Allgemeine Arteninformationen
Taxonomie
6 Unterarten werden unterschieden, davon 2 in Europa vorkommend: Caprimulgus europaeus europaeus in Nord- und Mitteleuropa und C. e. meridionalis in Südeuropa
Kennzeichen
Der Ziegenmelker ist ein schlanker, gut drosselgroßer Vogel mit einem breiten Kopf und einem kleinen Schnabel, aber breiter Mundspalte und großer Rachenöffnung, die kescherartig dem Insektenfang dienen. Oberseits ist das Gefieder rindenfarbig braungrau mit schwarzer und beigeweißer Musterung gezeichnet (Tarnfärbung!), die Unterseite ist gelblichgrau mit einer schwarzbraunen Querbänderung. Die Flügel sind lang und schmal. Adulte Männchen haben weiße Signalflecken an Flügeln und Schwanz, die vor allem im Flug auffallen.
Markant ist der nächtliche „Gesang“ im Brutgebiet, ein weit vernehmbares, in Tonhöhe und Lautstärke variierendes Schnurren, das meist von einer erhöhten Singwarte vorgetragen wird.
Biologie und Ökologie
Der Ziegenmelker besiedelt Heide- und lichte Waldbiotope, meist auf trockenen, sandigen Standorten. Er kommt in Deutschland vor allem auf (ehemaligen) Truppenübungsplätzen mit Vorwäldern (Kiefern, Birken), Heiden und vegetationsarmen Flächen, in halboffenen Heidegebieten (Wacholder- und Calluna-Heiden) sowie in lichten Kiefernwäldern (seltener in Laub- und Mischwäldern) mit Freiflächen (Kahlschläge, Kiefernjungwüchse, Windwurf- und Brandflächen, Binnendünen, Lichtungen) vor. Daneben werden auch Moorgebiete und ehemalige Abbaugebiete mit junger Gehölzsukzession besiedelt.
Der Brutplatz befindet sich am Boden an vegetationslosen, trockenen und besonnten Stellen; es werden keine Nester gebaut, die Eier liegen direkt auf dem trockenen Boden. Typisch ist eine Jahresbrut, eine Zweitbrut ist jedoch als Schachtelbrut möglich. Das Gelege enthält 2 Eier, die 16-21 Tage überwiegend vom Weibchen bebrütet werden. Ab dem 15. Tag unternehmen die Jungen am Nistplatz Flugversuche, mit 30-35 Tagen sind sie selbstständig.
Der Ziegenmelker ist dämmerungs- und nachtaktiv. Er ernährt sich von nachtaktiven Insekten, die im Flug erbeutet werden (vor allem größere Käfer und Nachtfalter, insbesondere Eulenfalter, aber auch kleinere Insekten). Den Tag verbringt er ruhend und gut getarnt am Boden, auf Baumstümpfen oder auch auf Ästen, auf denen er zwecks Tarnung immer in Längsrichtung sitzt.
Die Art ist Langstreckenzieher und überwintert in Afrika südlich der Sahara, meist im östlichen Afrika zwischen Südäthiopien und Südafrika, seltener in Westafrika.
Überregionale Verbreitung
Das Brutareal liegt in den borealen, gemäßigten und subtropischen Zonen Eurasiens und Nordwestafrikas. Das Verbreitungsgebiet erstreckt sich von Nordwestafrika, Spanien, Frankreich und Irland im Westen über Europa (von Südfennoskandien bis zum Mittelmeer) bis zum Baikalsee und östlich bis in die Mongolei und nach Nordwestindien. Die Art fehlt in Tundrenzonen und in waldarmen Gebieten.
Nach lange andauernden starken Bestandsrückgängen in Deutschland beschränkt sich die gegenwärtige Verbreitung hauptsächlich auf Waldgebiete mit sandigen Böden unterhalb von 500 m ü. NN. Ein mehr oder weniger geschlossenes Areal erstreckt sich als breites Band von der Lausitz und dem südlichen Brandenburg über das nordwestliche Brandenburg und die Altmark bis ins Emsland im Nordwestdeutschen Tiefland. Dichtezentren liegen hierbei vor allem im südlichen Brandenburg und der Colbitz-Letzlinger Heide (Truppenübungsplätze!) sowie in der Lüneburger Heide. Die küstennahen Gebiete werden weitgehend gemieden. Außerhalb des norddeutschen Tieflandes finden sich nur in der Vorderpfalz und im Mittelfränkischen Becken etwas größere Verbreitungsinseln.
