Allgemeine Arteninformationen
Taxonomie
2 Unterarten werden unterschieden: Sylvia nisoria nisoria (von Europa bis zum Kaukasus vorkommend) und S. n. merzbacheri (vom Nordiran bis Mongolei).
Kennzeichen
Die Sperbergrasmücke ist die größte Grasmückenart und etwa so groß wie ein Neuntöter. Adulte Männchen haben im Brutkleid eine graue Oberseite, die helle Unterseite ist sperberartig quergebändert. Die Flügel sind grau und haben 1-2 schmale weiße Binden. Der graue Schwanz hat im Flug auffallende weiße Federspitzen. Markant ist auch die intensiv gelbe Iris der Augen. Adulte Weibchen sind weniger auffällig gefärbt. Die Oberseite ist braungrau, die Sperberung auf Brust und Bauch reduziert und die Iris dunkler. Immature (noch nicht voll ausgefärbte) Vögel ähneln der Gartengrasmücke, sind jedoch durch die Größe, eine grauere Färbung und beige gefärbte Ränder der Flügelfedern zu unterscheiden. Die Sperberung fehlt noch weitgehend.
Auch der Gesang der Sperbergrasmücke ähnelt dem der Gartengrasmücke, ist aber lauter und kurzstrophiger. Sehr charakteristisch und das beste akustische Erkennungsmerkmal der Sperbergrasmücke ist ihr schnarrender Warnruf.
Biologie und Ökologie
Die Sperbergrasmücke bevorzugt warme trockene Regionen. In Europa ist sie häufig mit dem Neuntöter (Lanis collurio) vergesellschaftet. Sie ist Brutvogel reich strukturierter, halboffener Landschaften mit dornstrauchreichen Kleingehölzen, Hecken und Waldrändern, die meist an extensiv genutzte Flächen angrenzen. Das Nest wird (bodennah bis in 1,5 m Höhe) in dornigen Büschen angelegt. Höhere Sträucher bzw. niedrige Bäume dienen als Ansitz- und Singwarten. Die Sperbergrasmücke kommt besonders in aufgelichteten Streuobstbeständen, bahn- oder wegbegleitenden Hecken, locker verbuschten Brachen, Gebüschinseln auf extensiv genutzten Wiesen und Weiden, auf verbuschten Halden, an aufgelichteten Waldrändern sowie in gebüschreichen halboffenen Bergbaufolgelandschaften vor.
Es wird eine Jahresbrut durchgeführt. Die Vollgelege enthalten meist 3-6 Eier. Die Brutdauer liegt bei 12-13 Tagen und die Nestlingszeit bei ca. 11 Tagen.
Die Nahrung besteht aus Insekten und anderen Wirbellosen. Ab Frühsommer werden auch Beeren und andere weiche Früchte gefressen.
Die Sperbergrasmücke ist ein Langstreckenzieher und überwintert im östlichen Afrika von Südsudan bis Nord-Tansania.
Überregionale Verbreitung
Die Sperbergrasmücke ist zentralpaläarktisch verbreitet. Das Brutareal erstreckt sich in der gemäßigten Zone Europas und Asiens von Süd-Skandinavien und Mitteleuropa bis in die Mongolei und nach Nordwest-China sowie im Süden bis ins nördliche Vorderasien. Die westliche Arealgrenze führt durch Deutschland, so dass die Art fast ausschließlich in den östlichen Bundesländern (im kontinental geprägten Nordostdeutschen Tiefland) vorkommt. In den ostdeutschen Mittelgebirgsregionen beschränkt sich die Besiedlung auf Randlagen des Thüringer Beckens sowie auf wenige Gebiete im Erzgebirge und in der südlichen Lausitz.
Erhaltungszustand
ungünstig-unzureichend
Prüfung und Erfassung
Verantwortlichkeit (Sachsen)
Anteil Sachsen am deutschen Brutbestand: 7,8 %
Hinweise für Artenschutzprüfung
- Vogelart mit hervorgehobener artenschutzrechtlicher Bedeutung
- Einzelvorkommen als Bezug für die lokale Population bei artenschutzrechtlichen Prüfungen
Betrachtungsschwerpunkt Artenschutzprüfung
Brutvogelaspekt
Untersuchungsstandards
Methodik, Wertungsgrenzen und Zeitraum der Brutvogelerfassung gemäß Südbeck et al. (2005)
Hinweise: Zur Revierabgrenzung bei hoher Siedlungsdichte und bei isolierten Vorkommen einzelner Paare ist der Einsatz einer Klangattrappe zur Bestandserfassung notwendig. Nachweise abseits der bekannten Brutvorkommen sind der Avifaunistische Kommission Sachsen (AKS) zu melden.
