
Anteil Sachsen am deutschen Brutbestand: 9,4 %
Hinweise für Artenschutzprüfung
- Vogelart mit hervorgehobener artenschutzrechtlicher Bedeutung
- Einzelvorkommen als Bezug für die lokale Population bei artenschutzrechtlichen Prüfungen
Betrachtungsschwerpunkt Artenschutzprüfung
Brutvogelaspekt
Untersuchungsstandards
Methodik, Wertungsgrenzen und Zeitraum der Brutvogelerfassung gemäß Südbeck et al. (2005)
Hinweise: Einsatz Klangattrappe notwendig; Nachweise sind der Avifaunistischen Kommission Sachsen (AKS) zu melden
Sonstige Arten-Attribute
- Besonders störungsempfindlich (TK25-Viertelquadrant)
- windkraftempfindlich
- Brutvogelart des SPA-Fachkonzeptes (im engeren Sinne, Tab. 1+2)
- Triggerart (Vögel) - Brut
- Triggerart (Vögel) - Durchzug
- Brutvogelart der SPA-Erhaltungszieleverordnungen
- Vogelart in den SPA-Standarddatenbögen (alt)
- Brutvogelart in den SPA-Standarddatenbögen (neu) - Fortpflanzung
- Vogelart des SPA-Monitorings (Brutvögel)
Mortalitäts-Gefährdungs-Index (MGI)
- als Brutvogel: II.4 (hoch)
- als Gastvogel: II.4 (hoch)
Naturschutzfachlicher Wert-Index (NWI)
- als Brutvogel: 1 (sehr hoch)
- als Gastvogel: 2 (hoch)
Populationsökologischer Sensitivitäts-Index (PSI)
- als Gastvogel: 3 (hoch)
- als Brutvogel: 4 (relativ hoch)
Vorkommen
Status Etablierung
Indigene, Ureinheimische (Reproduktion)
Status Vögel
Brutvogel
Bemerkung zum Status
Sommervogel, Durchzügler
Nachweisabsicherung
Ja
Langfristiger Bestandstrend
- Rückgang, Ausmaß unbekannt
- mäßiger Rückgang
Kurzfristiger Bestandstrend
- starke Abnahme
- deutliche Zunahme
Bestand
Brutbestand in Sachsen (nach Steffens et al. 2013):
1978-1982: 3-6 BP (Brutvogelkartierung 1)
1993-1996: 2-4 BP (Brutvogelkartierung 2)
2004-2007: 10-20 BP (Brutvogelkartierung 3)
2016: 20-25 BP (Schätzung aufgrund Teilstichprobe)
Vorkommenskarte
Naturraumkarte
Phänologie
Phänogramm
Erläuterung Phänologie
Die Zwergdommel kommt in Sachsen Ende April/Anfang Mai an (früheste Erstbeobachtung am 08.04.). Die Brutgebiete werden ab Anfang Mai, mitunter aber erst im Juni/Juli besetzt. Die Rufperiode erstreckt sich von Anfang Mai bis Ende Juli. Der Abzug der Altvögel beginnt mit dem Flüggewerden der Jungvögel und erreicht seinen Höhepunkt im August. Letzte Nachzügler sind bis Ende Oktober/Anfang November im Gebiet. Die Jungvögel streifen nach dem Flüggewerden im Juli/August in der Nähe des Brutgebietes umher (Steffens et al. 1998, 2013).
Lebensraum
Die Zwergdommel besiedelt in Sachsen vor allem flache Teiche und Bergbaurestgewässer (Braunkohle-, Kies- und Lehmgruben, Absetzbecken) mit ausgedehnten Schilf- und Rohrkolbenbeständen, die meist von Gebüschen (z. B. Weiden) strukturiert werden. Manchmal weisen die Brutgewässer jedoch auch nur schmale Röhrichtgürtel auf. Wichtig ist ein gutes Nahrungsangebot (Kleinfische, Lurche, Wasserwirbellose).
Lebensräume nach Artenschutzrecht
Fortpflanzungsstätten:
Fortpflanzungsstätte ist das im Röhricht verborgene Nest und die nähere Nestumgebung, in der die Jungen bis zum Erreichen der Flugfähigkeit umherklettern. Da der Neststandort in der Regel nicht genau ermittelt werden kann, sollte das gesamte Rufrevier oder die räumlich zusammenhängende Röhrichtfläche in der das Tier ruft, als Fortpflanzungsstätte betrachtet werden.
Ruhestätten:
Die Ruhestätten liegen im Nestbereich bzw. in unmittelbarer Nestumgebung.
Habitatkomplexe
- Bergbaubiotope
- Stillgewässer inkl. Ufer
- Sümpfe, Niedermoore, Ufer
Habitatkomplexe Reproduktion
- Bergbaubiotope
- Stillgewässer inkl. Ufer
- Sümpfe, Niedermoore, Ufer
Höhenstufen
Sonstiges
Literatur
Bauer, H.-G.; Bezzel, E. & Fiedler, W. (2005): Das Kompendium der Vögel Mitteleuropas. Alles über Biologie, Gefährdung und Schutz. 3 Bde., 2. Aufl., Wiebelsheim.
