Allgemeine Arteninformationen
Taxonomie
Der Fischadler bildet drei genetisch divergente Formengruppen, die jedoch morphologisch sehr ähnlich sind. In Europa kommt die Nominatform Pandion haliaetus haliaetus vor.
Kennzeichen
Der Fischadler ist ein kontrastreich gefärbter mittelgroßer Greifvogel (größer als ein Mäusebussard). Im Flug fallen seine schmalen und meist gewinkelt gehaltenen Flügel auf. Markant ist zudem der weiße Kopf mit braunen Augenstreifen und gelber Iris. Bei adulten Individuen ist das Gefieder oberseits dunkelbraun sowie Brust und Bauch weißlich gefärbt. Beide Geschlechter haben ein bräunliches Brustband, welches beim Weibchen in der Regel ausgeprägter ist. Jungvögel haben bis in den Herbst hinein helle Federsäume an den dunkelbraunen Rückenfedern.
Biologie und Ökologie
Der Fischadler brütet in Deutschland hauptsächlich in waldreichen Seengebieten und Flusslandschaften. Die Art benötigt zur Ansiedlung exponierte Nestunterlagen und fischreiche Gewässer in der Umgebung. Natürliche Brutplätze sind meist hohe Kiefern als Überhälter am Waldrand oder im lichten Bestand. Aktuell werden häufig Gittermasten von Hochspannungsleitungen als Brutplatz genutzt. Künstliche Nisthilfen auf solchen Masten können die Ansiedlung fördern. Neststandort und Nahrungsgewässer können benachbart sein, aber auch mehrere Kilometer voneinander entfernt liegen.
In meist monogamer Saisonehe (Partnerwechsel während der Brutzeit ist möglich) kommt es zu einer Jahresbrut (Nachgelege sind möglich). Das Gelege enthält 2-3 (1-4) Eier, die bis zum Schlupf 38-41 Tage bebrütet werden. Die Nestlingszeit beträgt 50-60 Tage. Beide Geschlechter brüten, die Beute wird überwiegend vom Männchen herbeigeschafft.
Der Fischadler ernährt sich fast ausschließlich von Fischen (Vorzugsgewicht 150-350 g, an Fischteichen 300-500 g, max. knapp 2 kg), die er über dem Wasser rüttelnd und dann stoßtauchend erbeutet.
Die europäischen Brutvögel sind Langstreckenzieher, die hauptsächlich in Westafrika südlich der Sahara überwintern.
Überregionale Verbreitung
Der Fischadler ist eine weit verbreitete Greifvogelart, die in Eurasien, Australien, Nord- und Mittelamerika und in wenigen Gebieten Nordafrikas brütet. Die Brutverbreitung in Eurasien erstreckt sich von Schottland und Skandinavien über das Baltikum und Russland bis nach Kamtschatka und Japan. In Mitteleuropa besteht eine Verbreitungsinsel vom nordöstlichen Deutschland über das nördliche Polen.
In Deutschland gibt es derzeit ca. 550 Fischadlerpaare (Stand 2005-2009) mit Verbreitungsschwerpunkt in den Seen- und Flusslandschaften des Nordostdeutschen Tieflandes. Die höchsten Brutdichten werden in der Mecklenburgischen Seenplatte, in der Uckermark, im Havelland und im Südosten Brandenburgs erreicht. Nach Westen reicht das zusammenhängende Verbreitungsgebiet bis zur Mittelelbe und zur Mulde, im Süden bis ins sächsische Tiefland. Wenige Paare brüten in separierten Vorkommensinseln in Nordostbayern, Niedersachsen (v. a. Lüneburger Heide) und Ostthüringen.
