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Picus canus J.F. Gmelin, 1788 / Grauspecht (Sachsen)

Rechtlicher Schutz und Rote Liste


Artenschutzrechtlicher Schutzstatus:SG (streng geschützt)
Vogelschutzrichtlinie Schutzstatus:VRL-Anh.I (Art des Anhang I der Vogelschutzrichtlinie)
Rote Liste Deutschland:2 (stark gefährdet)
Rote Liste Sachsen:* (derzeit keine Gefährdung)

Allgemeine Arteninformationen


Taxonomie

Es werden 13 Unterarten in zwei Gruppen unterschieden (canus-Gruppe: von Europa bis Sibirien, in Nordchina und Korea verbreitet; guerini-Gruppe: China bis Sumatra). In Europa kommt die Nominatform Picus canus canus vor.

Kennzeichen

Der Grauspecht ist kleiner als ein Grünspecht und wegen der charakteristischen Grünfärbung beider Arten nur mit diesem zu verwechseln. Der Grauspecht hat einen grauen Kopf mit schmalem schwarzen Zügel- und Bartstreif. Das Männchen hat zudem einen roten Stirnfleck, der dem Weibchen fehlt. Der Rücken beider Geschlechter ist grüngrau und die Unterseite hellgrünlichgrau gefärbt. Die Unterschwanzdecken sind quergebändert. Im Jugendkleid ist der Grauspecht brauner, die Unterseite ist schwach braun gebändert und Zügel- und Bartstreif sind nur angedeutet.
Der dem Grauspecht ähnliche Grünspecht hat keinen grauen Kopf, dafür aber einen roten Scheitel, der bis zum Hinterkopf reicht, sowie eine schwarz umrandete Augenregion. Das Grünspecht-Männchen hat zudem eine breitere schwarz-rote Bartzeichnung (beim Weibchen nur schwarz). Die Rufreihen des Grauspechtes ("kjüh, kjüh, kjüh ...) sind abfallend bzw. zum Ende hin zögernd und weicher als die des Grünspechtes.

Biologie und Ökologie

Der Grauspecht besiedelt reich strukturierte Waldlandschaften mit Altholzbeständen und offenen Bereichen zur Nahrungssuche (Lichtungen, Wiesen, Waldränder). Der Höhlenbrüter bevorzugt reich strukturierte Laub- und Mischwälder, vor allem Buchen(misch)wälder, aber auch Auwälder, Bruch- und Feuchtwälder. Zudem kommt er in halboffenen, stark gegliederten Landschaften mit alten Baumbeständen (z. B. Ufergehölze, Parkanlagen, Streuobstwiesen, Feldgehölze, Friedhöfe) vor.
Es wird eine Jahresbrut mit 7-9 (4-11) Eiern durchgeführt. Die Brutdauer beträgt 14-17 Tage, worauf sich eine Nestlingszeit von 23-26 Tagen anschließt.
Der Grauspecht ernährt sich vor allem von Ameisen und deren Puppen, weshalb er meist am Boden nach Nahrung sucht. Daneben werden auch andere Insekten und zeitweilig Beeren, Obst und Sämereien gefressen.
Der Grauspecht ist ein Standvogel. Außerhalb der Brutzeit streift er umher und ist mitunter weitab von den Brutplätzen anzutreffen.

Überregionale Verbreitung

Der Grauspecht ist von Westfrankreich und Mittelskandinavien über die südliche Taigazone bis an die Pazifikküste (Ochotskisches Meer) verbreitet. Von dort kommt die Art südwärts über Südostasien bis nach Nordindien, Tibet und Sumatra vor. In Europa erstreckt sich die geschlossene Verbreitung von Südfinnland bis nach Nordgriechenland. Davon separiert ist auch Südnorwegen und Mittelschweden besiedelt. Er fehlt auf der Iberischen Halbinsel, fast im gesamten Mittelmeerraum, auf den Britischen Inseln, in Südschweden, Dänemark und im nördlichen Mitteleuropa.
In Deutschland sind vor allem die Mittelgebirgsregionen und das Alpenvorland besiedelt. Im Norddeutschen Tiefland fehlt der Grauspecht weitgehend, nur im Nordostdeutschen Tiefland reichen einige Ausläufer der Verbreitung ins Tiefland hinein (z. B. Flechtiger Höhenzug, Colbitz-Letzlinger Heide, Fläming, Dübener Heide). Großflächig dicht besiedelte Gebiete finden sich vor allem in der Westlichen Mittelgebirgsregion mit eindeutigem Schwerpunkt in den laubwaldreichen Berglagen Hessens (z. B. Odenwald, Taunus, Westerwald, Vogelsberg, Knüll). Weitere Dichtezentren liegen zudem im Harz, in Thüringen, in Westsachsen, am Oberrhein, beiderseits des mittleren Neckars und im Alpenvorland. In Mittelgebirgen mit Nadelwalddominanz zeigen sich Verbreitungslücken (z. B. Hunsrück, Oberpfalz, Fichtelgebirge, Bayerischer Wald, Schwarzwald).

