Allgemeine Arteninformationen
Taxonomie
ca. 7 Unterarten, in Mitteleuropa brütet die Nominatform Jynx torquilla torquilla (Linnaeus, 1785)
Kennzeichen
Der Wendehals ist ein singvogelartiger kleiner Specht (etwa so groß wie eine Lerche). Er besitzt ein graubraunes rindenfarbiges Tarngefieder. Über das Auge und auf dem Rücken verlaufen dunkle Längsbänder. Die helle Unterseite und die ockergelbe Kehle sind dunkel quergewellt. Auch der längliche Schwanz hat dunkle Querbänder. Der Schnabel ist (spechtuntypisch) kurz und spitz. Die Geschlechter sind nach Färbung und Gestalt nicht zu unterscheiden. Der recht schlanke Vogel kann den Kopf stark verdrehen (Name!). Er bewegt sich und fliegt eher wie ein Singvogel (er klettert nicht mit Hilfe eines Stützschwanzes wie andere Spechte) und sucht viel am Boden hüpfend nach Ameisen.
Biologie und Ökologie
Der Wendehals besiedelt lichte und aufgelockerte Laub-, Misch- und Nadelwälder sowie teilbewaldete oder locker mit Bäumen bestandene Halboffenländer mit geeigneten Nisthöhlen und Freiflächen mit schütterer Bodenvegetation zur Nahrungssuche am Boden. Bevorzugt werden trockene und wärmebegünstigte Standorte. Typische Bruthabitate sind Streuobstwiesen, halboffene Trockenrasenlandschaften, Heidegebiete, (ehemalige) Truppenübungsplätze, Bergbaufolgelandschaften und die Ränder größerer Freiflächen im Wald (z. B. Kahlschläge, Windwurf- und Brandflächen).
Der Wendehals baut seine Bruthöhlen nicht selbst, er nutzt daher bestehende Specht- oder andere Baumhöhlen sowie gerne auch Nistkästen. Es werden 1-2 Jahresbruten mit je 6-10 Eiern durchgeführt. Die Brutdauer beträgt 11-14 Tage, die Nestlingsdauer 20-22 Tage. Beide Altvögel brüten und ziehen die Jungen gemeinsam auf.
Als Nahrung dienen Erdnester bauende Ameisen, vor allem deren Larven und Puppen, aber auch andere Insekten (z. B. Blattläuse, kleine Käfer, Schmetterlinge) oder Spinnen.
Der Wendehals ist der einzige Langstreckenzieher unter den europäischen Spechten. Die Art überwintert in der Regel in Afrika südlich der Sahara in der Savannen- und Trockenzone West- bis Ostafrikas von Senegal bis Äthiopien, vereinzelt auch im Mittelmeergebiet. Nur die auf Korsika, Sardinien, Sizilien und Zypern brütenden Tiere sowie die südlichsten Populationen der asiatischen Unterarten sind zum Teil Standvögel oder Kurzstreckenzieher.
Überregionale Verbreitung
Der Wendehals besiedelt Eurasien in einem breiten Streifen von Nordwestafrika, West- und Nordeuropa über Südsibirien, Zentralasien, Nordchina bis zur Pazifikküste (Sachalin, Hokkaido). Ein isoliertes Vorkommen gibt es zudem im Nordwest-Himalaja. Die Art brütet in ganz Europa: im Norden bis zum Polarkreis, im Südosten bis um das Schwarze Meer (mit isolierten Vorkommen im Pontischen Gebirge und im Kaukasus). Im Süden und Osten Europas tritt die Nominatform Jynx torquilla torquilla gemeinsam mit anderen Unterarten auf.
Durch Deutschland zieht sich ein ausgedehntes Verbreitungsband vom Südwesten (Saarland, Oberrhein, Bodensee) über die Südwestliche Mittelgebirgsregion, Thüringen und die Harzregion bis in das Nordostdeutsche Tiefland. Letzteres ist mit Ausnahme der ostseenahen Bereiche im Nordwesten flächig besiedelt. Im atlantisch geprägten Nordwesten von Deutschland fehlt der Wendehals weitgehend, nur die Lüneburger Heide ist ein Verbreitungsvorposten. Weitgehend unbesiedelt sind zudem das Alpenvorland und die südöstlichen Mittelgebirge an der tschechischen Grenze. Großflächiger Verbreitungsschwerpunkt und Dichtezentrum ist der Westen des kontinental geprägten Nordostdeutschen Tieflands (fast ganz Sachsen-Anhalt) sowie Nordost-Thüringen. Im Südwesten Deutschlands sind vor allem die klimatisch begünstigten Lagen entlang der Täler von Oberrhein, Neckar und Main dicht besiedelt.
