Allgemeine Arteninformationen
Taxonomie
weltweit 9 Unterarten sowie eine sehr nah verwandte Art (Asio capensis); in Mitteleuropa lediglich Asio flammeus flammeus
Kennzeichen
Die Sumpfohreule ist mit 35 bis 40 cm etwas größer als eine Ringeltaube. Das Gefieder zeichnet sich durch eine strohgelbe bis schilffarbene Grundtönung aus, die oberseits von breiten dunkelbraunen Flecken und unterseits von dunkelbraunen Längsstreifen strukturiert wird. Charakteristisch ist das helle Gesichtsfeld, in dem die schwarz umrandeten Augen mit einer auffällig gelben Iris liegen. Die kleinen Federohren sind auf dem runden Kopf meist nicht zu sehen. Bei Erregung voll aufgerichtet ragen sie nur wenig aus dem Kopfgefieder hervor.
Die Sumpfohreule ist in ihrer Färbung relativ variabel, es treten sowohl recht dunkle, stark gefleckte als auch wesentlich heller gefärbte Individuen auf. Im Flug fallen die hellen Unterseiten der langen, schlanken Flügel auf, die nur an der Spitze und am Flügelbug dunkle schwarzbraune Abzeichen aufweisen.
Biologie und Ökologie
Die Sumpfohreule ist eine dämmerungs- und tagaktive Art. Sie ernährt sich und ihre Nestlinge vor allem von kleinen Säugetieren, insbesondere von Wühlmäusen. Die jährlichen Brutbestände können in Abhängigkeit von der Populationsstärke der Beutetiere stark schwanken.
Bevorzugte Lebensräume sind großräumige, offene bis halboffene Küsten- und Niederungslandschaften, Moore, Marschen sowie Dünentäler und Heiden im Küstenbereich. Die Beute wird zumeist im Flug gejagt (niedriger Suchflug, Rüttelflug), wobei der Flug manchmal an den der Weihen erinnert (Gaukelflug). Balzflüge sind vor allem am Spätnachmittag, am Abend sowie in den frühen Morgenstunden zu beobachten. Männchen markieren das Territorium mit Imponierflügen, bei denen lange Gleitstrecken mit Sturzflügen und lautem Flügelklatschen abwechseln.
Die Bodennester befinden sich in hochwüchsigen Landröhrichten, Riedern, Feuchtwiesen, Heiden, Hochstauden, Brachen oder Getreideäckern bevorzugt an trockenen Stellen mit lückiger 15-50 cm hoher Vegetation (oft in der Nähe von Erhebungen, die vom wachenden Männchen als Ansitzpunkt genutzt werden). Das Gelege enthält meist 7-10 Eier, die 24-28 Tage bebrütet werden (in der Regel eine Jahresbrut). Die Jungen verlassen ab dem 15. Tag das Nest und sind mit 30-48 Tagen flügge.
Sumpfohreulen aus den nördlichen Brutgebieten ziehen im Winter in südliche Gebiete, Wanderungen über mehrere tausend Kilometer sind dabei keine Seltenheit. Die Winterquartiere paläarktischer Vögel liegen im Mittelmeerraum, manche fliegen bis in Regionen südlich der Sahara; skandinavische und mitteleuropäische Brutvögel ziehen auch in westliche Richtungen an die Atlantikküste oder nach England; osteuropäische und asiatische Sumpfohreulen überwintern häufig im Schwarzmeerraum und in den Steppengebieten Zentralasiens.
Überregionale Verbreitung
Die Sumpfohreule ist weltweit verbreitet. Schwerpunkte liegen dabei im nördlichen Nordamerika, im südlichen Südamerika und in großen Teilen des nördlichen und mittleren Eurasiens. In Europa kommt sie vor allem in Skandinavien, Osteuropa, auf den britischen Inseln, auf Island und in den Küstenregionen der Nordsee vor.
In Deutschland brüten die meisten Sumpfohreulen auf den Ostfriesischen Inseln, weitere beständigere Brutvorkommen finden sich im westlichen Schleswig-Holstein. In starken Mäusejahren finden zerstreute Einzelbruten auch küstenfern im Binnenland, schwerpunktmäßig im norddeutschen Tiefland, statt.