Erhaltungszustand
günstig
Prüfung und Erfassung
Verantwortlichkeit (Sachsen)
Anteil Sachsen am deutschen Brutbestand: 8,0 %
Hinweise für Artenschutzprüfung
- Vogelart mit hervorgehobener artenschutzrechtlicher Bedeutung
- Einzelvorkommen als Bezug für die lokale Population bei artenschutzrechtlichen Prüfungen
Betrachtungsschwerpunkt Artenschutzprüfung
Brutvogelaspekt
Untersuchungsstandards
Methodik, Wertungsgrenzen und Zeitraum der Brutvogelerfassung gemäß Südbeck et al. (2005)
Hinweis: Einsatz einer Klangattrappe sinnvoll
Sonstige Arten-Attribute
- windkraftempfindlich
- Brutvogelart des SPA-Fachkonzeptes (im engeren Sinne, Tab. 1+2)
- Triggerart (Vögel) - Brut
- Brutvogelart der SPA-Erhaltungszieleverordnungen
- Vogelart in den SPA-Standarddatenbögen (alt)
- Brutvogelart in den SPA-Standarddatenbögen (neu) - Fortpflanzung
- Vogelart des SPA-Monitorings (Brutvögel)
Mortalitäts-Gefährdungs-Index (MGI)
- als Brutvogel: II.4 (hoch)
- als Gastvogel: III.6 (mittel)
Naturschutzfachlicher Wert-Index (NWI)
- als Brutvogel: 2 (hoch)
- als Gastvogel: 4 (gering)
Populationsökologischer Sensitivitäts-Index (PSI)
- als Brutvogel: 3 (hoch)
- als Gastvogel: 3 (hoch)
Vorkommen
Status Etablierung
Indigene, Ureinheimische (Reproduktion)
Status Vögel
Brutvogel
Bemerkung zum Status
Sommervogel, Durchzügler
Nachweisabsicherung
Nein
Langfristiger Bestandstrend
- starker Rückgang
- mäßiger Rückgang
Kurzfristiger Bestandstrend
gleichbleibend
Bestand
Brutbestand in Sachsen (nach Steffens et al. 2013):
1978-1982: 400-600 BP (Brutvogelkartierung 1)
1993-1996: 300-400 BP (Brutvogelkartierung 2)
2004-2007: 350-500 BP (Brutvogelkartierung 3)
2016: 500-700 BP (Expertenschätzung)
Vorkommenskarte
Naturraumkarte
Phänologie
Phänogramm
Erläuterung Phänologie
Der Ziegenmelker kommt in den sächsischen Brutgebieten meist in der letzten Aprildekade an. Durchzügler treten vor allem im Mai auf. Die Brut beginnt ab Mitte Mai, meist ab Anfang Juni. Der Wegzug erstreckt sich von Mitte Juli (Jungvögel der 1. Brut) bis Ende August. Gebietsfremde Vögel ziehen im September durch.
Lebensraum
Der Ziegenmelker besiedelt in Sachsen vor allem Truppenübungsplätze und Bergbaufolgelandschaften mit lückigen Vorwaldstadien aus Kiefern und Birken sowie sandige Kiefernwälder mit größeren offenen vegetationsarmen Bereichen (Blößen, Schneisen, Stromtrassen, offene Binnendünen). Großflächige Kahlschläge und Kiefernschonungen waren früher bedeutende Lebensräume in den Kiefernforsten, diese sind aber inzwischen durch Abkehr von der Kahlschlagbewirtschaftung weitgehend verschwunden.
Lebensräume nach Artenschutzrecht
Fortpflanzungsstätten:
Die Fortpflanzungsstätte ist der Brutplatz am Boden, der sich meist an vegetationsfreien Stellen auf Blößen, in Jungwüchsen oder im Randbereich des Hochwaldes befindet.
Ruhestätten:
Ruhestätten sind der Brutplatz selbst (vor allem für Weibchen und Junge) sowie der Tagesruheplatz am Boden, auf Baumstümpfen oder Ästen in der Nähe des Brutplatzes, den das Paar vor der Brut und das Männchen während der Brutzeit nutzen. Vorjährige Ruheplätze können nach Rückkehr aus dem Winterquartier erneut wiederbesetzt werden (Stiefel 1979).
Habitatkomplexe
- Bergbaubiotope
- Heiden, Magerrasen
- Moore
- Wälder
Habitatkomplexe Reproduktion
- Bergbaubiotope
- Heiden, Magerrasen
- Moore
- Wälder
Höhenstufen
Management
Handlungsbedarf aus Landessicht
- Landes-TOP 50-Art für den Artenschutz/das Artenmanagement
Sonstiges
Literatur
Bauer, H.-G.; Bezzel, E. & Fiedler, W. (2005): Das Kompendium der Vögel Mitteleuropas. Alles über Biologie, Gefährdung und Schutz. Band 1: Nonpasseriformes - Nichtsperlingsvögel, 2. Aufl., Wiebelsheim.
Bernotat, D. & Dierschke, V. (2015): Übergeordnete Kriterien zur Bewertung der Mortalität wildlebender Tiere im Rahmen von Projekten und Eingriffen 2. Fassung - Stand 25.11.2015. (Studie als PDF-Datei)
Boschert, M. (2005): Vorkommen und Bestandsentwicklung seltener Brutvogelarten in Deutschland 1997 bis 2003. Vogelwelt 126: 1-51.