Erhaltungszustand
ungünstig-unzureichend
Prüfung und Erfassung
Verantwortlichkeit (Sachsen)
Anteil Sachsen am deutschen Brutbestand: 4,3 %
Hinweise für Artenschutzprüfung
- Vogelart mit hervorgehobener artenschutzrechtlicher Bedeutung
- Gemeindegebiet als Bezugsraum für die lokale Population bei artenschutzrechtlichen Prüfung
Betrachtungsschwerpunkt Artenschutzprüfung
Brutvogelaspekt
Untersuchungsstandards
Methodik, Wertungsgrenzen und Zeitraum der Brutvogelerfassung gemäß Südbeck et al. (2005)
Hinweise: Einsatz einer Klangattrappe in dünner besiedelten Gebieten notwendig, Revierruf durch beide Geschlechter (Duettrufen, wichtiger Hinweis auf Paarbildung), während Revierbesetzung großes Streifgebiet (bis > 1 km Radius) und getrennte Aktionsräume der Geschlechter, rufende Durchzügler nicht als Brutvögel werten (Hauptdurchzug bis Mitte Mai)
Sonstige Arten-Attribute
- Brutvogelart des SPA-Fachkonzeptes (im engeren Sinne, Tab. 1+2)
- Triggerart (Vögel) - Brut
- Brutvogelart der SPA-Erhaltungszieleverordnungen
- Vogelart in den SPA-Standarddatenbögen (alt)
- Brutvogelart in den SPA-Standarddatenbögen (neu) - Fortpflanzung
- Vogelart des SPA-Monitorings (Brutvögel)
Mortalitäts-Gefährdungs-Index (MGI)
- als Brutvogel: II.5 (hoch)
- als Gastvogel: III.6 (mittel)
Naturschutzfachlicher Wert-Index (NWI)
- als Brutvogel: 2 (hoch)
- als Gastvogel: 3 (mittel)
Populationsökologischer Sensitivitäts-Index (PSI)
- als Brutvogel: 4 (relativ hoch)
- als Gastvogel: 4 (relativ hoch)
Vorkommen
Status Etablierung
Indigene, Ureinheimische (Reproduktion)
Status Vögel
Brutvogel, Gastvogel
Bemerkung zum Status
Sommervogel, Durchzügler
Nachweisabsicherung
Nein
Langfristiger Bestandstrend
- Rückgang, Ausmaß unbekannt
- mäßiger Rückgang
Kurzfristiger Bestandstrend
- sehr starke Abnahme
- gleichbleibend
Bestand
Brutbestand in Sachsen (nach Steffens et al. 2013):
1978-1982: 400-600 BP (Brutvogelkartierung 1)
1993-1996: 300-400 BP (Brutvogelkartierung 2)
2004-2007: 350-500 BP (Brutvogelkartierung 3)
2016: 400-600 BP (Expertenschätzung)
Vorkommenskarte
Naturraumkarte
Phänologie
Phänogramm
Erläuterung Phänologie
Die Erstankunft des Wendehalses in Sachsen liegt (nach Daten der Jahre 1999-2009) zwischen Mitte März und Mitte April. Die Brutzeit erstreckt sich von Anfang Mai bis Ende Juli (mit Schwerpunkt Mitte Mai bis Anfang Juli). Es wird in der Regel eine Jahresbrut durchgeführt, Zweitbruten (zumeist geschachtelt, d. h. zeitlich mit Erstbrut überlappend) sind möglich. Der Wegzug beginnt vermutlich Ende Juli und erreicht seinen Höhepunkt Mitte August bis Mitte September; vereinzelt sind noch Beobachtungen im Oktober oder gar November möglich (Steffens et al. 2013).
Lebensraum
Der Wendehals brütet überwiegend im Flach- und Hügelland (vereinzelt auch in den Kammlagen des Erzgebirges), bevorzugt in halboffenen, reich strukturierten Landschaften an wärmebegünstigten, trockenen Standorten mit reichem Höhlenangebot (auch Nistkästen) und offenen Freiflächen zur Nahrungssuche am Boden (bevorzugt magere Böden mit hohen Dichten kleiner Ameisenarten). Die am dichtesten besiedelten Habitate in Sachsen sind Braunkohle-Bergbaufolgelandschaften (meist ältere höhlenreiche Pappel- und Pappel-Robinienforste in Kombination mit wärmebegünstigten vegetationsarmen Offenlandbereichen) sowie (ehemalige) Truppenübungsplätze mit Sandmagerasen, Heiden und angrenzenden höhlenreichen lichten Kiefernforsten. Sonstige Bruthabitate sind trockene, sonnigwarme Kiefernwälder mit grasbewachsenen Lichtungen, Waldsäume mit hohem Laubholzanteil, Streuobsthänge, lockere Auwälder und andere Laub-/Mischwälder mit angrenzenden Freiflächen. Einzelpaare treten auch in Parks, Friedhöfen, Gärten, kleineren Feldgehölzen oder Alleen auf.