Sonstige Arten-Attribute
- Fokusart im SPA-Management
- Brutvogelart des SPA-Fachkonzeptes (im engeren Sinne, Tab. 1+2)
- Triggerart (Vögel) - Brut
- Brutvogelart der SPA-Erhaltungszieleverordnungen
- Vogelart in den SPA-Standarddatenbögen (alt)
- Brutvogelart in den SPA-Standarddatenbögen (neu) - Fortpflanzung
- Vogelart des SPA-Monitorings (Brutvögel)
Mortalitäts-Gefährdungs-Index (MGI)
- als Brutvogel: III.7 (mittel)
- als Gastvogel: IV.8 (mäßig)
Naturschutzfachlicher Wert-Index (NWI)
- als Brutvogel: 3 (mittel)
- als Gastvogel: 4 (gering)
Populationsökologischer Sensitivitäts-Index (PSI)
- als Brutvogel: 5 (mittel)
- als Gastvogel: 5 (mittel)
Vorkommen
Status Etablierung
Indigene, Ureinheimische (Reproduktion)
Status Vögel
Brutvogel, Gastvogel
Bemerkung zum Status
Sommervogel, Durchzügler
Nachweisabsicherung
Nein
Langfristiger Bestandstrend
gleichbleibend
Kurzfristiger Bestandstrend
- deutliche Zunahme
- gleichbleibend
Bestand
Brutbestand in Sachsen (nach Steffens et al. 2013):
1978-1982: 300-600 BP (Brutvogelkartierung 1)
1993-1996: 500-1000 BP (Brutvogelkartierung 2)
2004-2007: 400-800 BP (Brutvogelkartierung 3)
Die Art zeigt zum Teil starke jährliche Bestandsschwankungen, die vermutlich auch im Zusammenhang mit dem Auftreten ungünstiger atlantischer (feucht-kühler) und förderlicher kontinentaler (trocken-warmer) Sommer stehen.
2016: 400-800 BP (Expertenschätzung)
Vorkommenskarte
Naturraumkarte
Phänologie
Phänogramm
Erläuterung Phänologie
Die Sperbergrasmücke kommt in den sächsischen Brutgebieten ab Ende April/Anfang Mai an. Die Brutzeit erstreckt sich von (Anfang)/Mitte Mai bis Ende Juli/Anfang August mit Schwerpunkt Mitte Mai bis Mitte Juli. Der Wegzug ist unauffällig und findet wahrscheinlich ab Juli statt, vereinzelter Durchzug ist im August und z. T. noch im September zu beobachten (Steffens et al. 2013).
Lebensraum
Die Sperbergrasmücke bevorzugt offenes, sonniges Gelände mit Gebüschgruppen oder Saumgebüsche an Gehölz- und Waldrändern. Wichtig sind ein mehrstufiger Bestandsaufbau und das Vorhandensein von Dorngebüschen (Brombeere, Rose, Schlehe, Weißdorn, Sanddorn, Robinie). Sie besiedelt vor allem das sächsische Tiefland. Regionale Vorkommensschwerpunkte sind die Bergbaufolgelandschaften nördlich und vor allem südlich von Leipzig und in der Lausitz sowie die ehemaligen Truppenübungsplätze in den nordostsächsischen Heidegebieten. Daneben kommt sie an Gehölz- und Wegrändern, im Uferbereich von Teichen, Talsperren und Fließgewässern, an Bahndämmen und Ödland, im Bereich ehemaliger Weinberge im Elbtal, im Ackerhügelland auf Kuppen mit geringer Bodendeckung sowie an alten Steinbrüchen und verbuschten Streuobstwiesen vor. Die Vorkommen an Südhängen in den wärmebegünstigten unteren Gebirgslagen sind mittlerweile rückläufig (z. B. Pöhlberg bei Annaberg). Die Sperbergrasmücke brütet oft in enger Nachbarschaft zum Neuntöter.
Lebensräume nach Artenschutzrecht
Fortpflanzungsstätten:
Fortpflanzungsstätte ist das Brutrevier. Der Raumbedarf zur Brutzeit beträgt nach Flade (1994) 1,3 bis über 7 ha.
