Allgemeine Arteninformationen
Taxonomie
keine anerkannten Unterarten
Kennzeichen
Die Lachmöwe ist die kleinste regelmäßig in Mitteleuropa brütende Möwe. Sie ist etwa so groß wie eine Haustaube. Im Brutkleid hat die Art eine dunkelbraune bis schwarze, nicht bis in den Nacken reichende Kopfmaske, in der sich der weiße Augenhinterrand absetzt. Ansonsten ist das Gefieder auf der Oberseite überwiegend hellgrau, die Unterseite und der Schwanz sind weiß gefärbt. Im Flug sind der weiße Vorderflügelkeil und die schwarze Endbinde der äußeren Handschwingen kennzeichnend. Schnabel und Beine sind rot. Im Schlichtkleid fehlt die braune Kopfmaske, stattdessen sind am weißen Kopf kleine Ohrflecken vorhanden. Im Jugendkleid ist die Oberseite bräunlich gemustert und durch helle Federsäume strukturiert, zudem hat der Schwanz eine schwarze Endbinde und Schnabel und Beine sind rosa-orange gefärbt. Im Alter von zwei Jahren ist die Lachmöwe ausgefärbt. Die Geschlechter sind anhand der Färbung nicht zu unterscheiden. Die Männchen sind jedoch etwas größer und schwerer als die Weibchen.
Biologie und Ökologie
Bruthabitate der Lachmöwe im Binnenland sind Verlandungszonen und störungsfreie Inseln in Seen, Teichen, Abbaurestgewässern, Altwässern, Speicher- und Klärbecken und (seltener) größeren Flüssen. Auch Gründland-Vernässungsgebiete werden besiedelt. An der Küste liegen die Brutplätze auf Salzwiesen, Boddeninseln und in anderen küstennahen Feuchtgebieten. Außerhalb der Brutzeit ist die Art zur Nahrungssuche z. T. in großer Individuenzahl u. a. auf Äckern, Wiesen, Müllkippen, an Kläranlagen, Häfen und Stadtgewässern anzutreffen.
In der Regel brütet die Lachmöwe in Kolonien, in denen sie auch mit anderen Arten vergesellschaftet sein kann (z. B. Schwarzhalstaucher, Schwarzkopfmöwe). In monogamer Saisonehe wird eine Jahresbrut durchgeführt. Das Nest befindet sich meist in der Vegetation auf fester trockener Unterlage. Die 2-3 Eier werden von beiden Geschlechtern 21-25 Tage bebrütet. Nach dem Schlupf werden die Jungvögel 26-28 Tage im Nest versorgt. Bei Brutverlust kommt es häufig zu Umsiedlungen.
Die Lachmöwe bevorzugt tierische Nahrung (Regenwürmer, Insekten, Fische), zudem pflanzliche Nahrung sowie Aas und (besonders im Winterhalbjahr) vielfach Abfälle.
Je nach geographischer Lage ist die Art Stand- oder Strichvogel, Teilzieher, Kurz- und selten auch Langstreckenzieher. Die Winterquartiere liegen in den Küstenregionen ganz Europas, aber auch an größeren Binnengewässern, wobei das Überwinterungsgebiet nach Norden und Osten durch die 0°C-Januar-Isotherme begrenzt wird.
Überregionale Verbreitung
Die Lachmöwe ist Brutvogel im mittleren und nördlichen Eurasien von Island und Irland bis nach Kamtschatka. Vereinzelt und unregelmäßig brütet sie auch an der Küste Neufundlands und Süd-Grönlands. Vorkommensschwerpunkt in Mitteleuropa ist das küstennahe Tiefland. Die Art zeigt eine hohe natürliche Bestandsdynamik durch Um- und Neuansiedlungen. Im 20. Jahrhundert kam es z. T. zu einer starken Arealausweitung.
In Deutschland ist die Lachmöwe vor allem im Norddeutschen Tiefland und im Alpenvorland verbreitet, die Mittelgebirgsregion ist nur sehr punktuell besiedelt. Im Zeitraum 2005-2009 wurde in Deutschland ein Bestand von 105.000 bis 150.000 Brutpaaren ermittelt. Verbreitungsschwerpunkt ist die Küsteregion der Nordsee mit großen Kolonien vor allem auf den Inseln im Wattenmeer Niedersachsens und Schleswig-Holsteins. Aber auch auf Inseln an der Ostsee und im Binnenland gibt es größere Kolonien mit Schwerpunkten in Niedersachsen, Bayern, Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg und Sachsen.