Erhaltungszustand


Erhaltungszustand

günstig

Prüfung und Erfassung


Verantwortlichkeit (Sachsen)

Anteil Sachsen am deutschen Brutbestand: 4,3 %

Hinweise für Artenschutzprüfung

  • Vogelart mit hervorgehobener artenschutzrechtlicher Bedeutung
  • Gemeindegebiet als Bezugsraum für die lokale Population bei artenschutzrechtlichen Prüfung

Betrachtungsschwerpunkt Artenschutzprüfung

Jahresvogelaspekt

Untersuchungsstandards

Methodik, Wertungsgrenzen und Zeitraum der Brutvogelerfassung gemäß Südbeck et al. (2005)
Hinweis: Der Einsatz einer Klangattrappe zur Bestandserfassung ist notwendig.

Sonstige Arten-Attribute

  • Brutvogelart des SPA-Fachkonzeptes (im engeren Sinne, Tab. 1+2)
  • Triggerart (Vögel) - Brut
  • Brutvogelart der SPA-Erhaltungszieleverordnungen
  • Vogelart in den SPA-Standarddatenbögen (alt)
  • Brutvogelart in den SPA-Standarddatenbögen (neu) - Fortpflanzung
  • Vogelart des SPA-Monitorings (Brutvögel)

Mortalitäts-Gefährdungs-Index (MGI)

  • als Brutvogel: II.5 (hoch)
  • als Gastvogel: II.5 (hoch)

Naturschutzfachlicher Wert-Index (NWI)

  • als Brutvogel: 2 (hoch)
  • als Gastvogel: 2 (hoch)

Populationsökologischer Sensitivitäts-Index (PSI)

  • als Brutvogel: 4 (relativ hoch)
  • als Gastvogel: 4 (relativ hoch)

Vorkommen


Status Etablierung

Indigene, Ureinheimische (Reproduktion)

Status Vögel

Brutvogel

Bemerkung zum Status

Jahresvogel

Nachweisabsicherung

Nein

Langfristiger Bestandstrend

  • starker Rückgang
  • deutliche Zunahme

Kurzfristiger Bestandstrend

  • starke Abnahme
  • deutliche Zunahme

Bestand

Brutbestand in Sachsen (nach Steffens et al. 2013):
1978-1982: 250-500 BP (Brutvogelkartierung 1)
1993-1996: 300-600 BP (Brutvogelkartierung 2)
2004-2007: 400-600 BP (Brutvogelkartierung 3)

2016: 400-600 BP (Expertenschätzung)

Vorkommenskarte

Vorkommenskarte

Naturraumkarte

Naturraumkarte

Phänologie


Phänogramm

Phänogramm

Erläuterung Phänologie

Die Rufreihen des Grauspechtes sind regelmäßig von Mitte Februar bis April zu hören. Der Höhlenbau findet in Sachsen vor allem im März/April statt, für Ende April liegen mehrfach Beobachtungen von Kopulationen vor. Die Brutzeit (Eiablage, Brut, Jungenaufzucht) erstreckt sich von Ende April bis Mitte August (mit Schwerpunkt Mitte Mai bis Ende Juni). Junge in der Höhle wurden hauptsächlich von Ende Mai bis Ende Juni, eben flügge Jungvögel frühestens Ende Mai/Anfang Juni, vor allem aber von Ende Juni bis Ende Juli nachgewiesen (Steffens et al. 1998, 2013).

Lebensraum


Die bevorzugten Lebensräume des Grauspechts sind lichte strukturreiche Laub- und Mischwälder mit Freiflächen sowie ältere Laubbaumbestände mit angrenzendem extensiv genutztem Offenland. Im Bergland werden vor allem Buchen- und Buchen-Fichtenbestockungen besiedelt, in unteren Berglagen und im Hügelland auch Hangmischwälder, Auwälder, Ufergehölze sowie größere Friedhöfe und Parks. Im Tiefland kommt der Grauspecht in Kiefern-Buchen-Wäldern, in strukturreichen Randgehölzen von Mooren und Teichen, in Bruchwäldern und in älteren Pappelforsten der Bergbaufolgelandschaften vor. Im Bergland dominieren unter den Höhlenbäumen (geschädigte) Buchen; im Hügel- und Tiefland tritt daneben ein hoher Anteil von Erle, Birke, Pappel und Weide hinzu.

Lebensräume nach Artenschutzrecht

Fortpflanzungsstätten:
Grauspechte brüten in Baumhöhlen, die in weichholzige Stamm- oder Aststellen geschlagen werden. Wiederbenutzung der Höhlen kommt vor. Balz, Paarung, Fütterung und erste Flugversuche der Jungen finden schwerpunktmäßig in der näheren Umgebung der Baumhöhle statt. Als Fortpflanzungsstätte werden daher die Bruthöhle oder das Revierzentrum und geeignete Gehölzstrukturen in der unmittelbaren Umgebung abgegrenzt (LANUV 2016).

Ruhestätten:
Der Grauspecht nutzt Brut- und verschiedene Schlafhöhlen zum Nächtigen und ruht tagsüber auf Bäumen. Als Ruhestätten gelten für den Grauspecht geeignete Baumhöhlen innerhalb des Reviers.