Jagd- und Fischereirecht
Jagdrecht, ohne Jagdzeit
Prüfung und Erfassung
Verantwortlichkeit (Sachsen)
Anteil Sachsen am deutschen Brutbestand: 8,3 %
Hinweise für Artenschutzprüfung
- Vogelart mit hervorgehobener artenschutzrechtlicher Bedeutung
- Einzelvorkommen als Bezug für die lokale Population bei artenschutzrechtlichen Prüfungen
Betrachtungsschwerpunkt Artenschutzprüfung
Brutvogelaspekt
Untersuchungsstandards
Methodik, Wertungsgrenzen und Zeitraum der Brutvogelerfassung gemäß Südbeck et al. (2005)
Sonstige Arten-Attribute
- Kollisionsgefährdete Brutvogelarten nach BNatschG, Anlage 1
- Besonders störungsempfindlich (TK25-Viertelquadrant)
- windkraftempfindlich
- Brutvogelart des SPA-Fachkonzeptes (im engeren Sinne, Tab. 1+2)
- Triggerart (Vögel) - Brut
- Brutvogelart der SPA-Erhaltungszieleverordnungen
- Vogelart in den SPA-Standarddatenbögen (alt)
- Brutvogelart in den SPA-Standarddatenbögen (neu) - Fortpflanzung
- Vogelart des SPA-Monitorings (Brutvögel)
Mortalitäts-Gefährdungs-Index (MGI)
- als Brutvogel: I.3 (sehr hoch)
- als Gastvogel: III.6 (mittel)
Naturschutzfachlicher Wert-Index (NWI)
- als Brutvogel: 1 (sehr hoch)
- als Gastvogel: 4 (gering)
Populationsökologischer Sensitivitäts-Index (PSI)
- als Brutvogel: 3 (hoch)
- als Gastvogel: 3 (hoch)
Vorkommen
Status Etablierung
Indigene, Ureinheimische (Reproduktion)
Status Vögel
Brutvogel, Gastvogel
Bemerkung zum Status
Sommervogel, Durchzügler
Nachweisabsicherung
Nein
Langfristiger Bestandstrend
- starker Rückgang
- deutliche Zunahme
Kurzfristiger Bestandstrend
deutliche Zunahme
Bestand
Brutbestand in Sachsen (nach Steffens et al. 2013):
1978-1982: 1-3 BP (Brutvogelkartierung 1)
1993-1996: 0-4 BP (Brutvogelkartierung 2)
2004-2007: 30-40 BP (Brutvogelkartierung 3)
2016: 55-65 BP (Schätzung aufgrund Teilstichprobe)
Vorkommenskarte
Naturraumkarte
Phänologie
Phänogramm
Erläuterung Phänologie
Erste Brutvögel treffen Mitte März in den sächsischen Brutgebieten ein (ausnahmsweise früher). Ankunft und Frühjahresdurchzug erreichen ihren Höhepunkt meist Anfang bis Mitte April (Durchzug bis Mitte/Ende Mai). Der Abzug und Herbstdurchzug erstreckt sich von Ende Juli/Anfang August bis Ende Oktober mit Höhepunkt Ende August bis Mitte September und Nachzüglern bis Ende November.
Die sächsischen Brutplätze werden meist Anfang bis Mitte April besetzt und die Eier bis Ende April gelegt. Die Jungvögel fliegen meist Mitte/Ende Juli aus und werden dann noch einige Zeit von den Eltern betreut (Steffens et al. 2013).
Lebensraum
Fischadler brüten im sächsischen Tiefland und hier vor allem in den Flussauen von Vereinigter Mulde, Elbe und Großer Röder sowie in den waldärmeren Teilen der Oberlausitz mit größeren Staugewässern. Die aktuellen sächsischen Brutplätze befinden sich fast ausschließlich auf Gittermasten von Hochspannungsfreileitungen (insbesondere 110 kV-Masten mit Nisthilfen) an störungsarmen Standorten in der Feldflur, ursprünglich wurden exponierte Baumüberhälter als Brutplatz genutzt. Fischreiche Standgewässer (vor allem Teichgebiete) und größere Fließgewässer (Mulde, Elbe und Röder) haben als Jagdhabitate eine besondere Bedeutung. Sie sind meist weniger als 3-4 Kilometer vom Brutplatz entfernt, es gibt aber auch Brutplätze in größerer Entfernung zu bedeutenden Nahrungsgewässern (> 6 km).
Lebensräume nach Artenschutzrecht
Fortpflanzungsstätten:
Fortpflanzungsstätte ist der Brutplatz bzw. Neststandort (Gittermast, Horstbaum). Zu berücksichtigen ist eine störungsarme Horstschutzzone (300m-Umkreis).
Ruhestätten:
Ruhestätten sind während der Brutzeit der Horst und Sitzwarten in der unmittelbaren Umgebung (bei Mastbruten vor allem die Traversen des Gittermastes, bei Baumbruten auch trockene bzw. wipfeldürre Äste und Altbäume in der näheren Umgebung).
Habitatkomplexe
- Äcker und Sonderkulturen
- Bergbaubiotope
- Fließgewässer, Quellen
- Stillgewässer inkl. Ufer
- Wälder
Habitatkomplexe Reproduktion
Höhenstufen
Sonstiges
Literatur
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Steffens, R.; Saemann, D. & Grössler, K. (Hrsg.) (1998): Die Vogelwelt Sachsens. Gustav Fischer Verlag, Jena.
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Bearbeitungsstand und Bearbeiter des Artensteckbriefes
Offizieller Artensteckbrief des LfULG
Stand: 02.02.2022
Erstbearbeitung: 22.09.2016; Bearbeiter: Jörg Huth, Hans-Markus Oelerich (Halle), Dr. Matthias Weber (Heidenau)
Anpassung an die Arbeitshilfen für artenschutzrechtliche Bewertungen im Dezember 2021 und Januar 2022
Die Artensteckbriefe werden bei Bedarf fortlaufend aktualisiert.
Legende zum Artensteckbrief unter: https://www.natur.sachsen.de/artensteckbriefe-21889.html
Der Artensteckbrief ist Bestandteil der Arbeitshilfen für artenschutzrechtliche Bewertungen: https://www.natur.sachsen.de/arbeitshilfen-artenschutz-20609.html
Informationen zur Artengruppe für Sachsen: https://www.natur.sachsen.de/vogel-21259.html
Hinweise und Änderungsvorschläge zum Artensteckbrief bitte an:
Heiner.Blischke@smekul.sachsen.de