Dürr, T. (2015a): Vogelverluste an Windenergieanlagen in Deutschland - Daten der zentrale Fundkartei der Staatlichen Vogelschutzwarte im Landesamt für Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz Brandenburg, Stand 01.06.2015. Ministerium für Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz (LUGV) des Landes Brandenburg. (Excel-Tabelle 'Vogelverluste an Windenergieanlagen in Deutschland')
Dürr, T. (2015b): Vogelverluste an Windenergieanlagen / bird fatalities at windturbines in Europe - Daten der zentrale Fundkartei der Staatlichen Vogelschutzwarte im Landesamt für Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz Brandenburg, Stand 01.06.2015. Ministerium für Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz (LUGV) des Landes Brandenburg. (Excel-Tabelle 'Vogelverluste an Windenergieanlagen in Europa')
Garniel, A. & Mierwald, U. (2010): Arbeitshilfe Vögel und Straßenverkehr. Schlussbericht zum Forschungsprojekt FE 02.286/2007/LRB der Bundesanstalt für Straßenwesen: „Entwicklung eines Handlungsleitfadens für Vermeidung und Kompensation verkehrsbedingter Wirkungen auf die Avifauna“.
Gedeon, K.; Grüneberg, C.; Mitschke, A.; Sudfeldt, C.; Eikhorst, W.; Fischer, S.; Flade, M.; Frick, S.; Geiersberger, I.; Koop, B.; Kramer, M.; Krüger, T.; Roth, N.; Ryslavy, T.; Stübing, S; Sudmann, S. R.; Steffens, R.; Vökler, F. & Witt, K. (2014): Atlas Deutscher Brutvogelarten. Atlas of German Breeding Birds. Stiftung Vogelmonitoring Deutschland und Dachverband Deutscher Avifaunisten (Hrsg.), Münster.
Glutz von Blotzheim, U. N. & Bauer, K. M. (1994): Handbuch der Vögel Mitteleuropas. - Bd. 9 Columbiformes-Piciformes., 2. Aufl., Wiesbaden.
Hagemeijer, W. J. M. & Blair, M. J. (eds.) (1997): The EBCC Atlas of European Breeding Birds: Their distribution and abundance. London.
SMEKUL – Sächsisches Staatsministerium für Energie, Klimaschutz, Umwelt und Landwirtschaft (2021): Leitfaden Vogelschutz an Windenergieanlagen im Freistaat Sachsen (Stand 1. Dezember 2021): https://www.natur.sachsen.de/download/Leitfaden-Vogelschutz-an-Windenergieanlagen.pdf.pdf
Steffens, R.; Nachtigall, W.; Rau, S.; Trapp, H. & Ulbricht, J. (2013): Brutvögel in Sachsen. Sächsisches Landesamt für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie, Dresden. (als PDF-Dateien unter Brutvögel in Sachsen, Seiten 1-247 sowie S. 248-436 bzw. S. 437-656)
Steffens, R.; Saemann, D. & Grössler, K. (Hrsg.) (1998): Die Vogelwelt Sachsens. Gustav Fischer Verlag, Jena.
Stiefel, A. (1979): Ruhe und Schlaf bei Vögeln. Die Neue Brehm-Bücherei 487. Ziemsen-Verlag, Wittenberg.
Südbeck, P.; Andretzke, H.; Fischer, S.; Gedeon, K.; Schikore, T.; Schröder, K. & Sudfeldt, C. (Hrsg.) (2005): Methodenstandards zur Erfassung der Brutvögel Deutschlands. Radolfzell.
Südbeck, P.; Bauer, H.-G.; Boschert, M.; Boye, P. & Knief, W. (2007): Rote Liste der Brutvögel Deutschlands, 4. Fassung, 30. November 2007. Ber. Vogelschutz 44: 23-81.
Tomasini, J. & Kneis, P. (2004): Habitatstruktur und Revierdichte des Ziegenmelkers (Caprimulgus europeus) in der Gohrischheide Zeithain-Altenau (Nordsachsen und Südbrandenburg). Acta ornithoecol. 5: 3-13.
Bearbeitungsstand und Bearbeiter des Artensteckbriefes
Offizieller Artensteckbrief des LfULG
Stand: 02.02.2022
Erstbearbeitung: 23.09.2016; Bearbeiter: Jörg Huth, Hans-Markus Oelerich (Halle), Dr. Matthias Weber (Heidenau);
Anpassung an die Arbeitshilfen für artenschutzrechtliche Bewertungen im Dezember 2021 und Januar 2022
Die Artensteckbriefe werden bei Bedarf fortlaufend aktualisiert.
Legende zum Artensteckbrief unter: https://www.natur.sachsen.de/artensteckbriefe-21889.html
Der Artensteckbrief ist Bestandteil der Arbeitshilfen für artenschutzrechtliche Bewertungen: https://www.natur.sachsen.de/arbeitshilfen-artenschutz-20609.html
Informationen zur Artengruppe für Sachsen: https://www.natur.sachsen.de/vogel-21259.html
Hinweise und Änderungsvorschläge zum Artensteckbrief bitte an:
Heiner.Blischke@smekul.sachsen.de