Lebensräume nach Artenschutzrecht
Fortpflanzungsstätten:
Die Fortpflanzungsstätte ist die Bruthöhle (Höhlenbaum oder Nistkasten) oder das Revierzentrum einschließlich der näheren Umgebung, in der Aktivitäten wie Balz, Paarung, Fütterung und erste Flugversuche der Jungen schwerpunktmäßig stattfinden.
Ruhestätten:
Ruhestätten sind zur Brutzeit die Bruthöhle und Verstecke oder Gehölze in der näheren Umgebung, sie sind also in der Abgrenzung der Fortpflanzungstätte enthalten. Wendehälse schlafen am Boden der Nisthöhle, selten an der Höhlenwand hängend. Während der Brutzeit sitzt nachts das Männchen auf dem Nest, das Weibchen schläft an einer anderen geschützten Stelle oder im Freien. Flügge Junge übernachten meist in der Nestumgebung auf Ästen (Stiefel 1979).
Habitatkomplexe
- Bergbaubiotope
- Gebäude, Siedlungen
- Gehölze, Baumbestand
- Heiden, Magerrasen
- Moore
- Wälder
Habitatkomplexe Reproduktion
- Bergbaubiotope
- Gebäude, Siedlungen
- Gehölze, Baumbestand
- Wälder
Höhenstufen
Sonstiges
Literatur
Bernotat, D. & Dierschke, V. (2015): Übergeordnete Kriterien zur Bewertung der Mortalität wildlebender Tiere im Rahmen von Projekten und Eingriffen 2. Fassung - Stand 25.11.2015. (Studie als PDF-Datei)
Bezzel, E. (1985): Kompendium der Vögel Mitteleuropas: Nonpasseriformes – Nichtsingvögel. AULA-Verlag, Wiesbaden.
Flade, M. (1994): Die Brutvogelgemeinschaften Mittel- und Norddeutschlands. IHW-Verlag, Eching.
Gedeon, K.; Grüneberg, C.; Mitschke, A.; Sudfeldt, C.; Eikhorst, W.; Fischer, S.; Flade, M.; Frick, S.; Geiersberger, I.; Koop, B.; Kramer, M.; Krüger, T.; Roth, N.; Ryslavy, T.; Stübing, S; Sudmann, S. R.; Steffens, R.; Vökler, F. & Witt, K. (2014): Atlas Deutscher Brutvogelarten. Atlas of German Breeding Birds. Stiftung Vogelmonitoring Deutschland und Dachverband Deutscher Avifaunisten (Hrsg.), Münster.
Steffens, R.; Nachtigall, W.; Rau, S.; Trapp, H. & Ulbricht, J. (2013): Brutvögel in Sachsen. Sächsisches Landesamt für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie, Dresden. (als PDF-Dateien unter Brutvögel in Sachsen, Seiten 1-247 sowie S. 248-436 bzw. S. 437-656)
Steffens, R.; Saemann, D. & Grössler, K. (Hrsg.) (1998): Die Vogelwelt Sachsens. Gustav Fischer Verlag, Jena.
Stiefel, A. (1979): Ruhe und Schlaf bei Vögeln. Die Neue Brehm-Bücherei 487. Ziemsen-Verlag, Wittenberg.
Südbeck, P.; Andretzke, H.; Fischer, S.; Gedeon, K.; Schikore, T.; Schröder, K. & Sudfeldt, C. (Hrsg.) (2005): Methodenstandards zur Erfassung der Brutvögel Deutschlands. Radolfzell.
Südbeck, P.; Bauer, H.-G.; Boschert, M.; Boye, P. & Knief, W. (2007): Rote Liste der Brutvögel Deutschlands, 4. Fassung, 30. November 2007. Ber. Vogelschutz 44: 23-81.
http://de.wikipedia.org/wiki/Wendehals
Bearbeitungsstand und Bearbeiter des Artensteckbriefes
Offizieller Artensteckbrief des LfULG
Stand: 02.02.2022
Erstbearbeitung: 23.09.2016; Bearbeiter: Jörg Huth, Michael Reuter, Hans-Markus Oelerich (Halle)
Anpassung an die Arbeitshilfen für artenschutzrechtliche Bewertungen im Dezember 2021 und Januar 2022
Die Artensteckbriefe werden bei Bedarf fortlaufend aktualisiert.
Legende zum Artensteckbrief unter: https://www.natur.sachsen.de/artensteckbriefe-21889.html
Der Artensteckbrief ist Bestandteil der Arbeitshilfen für artenschutzrechtliche Bewertungen: https://www.natur.sachsen.de/arbeitshilfen-artenschutz-20609.html
Informationen zur Artengruppe für Sachsen: https://www.natur.sachsen.de/vogel-21259.html
Hinweise und Änderungsvorschläge zum Artensteckbrief bitte an:
Heiner.Blischke@smekul.sachsen.de