Ruhestätten:
Ruhestätten liegen zur Brutzeit innerhalb des Brutreviers. Junge Grasmücken übernachten häufig zunächst im Gebüsch des Neststandorts, adulte Tiere (einzeln oder paarweise) auch in anderen Gebüschen.
Habitatkomplexe
- Äcker und Sonderkulturen
- Bergbaubiotope
- Gehölze, Baumbestand
- Grünland, Grünanlagen
- Heiden, Magerrasen
- Ruderalfluren, Brachen
Habitatkomplexe Reproduktion
- Bergbaubiotope
- Gehölze, Baumbestand
- Heiden, Magerrasen
- Ruderalfluren, Brachen
Höhenstufen
Sonstiges
Literatur
Bauer, H.-G.; Bezzel, E. & Fiedler, W. (2005): Das Kompendium der Vögel Mitteleuropas. Alles über Biologie, Gefährdung und Schutz. Band 2: Passeriformes - Sperlingsvögel, 2. Aufl., Wiebelsheim.
Bernotat, D. & Dierschke, V. (2015): Übergeordnete Kriterien zur Bewertung der Mortalität wildlebender Tiere im Rahmen von Projekten und Eingriffen 2. Fassung - Stand 25.11.2015. (Studie als PDF-Datei)
Gedeon, K.; Grüneberg, C.; Mitschke, A.; Sudfeldt, C.; Eikhorst, W.; Fischer, S.; Flade, M.; Frick, S.; Geiersberger, I.; Koop, B.; Kramer, M.; Krüger, T.; Roth, N.; Ryslavy, T.; Stübing, S; Sudmann, S. R.; Steffens, R.; Vökler, F. & Witt, K. (2014): Atlas Deutscher Brutvogelarten. Atlas of German Breeding Birds. Stiftung Vogelmonitoring Deutschland und Dachverband Deutscher Avifaunisten (Hrsg.), Münster.
Glutz von Blotzheim, U. N. & Bauer, K. M. (1991): Handbuch der Vögel Mitteleuropas. - Bd. 12/II Passeriformes (3. Teil). Wiesbaden.
Hagemeijer, W. J. M. & Blair, M. J. (eds.) (1997): The EBCC Atlas of European Breeding Birds: Their distribution and abundance. London.
Steffens, R.; Nachtigall, W.; Rau, S.; Trapp, H. & Ulbricht, J. (2013): Brutvögel in Sachsen. Sächsisches Landesamt für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie, Dresden. (als PDF-Dateien unter Brutvögel in Sachsen, Seiten 1-247 sowie S. 248-436 bzw. S. 437-656)
Steffens, R.; Saemann, D. & Grössler, K. (Hrsg.) (1998): Die Vogelwelt Sachsens. Gustav Fischer Verlag, Jena.
Südbeck, P.; Andretzke, H.; Fischer, S.; Gedeon, K.; Schikore, T.; Schröder, K. & Sudfeldt, C. (Hrsg.) (2005): Methodenstandards zur Erfassung der Brutvögel Deutschlands. Radolfzell.
Südbeck, P.; Bauer, H.-G.; Boschert, M.; Boye, P. & Knief, W. (2007): Rote Liste der Brutvögel Deutschlands, 4. Fassung, 30. November 2007. Ber. Vogelschutz 44: 23-81.
Bearbeitungsstand und Bearbeiter des Artensteckbriefes
Offizieller Artensteckbrief des LfULG
Stand: 02.02.2022
Erstbearbeitung: 27.09.2016; Bearbeiter: Jörg Huth, Hans-Markus Oelerich (Halle), Dr. Matthias Weber (Heidenau)
Anpassung an die Arbeitshilfen für artenschutzrechtliche Bewertungen im Dezember 2021 und Januar 2022
Die Artensteckbriefe werden bei Bedarf fortlaufend aktualisiert.
Legende zum Artensteckbrief unter: https://www.natur.sachsen.de/artensteckbriefe-21889.html
Der Artensteckbrief ist Bestandteil der Arbeitshilfen für artenschutzrechtliche Bewertungen: https://www.natur.sachsen.de/arbeitshilfen-artenschutz-20609.html
Informationen zur Artengruppe für Sachsen: https://www.natur.sachsen.de/vogel-21259.html
Hinweise und Änderungsvorschläge zum Artensteckbrief bitte an:
Heiner.Blischke@smekul.sachsen.de