Erhaltungszustand
nicht bewertet
Prüfung und Erfassung
Verantwortlichkeit (Sachsen)
Anteil Sachsen am deutschen Brutbestand: 1,1 %
Hinweise für Artenschutzprüfung
- Vogelart mit hervorgehobener artenschutzrechtlicher Bedeutung
- Einzelvorkommen als Bezug für die lokale Population bei artenschutzrechtlichen Prüfungen
Betrachtungsschwerpunkt Artenschutzprüfung
Brut- und Gastvogelaspekt
Untersuchungsstandards
Methodik, Wertungsgrenzen und Zeitraum der Brutvogelerfassung gemäß Südbeck et al. (2005)
Sonstige Arten-Attribute
- Kollisionsgefährdete Brutvogelarten nach BNatschG, Anlage 1
- Besonders störungsempfindlich (TK25-Viertelquadrant)
- windkraftempfindlich
- Triggerart (Vögel) - Brut
- Brutvogelart der SPA-Erhaltungszieleverordnungen
- Vogelart in den SPA-Standarddatenbögen (alt)
- Brutvogelart in den SPA-Standarddatenbögen (neu) - Fortpflanzung
Mortalitäts-Gefährdungs-Index (MGI)
- als Brutvogel: I.3 (sehr hoch)
- als Gastvogel: II.4 (hoch)
Naturschutzfachlicher Wert-Index (NWI)
- als Brutvogel: 1 (sehr hoch)
- als Gastvogel: 2 (hoch)
Populationsökologischer Sensitivitäts-Index (PSI)
- als Brutvogel: 3 (hoch)
- als Gastvogel: 3 (hoch)
Vorkommen
Status Etablierung
Regelmäßiger Gast/Durchzügler und vereinzelt Reproduktion
Status Vögel
Brutvogel, Gastvogel
Bemerkung zum Status
unregelmäßiger, oft jahrelang fehlender und sehr seltener Brutvogel; alljährlicher Durchzügler und Wintergast in geringer Zahl
Nachweisabsicherung
Nein
Langfristiger Bestandstrend
- Rückgang, Ausmaß unbekannt
- mäßiger Rückgang
Kurzfristiger Bestandstrend
- starke Abnahme
- gleichbleibend
Bestand
2004-2007: 1-3 BP (Steffens et al. 2013; Brutvogelkartierung 3)
2016: 0-1 BP (Expertenschätzung)
Vorkommenskarte
Naturraumkarte
Phänologie
Phänogramm
Erläuterung Phänologie
Die Gastvögel des Winterhalbjahres treten in Sachsen selten vor Anfang/Mitte September auf, die höchste Zahl der Beobachtungen liegt in den Monaten Oktober/November bis Februar. Deutlich seltener werden die Nachweise in den Monaten März/April mit letzten Beobachtungen im Mai (Steffens et al. 1998).
Lebensraum
In Sachsen ist die Sumpfohreule ein sporadischer und sehr seltener Brutvogel der Niederungen. Als Bruthabitate sind dabei für den Kartierzeitraum 2004-2007 eine knietiefe Calluna-Heide sowie eine Calluna-Heide mit Birkensukzession (beides in der Gohrischheide) bekannt. Zudem deutete in gleichen Zeitraum ein rufendes Tier Mitte Mai östlich von Belgern auf ein mögliches Brutrevier in der Elbaue hin.
Weitere potenzielle Bruthabitate des Binnenlandes sind grundwassernahe, extensiv genutzte Grünlandniederungen, Landröhrichte, Reitgrasfluren, Brachen und Getreidefelder.
Lebensräume nach Artenschutzrecht
Fortpflanzungsstätten:
Fortpflanzungsstätte im engeren Sinne ist das Bodennest. Ggf. ist der gesamte strukturell geeignete Vegetationsbestand im näheren Umfeld einer brutverdächtigen Beobachtung als Fortpflanzungsstätte zu werten.
Ruhestätten:
Die Ruhestätten dürften zur Brutzeit (am Boden) in der unmittelbaren Nestumgebung liegen. Im Winterhalbjahr finden sich Sumpfohreulen (oft gemeinsam mit Waldohreulen) auch zu Schlafgemeinschaften zusammen. Traditionell besetzte Schlafplätze gehören ebenfalls zu den Ruhestätten der Art.