Habitatkomplexe

  • Bergbaubiotope
  • Gebäude, Siedlungen
  • Gehölze, Baumbestand
  • Grünland, Grünanlagen
  • Heiden, Magerrasen
  • Wälder

Habitatkomplexe Reproduktion

  • Gehölze, Baumbestand
  • Wälder

Höhenstufen

  • collin
  • montan
  • planar

Sonstiges


Literatur

Bauer, H.-G.; Bezzel, E. & Fiedler, W. (2005): Das Kompendium der Vögel Mitteleuropas. Alles über Biologie, Gefährdung und Schutz. Band 1: Nonpasseriformes - Nichtsperlingsvögel, 2. Aufl., Wiebelsheim.

Bernotat, D. & Dierschke, V. (2015): Übergeordnete Kriterien zur Bewertung der Mortalität wildlebender Tiere im Rahmen von Projekten und Eingriffen 2. Fassung - Stand 25.11.2015. (Studie als PDF-Datei)

Ernst, S. (2005): Zur Verbreitung des Grauspechtes (Picus canus) im sächsischen Vogtland. Mitt. Ver. Sächs. Ornithol. 9: 479-496.

Garniel, A. & Mierwald, U. (2010): Arbeitshilfe Vögel und Straßenverkehr. Schlussbericht zum Forschungsprojekt FE 02.286/2007/LRB der Bundesanstalt für Straßenwesen: „Entwicklung eines Handlungsleitfadens für Vermeidung und Kompensation verkehrsbedingter Wirkungen auf die Avifauna“.

Gedeon, K.; Grüneberg, C.; Mitschke, A.; Sudfeldt, C.; Eikhorst, W.; Fischer, S.; Flade, M.; Frick, S.; Geiersberger, I.; Koop, B.; Kramer, M.; Krüger, T.; Roth, N.; Ryslavy, T.; Stübing, S; Sudmann, S. R.; Steffens, R.; Vökler, F. & Witt, K. (2014): Atlas Deutscher Brutvogelarten. Atlas of German Breeding Birds. Stiftung Vogelmonitoring Deutschland und Dachverband Deutscher Avifaunisten (Hrsg.), Münster.

Glutz von Blotzheim, U. N. & Bauer, K. M. (1994): Handbuch der Vögel Mitteleuropas. - Bd. 9 Columbiformes-Piciformes., 2. Aufl., Wiesbaden.

Hagemeijer, W. J. M. & Blair, M. J. (eds.) (1997): The EBCC Atlas of European Breeding Birds: Their distribution and abundance. London.

LANUV (2016): Schwarzspecht (Dryocopus martius (L.)) in: Geschützte Arten in Nordrhein-Westfalen; Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz Nordrhein-Westfalen (siehe: Link)

Rau, S.; Ulbricht, J. & Zöphel, U. (2009): Bestandssituation ausgewählter gefährdeter Tierarten in Sachsen – Jahresbericht 2008. Naturschutzarbeit in Sachsen 51, 60-79.

Steffens, R.; Nachtigall, W.; Rau, S.; Trapp, H. & Ulbricht, J. (2013): Brutvögel in Sachsen. Sächsisches Landesamt für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie, Dresden. (als PDF-Dateien unter Brutvögel in Sachsen, Seiten 1-247 sowie S. 248-436 bzw. S. 437-656)

Steffens, R.; Saemann, D. & Grössler, K. (Hrsg.) (1998): Die Vogelwelt Sachsens. Gustav Fischer Verlag, Jena.

Südbeck, P.; Andretzke, H.; Fischer, S.; Gedeon, K.; Schikore, T.; Schröder, K. & Sudfeldt, C. (Hrsg.) (2005): Methodenstandards zur Erfassung der Brutvögel Deutschlands. Radolfzell.

Südbeck, P.; Bauer, H.-G.; Boschert, M.; Boye, P. & Knief, W. (2007): Rote Liste der Brutvögel Deutschlands, 4. Fassung, 30. November 2007. Ber. Vogelschutz 44: 23-81.

Bearbeitungsstand und Bearbeiter des Artensteckbriefes

Offizieller Artensteckbrief des LfULG

Stand: 02.02.2022

Erstbearbeitung: 01.09.2016; Bearbeiter: Jörg Huth, Hans-Markus Oelerich (Halle), Dr. Matthias Weber (Heidenau), Heiner Blischke (LfULG)
Anpassung an die Arbeitshilfen für artenschutzrechtliche Bewertungen im Dezember 2021 und Januar 2022

Die Artensteckbriefe werden bei Bedarf fortlaufend aktualisiert.

Legende zum Artensteckbrief unter: https://www.natur.sachsen.de/artensteckbriefe-21889.html

Der Artensteckbrief ist Bestandteil der Arbeitshilfen für artenschutzrechtliche Bewertungen: https://www.natur.sachsen.de/arbeitshilfen-artenschutz-20609.html

Informationen zur Artengruppe für Sachsen: https://www.natur.sachsen.de/vogel-21259.html

Hinweise und Änderungsvorschläge zum Artensteckbrief bitte an:
Heiner.Blischke@smekul.sachsen.de