Erhaltungszustand
ungünstig-schlecht
Jagd- und Fischereirecht
Jagdrecht, begrenzte Jagdzeit
Prüfung und Erfassung
Verantwortlichkeit (Sachsen)
Anteil Sachsen am deutschen Brutbestand: 2,6 %
Hinweise für Artenschutzprüfung
- Vogelart mit hervorgehobener artenschutzrechtlicher Bedeutung
- Einzelvorkommen als Bezug für die lokale Population bei artenschutzrechtlichen Prüfungen
Betrachtungsschwerpunkt Artenschutzprüfung
Brut- und Gastvogelaspekt
Untersuchungsstandards
Methodik, Wertungsgrenzen und Zeitraum der Brutvogelerfassung gemäß Südbeck et al. (2005)
Hinweis: differenzierte Besonderheiten bei der Bestandserfassung in Kolonien beachten (Paarzählung, Zählung auffliegender Individuen oder Nesterzählung; siehe Südbeck et al. 2005)
Sonstige Arten-Attribute
- Fokusart im SPA-Management
- Besonders störungsempfindlich (TK25-Viertelquadrant)
- windkraftempfindlich
- Brutvogelart des SPA-Fachkonzeptes (im weiteren Sinne, Tab. 3)
- Wasservogelart des SPA-Fachkonzeptes (Tab. 4)
- Vogelart in den SPA-Standarddatenbögen (alt)
- Vogelart des SPA-Monitorings (Brutvögel)
Mortalitäts-Gefährdungs-Index (MGI)
- als Brutvogel: III.6 (mittel)
- als Gastvogel: III.7 (mittel)
Naturschutzfachlicher Wert-Index (NWI)
- als Brutvogel: 4 (gering)
- als Gastvogel: 5 (sehr gering)
Populationsökologischer Sensitivitäts-Index (PSI)
- als Brutvogel: 3 (hoch)
- als Gastvogel: 3 (hoch)
Vorkommen
Status Etablierung
Indigene, Ureinheimische (Reproduktion)
Status Vögel
Brutvogel, Gastvogel
Bemerkung zum Status
Jahresvogel, Sommervogel, Durchzügler, Wintergast
Nachweisabsicherung
Nein
Langfristiger Bestandstrend
gleichbleibend
Kurzfristiger Bestandstrend
- gleichbleibend
- starke Abnahme
Bestand
Brutbestand in Sachsen (nach Steffens et al. 2013):
1978-1982: 9000-12000 BP (Brutvogelkartierung 1)
1993-1996: 7000-8000 BP (Brutvogelkartierung 2)
2004-2007: 5000-7000 BP (Brutvogelkartierung 3)
2016: 3000-4000 BP (Expertenschätzung)
Vorkommenskarte
Naturraumkarte
Phänologie
Phänogramm
Erläuterung Phänologie
Lachmöwen sind ganzjährig anwesend. Die Besetzung der sächsischen Brutkolonien beginnt Mitte/Ende März, bis Mai kommen jedoch nach und nach weitere Brutpaare hinzu. Die Brutzeit reicht von Anfang April bis Ende Juli, kann aber jährlich stark schwanken. Der Nestbau beginnt meist Mitte April und die Eiablage ab Ende April/Anfang Mai. Ersatz- und Spätgelege können bis Ende Juni/Anfang Juli auftreten. Innerhalb einer Kolonie differiert die Eiablage häufig bis zu 3 Wochen. Die Jungen schlüpfen meist Mitte/Ende Mai und sind Mitte Juni bis Mitte Juli flügge. Bis Ende Juli/Anfang August lösen sich die Kolonien auf. Sowohl im Frühjahr (März) als auch im Herbst (August bis Oktober) sind beachtliche Ansammlungen von Lachmöwen in Rastgebieten und an Schlafgewässern möglich (Steffens et al. 1998, 2013).
Lebensraum
Die Lachmöwe besiedelt in Sachsen vor allem Teichgebiete, Bergbaurestgewässer und Flachland-Talsperren in der offenen und halboffenen Landschaft. Kolonien befinden sich vorrangig auf Inseln und in uferfernen Verlandungszonen. Nester werden auf Kaupen, umgebrochenem Röhricht, schwimmenden Pflanzen(teilen), Schwingdecken, aber auch bis 2 m hoch auf Gehölzen und Sonderstrukturen gebaut. Auf Inseln in Abbaurestgewässern werden Bodennester auf bewachsenen und unbewachsenen Stellen, auch unter Büschen angelegt. Nahrungssuchende Lachmöwen werden vor allem auf Äckern (besonders auf frisch gepflügten), kurzrasigem Grünland, in Überschwemmungsbereichen, auf Schlammflächen, abgelassenen Teichen und auf Mülldeponien angetroffen. Ausgehend von den Brutkolonien finden Nahrungsflüge bis in 30 km Entfernung statt. Große Schlafplatzansammlungen finden sich im Herbst und Winter vor allem auf größeren Tagebauseen, Flachland-Talsperren und großen Teichen zusammen. Im Winter halten sich Lachmöwen aber auch an größeren Flüssen (insbesondere Elbtal) und in Großstädten auf.
Lebensräume nach Artenschutzrecht
Fortpflanzungsstätten:
Die Fortpflanzungsstätte ist die Brutkolonie.