Bauer, K. M. & Glutz von Blotzheim, U. N. (1987): Handbuch der Vögel Mitteleuropas. - Bd. 1 Gaviiformes-Phoenicopteriformes., 2. Aufl. Wiesbaden.
Bernotat, D. & Dierschke, V. (2015): Übergeordnete Kriterien zur Bewertung der Mortalität wildlebender Tiere im Rahmen von Projekten und Eingriffen 2. Fassung - Stand 25.11.2015. (Studie als PDF-Datei)
Dürr, T. (2015a): Vogelverluste an Windenergieanlagen in Deutschland - Daten der zentrale Fundkartei der Staatlichen Vogelschutzwarte im Landesamt für Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz Brandenburg, Stand 01.06.2015. Ministerium für Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz (LUGV) des Landes Brandenburg. (Excel-Tabelle 'Vogelverluste an Windenergieanlagen in Deutschland')
Dürr, T. (2015b): Vogelverluste an Windenergieanlagen / bird fatalities at windturbines in Europe - Daten der zentrale Fundkartei der Staatlichen Vogelschutzwarte im Landesamt für Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz Brandenburg, Stand 01.06.2015. Ministerium für Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz (LUGV) des Landes Brandenburg. (Excel-Tabelle 'Vogelverluste an Windenergieanlagen in Europa')
Garniel, A. & Mierwald, U. (2010): Arbeitshilfe Vögel und Straßenverkehr. Schlussbericht zum Forschungsprojekt FE 02.286/2007/LRB der Bundesanstalt für Straßenwesen: „Entwicklung eines Handlungsleitfadens für Vermeidung und Kompensation verkehrsbedingter Wirkungen auf die Avifauna“.
Gedeon, K.; Grüneberg, C.; Mitschke, A.; Sudfeldt, C.; Eikhorst, W.; Fischer, S.; Flade, M.; Frick, S.; Geiersberger, I.; Koop, B.; Kramer, M.; Krüger, T.; Roth, N.; Ryslavy, T.; Stübing, S; Sudmann, S. R.; Steffens, R.; Vökler, F. & Witt, K. (2014): Atlas Deutscher Brutvogelarten. Atlas of German Breeding Birds. Stiftung Vogelmonitoring Deutschland und Dachverband Deutscher Avifaunisten (Hrsg.), Münster.
Hagemeijer, W. J. M. & Blair, M. J. (eds.) (1997): The EBCC Atlas of European Breeding Birds: Their distribution and abundance. London.
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SMEKUL – Sächsisches Staatsministerium für Energie, Klimaschutz, Umwelt und Landwirtschaft (2021): Leitfaden Vogelschutz an Windenergieanlagen im Freistaat Sachsen (Stand 1. Dezember 2021): https://www.natur.sachsen.de/download/Leitfaden-Vogelschutz-an-Windenergieanlagen.pdf.pdf
Steffens, R.; Nachtigall, W.; Rau, S.; Trapp, H. & Ulbricht, J. (2013): Brutvögel in Sachsen. Sächsisches Landesamt für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie, Dresden. (als PDF-Dateien unter Brutvögel in Sachsen, Seiten 1-247 sowie S. 248-436 bzw. S. 437-656)
Steffens, R.; Saemann, D. & Grössler, K. (Hrsg.) (1998): Die Vogelwelt Sachsens. Gustav Fischer Verlag, Jena.
Südbeck, P.; Andretzke, H.; Fischer, S.; Gedeon, K.; Schikore, T.; Schröder, K. & Sudfeldt, C. (Hrsg.) (2005): Methodenstandards zur Erfassung der Brutvögel Deutschlands. Radolfzell.
Südbeck, P.; Bauer, H.-G.; Boschert, M.; Boye, P. & Knief, W. (2007): Rote Liste der Brutvögel Deutschlands, 4. Fassung, 30. November 2007. Ber. Vogelschutz 44: 23-81.
Bearbeitungsstand und Bearbeiter des Artensteckbriefes
Offizieller Artensteckbrief des LfULG
Stand: 02.02.2022
Erstbearbeitung: 22.08.2016; Bearbeiter: Jörg Huth, Hans-Markus Oelerich (Halle), Dr. Matthias Weber (Heidenau);
Anpassung an die Arbeitshilfen für artenschutzrechtliche Bewertungen im Dezember 2021 und Januar 2022
Die Artensteckbriefe werden bei Bedarf fortlaufend aktualisiert.
Legende zum Artensteckbrief unter: https://www.natur.sachsen.de/artensteckbriefe-21889.html
Der Artensteckbrief ist Bestandteil der Arbeitshilfen für artenschutzrechtliche Bewertungen: https://www.natur.sachsen.de/arbeitshilfen-artenschutz-20609.html
Informationen zur Artengruppe für Sachsen: https://www.natur.sachsen.de/vogel-21259.html
Hinweise und Änderungsvorschläge zum Artensteckbrief bitte an:
Heiner.Blischke@smekul.sachsen.de