Habitatkomplexe
- Äcker und Sonderkulturen
- Bergbaubiotope
- Feuchtgrünland, Staudenfluren
- Grünland, Grünanlagen
- Heiden, Magerrasen
- Moore
- Ruderalfluren, Brachen
- Sümpfe, Niedermoore, Ufer
Habitatkomplexe Reproduktion
- Feuchtgrünland, Staudenfluren
- Heiden, Magerrasen
- Ruderalfluren, Brachen
- Sümpfe, Niedermoore, Ufer
Höhenstufen
Sonstiges
Literatur
Bezzel, E. (1985): Kompendium der Vögel Mitteleuropas: Nonpasseriformes - Nichtsingvögel. AULA-Verlag, Wiesbaden.
Bernotat, D. & Dierschke, V. (2015): Übergeordnete Kriterien zur Bewertung der Mortalität wildlebender Tiere im Rahmen von Projekten und Eingriffen 2. Fassung - Stand 25.11.2015. (Studie als PDF-Datei)
Dürr, T. (2015): Vogelverluste an Windenergieanlagen in Deutschland - Daten der zentrale Fundkartei der Staatlichen Vogelschutzwarte im Landesamt für Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz Brandenburg, Stand 02.06.2015. Ministerium für Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz (LUGV) des Landes Brandenburg. (Excel-Tabelle 'Vogelverluste an Windenergieanlagen in Deutschland')
Flade, M. (1994): Die Brutvogelgemeinschaften Mittel- und Norddeutschlands. IHW-Verlag, Eching.
Gedeon, K.; Grüneberg, C.; Mitschke, A.; Sudfeldt, C.; Eikhorst, W.; Fischer, S.; Flade, M.; Frick, S.; Geiersberger, I.; Koop, B.; Kramer, M.; Krüger, T.; Roth, N.; Ryslavy, T.; Stübing, S; Sudmann, S. R.; Steffens, R.; Vökler, F. & Witt, K. (2014): Atlas Deutscher Brutvogelarten. Atlas of German Breeding Birds. Stiftung Vogelmonitoring Deutschland und Dachverband Deutscher Avifaunisten (Hrsg.), Münster.
Steffens, R.; Nachtigall, W.; Rau, S.; Trapp, H. & Ulbricht, J. (2013): Brutvögel in Sachsen. Sächsisches Landesamt für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie, Dresden. (als PDF-Dateien unter Brutvögel in Sachsen, Seiten 1-247 sowie S. 248-436 bzw. S. 437-656)
Steffens, R.; Saemann, D. & Grössler, K. (Hrsg.) (1998): Die Vogelwelt Sachsens. Gustav Fischer Verlag, Jena.
Südbeck, P.; Andretzke, H.; Fischer, S.; Gedeon, K.; Schikore, T.; Schröder, K. & Sudfeldt, C. (Hrsg.) (2005): Methodenstandards zur Erfassung der Brutvögel Deutschlands. Radolfzell.
Südbeck, P.; Bauer, H.-G.; Boschert, M.; Boye, P. & Knief, W. (2007): Rote Liste der Brutvögel Deutschlands, 4. Fassung, 30. November 2007. Ber. Vogelschutz 44: 23-81.
https://de.wikipedia.org/wiki/Sumpfohreule
Bearbeitungsstand und Bearbeiter des Artensteckbriefes
Offizieller Artensteckbrief des LfULG
Stand: 02.02.2022
Erstbearbeitung: 23.09.2016; Bearbeiter: Hans-Markus Oelerich, Jörg Huth (Halle)
Anpassung an die Arbeitshilfen für artenschutzrechtliche Bewertungen im Dezember 2021 und Januar 2022
Die Artensteckbriefe werden bei Bedarf fortlaufend aktualisiert.
Legende zum Artensteckbrief unter: https://www.natur.sachsen.de/artensteckbriefe-21889.html
Der Artensteckbrief ist Bestandteil der Arbeitshilfen für artenschutzrechtliche Bewertungen: https://www.natur.sachsen.de/arbeitshilfen-artenschutz-20609.html
Informationen zur Artengruppe für Sachsen: https://www.natur.sachsen.de/vogel-21259.html
Hinweise und Änderungsvorschläge zum Artensteckbrief bitte an:
Heiner.Blischke@smekul.sachsen.de