Ruhestätten:
Nächtliche Schlafplätze befinden sich meist auf der freien Wasserfläche von Seen. Vor allem im Winterhalbjahr gibt es Massenschlafplätze (mit bis zu 10.000 Individuen). Zu- und Abflug erfolgen auf bestimmten Routen. Bei starkem Wind und an Tagesruheplätzen zur Zugzeit ruht die Lachmöwe auch auf Sandbänken, flachen Inseln, Spülflächen und niedrigem Graswuchs. Vergesellschaftung mit anderen Möwen- und Wasservogelarten kommt häufig vor. Auch zur Brutzeit gibt es nächtliche Schlafgemeinschaften der nichtbrütenden Partner. Die Entfernung zwischen Brutkolonie und Hauptschlafplatz beträgt bis 30 km, zu kleineren Übernachtungsplätzen < 1 km (Stiefel 1979).
Habitatkomplexe
- Äcker und Sonderkulturen
- Bergbaubiotope
- Feuchtgrünland, Staudenfluren
- Fließgewässer, Quellen
- Grünland, Grünanlagen
- Stillgewässer inkl. Ufer
Habitatkomplexe Reproduktion
- Bergbaubiotope
- Stillgewässer inkl. Ufer
Höhenstufen
Sonstiges
Literatur
Bernotat, D. & Dierschke, V. (2015): Übergeordnete Kriterien zur Bewertung der Mortalität wildlebender Tiere im Rahmen von Projekten und Eingriffen 2. Fassung - Stand 25.11.2015. (Studie als PDF-Datei)
Bezzel, E. (1985): Kompendium der Vögel Mitteleuropas: Nonpasseriformes – Nichtsingvögel. AULA-Verlag, Wiesbaden.
Dürr, T. (2015): Vogelverluste an Windenergieanlagen in Deutschland - Daten der zentrale Fundkartei der Staatlichen Vogelschutzwarte im Landesamt für Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz Brandenburg, Stand 01.06.2015. Ministerium für Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz (LUGV) des Landes Brandenburg. (Excel-Tabelle 'Vogelverluste an Windenergieanlagen in Deutschland')
Gedeon, K.; Grüneberg, C.; Mitschke, A.; Sudfeldt, C.; Eikhorst, W.; Fischer, S.; Flade, M.; Frick, S.; Geiersberger, I.; Koop, B.; Kramer, M.; Krüger, T.; Roth, N.; Ryslavy, T.; Stübing, S; Sudmann, S. R.; Steffens, R.; Vökler, F. & Witt, K. (2014): Atlas Deutscher Brutvogelarten. Atlas of German Breeding Birds. Stiftung Vogelmonitoring Deutschland und Dachverband Deutscher Avifaunisten (Hrsg.), Münster.
SMEKUL – Sächsisches Staatsministerium für Energie, Klimaschutz, Umwelt und Landwirtschaft (2021): Leitfaden Vogelschutz an Windenergieanlagen im Freistaat Sachsen (Stand 1. Dezember 2021): https://www.natur.sachsen.de/download/Leitfaden-Vogelschutz-an-Windenergieanlagen.pdf.pdf
Steffens, R.; Nachtigall, W.; Rau, S.; Trapp, H. & Ulbricht, J. (2013): Brutvögel in Sachsen. Sächsisches Landesamt für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie, Dresden. (als PDF-Dateien unter Brutvögel in Sachsen, Seiten 1-247 sowie S. 248-436 bzw. S. 437-656)
Steffens, R.; Saemann, D. & Grössler, K. (Hrsg.) (1998): Die Vogelwelt Sachsens. Gustav Fischer Verlag, Jena.
Stiefel, A. (1979): Ruhe und Schlaf bei Vögeln. Die Neue Brehm-Bücherei 487. Ziemsen-Verlag, Wittenberg.
Südbeck, P.; Andretzke, H.; Fischer, S.; Gedeon, K.; Schikore, T.; Schröder, K. & Sudfeldt, C. (Hrsg.) (2005): Methodenstandards zur Erfassung der Brutvögel Deutschlands. Radolfzell.
Südbeck, P.; Bauer, H.-G.; Boschert, M.; Boye, P. & Knief, W. (2007): Rote Liste der Brutvögel Deutschlands, 4. Fassung, 30. November 2007. Ber. Vogelschutz 44: 23-81.
http://de.wikipedia.org/wiki/Lachmöwe (Dezember 2010)
http://www.bfn.de/natursport/info (Tierart, Vögel, Watvögel, Lachmöwe)
Bearbeitungsstand und Bearbeiter des Artensteckbriefes
Offizieller Artensteckbrief des LfULG
Stand: 02.02.2022
Erstbearbeitung: 01.09.2016: Hans-Markus Oelerich, Jörg Huth (Halle)
Anpassung an die Arbeitshilfen für artenschutzrechtliche Bewertungen im Dezember 2021 und Januar 2022
Die Artensteckbriefe werden bei Bedarf fortlaufend aktualisiert.
Legende zum Artensteckbrief unter: https://www.natur.sachsen.de/artensteckbriefe-21889.html
Der Artensteckbrief ist Bestandteil der Arbeitshilfen für artenschutzrechtliche Bewertungen: https://www.natur.sachsen.de/arbeitshilfen-artenschutz-20609.html
Informationen zur Artengruppe für Sachsen: https://www.natur.sachsen.de/vogel-21259.html
Hinweise und Änderungsvorschläge zum Artensteckbrief bitte an: H
einer.Blischke@smekul.sachsen.de