Allgemeine Arteninformationen
Taxonomie
4 Unterarten, in Mitteleuropa brütet die Unterart Phylloscopus trochiloides viridanus Blyth, 1843
Kennzeichen
Der Grünlaubsänger ist ein kleiner olivgrüner Singvogel mit grauweißer Bauchseite und weißlichem Überaugenstreif. Die Art ähnelt dem Zilpzalp und dem Fitis. Im Unterschied zu diesen hat der Grünlaubsänger eine schmale weißliche Flügelbinde, die jedoch häufig undeutlich ausgeprägt bzw. abgerieben ist. Eine relativ sichere Unterscheidung ist durch Lockruf und Gesang möglich. Beide Geschlechter sehen gleich aus.
Biologie und Ökologie
Der Grünlaubsänger besiedelt Misch- und Laubwälder mit altem Baumbestand sowie strukturreiche ältere Nadel(misch)wälder (vor allem Fichtenwälder). Er benötigt den Baumbestand überragende Singwarten und bevorzugt Standorte mit ausgeprägtem Bodenrelief bzw. steile Lagen, z. B. Laubwälder und Gebüsche an Steilküsten der Ostsee oder Hang- und Schluchtwälder in höheren Mittelgebirgslagen.
Die Art ist Bodenbrüter und baut ein kugelförmiges Nest mit seitlicher Öffnung in eine Nische oder Höhlung einer Geländestufe oder einer Abbruchkante, selten direkt am Boden im Wurzelbereich eines Baumes.
Es wird in der Regel eine Jahresbrut mit meist 4-6 Eiern durchgeführt. Das Weibchen baut das Nest. Die Brutdauer beträgt 12-13 Tage, die Nestlingsdauer 12-14 Tage. Nur das Weibchen brütet und hudert (schützt, wärmt, bedeckt) die Jungvögel. Die Aufzucht der Jungen wird von beiden Geschlechtern übernommen.
Als Nahrung dienen kleine Insekten und deren Entwicklungsstadien, Spinnen sowie Schnecken.
Der Grünlaubsänger ist ein Langstreckenzieher. Seine Hauptüberwinterungsquartiere liegen in Indien und Südost-Asien.
Überregionale Verbreitung
Das Brutareal des Grünlaubsängers erstreckt sich über die mittlere und südliche Taigazone vom östlichen Mitteleuropa und dem Baltikum bis zum Jenissei, zudem kommt er auch in den montanen Nadelwäldern der zentralasiatischen Hochgebirge (Tienschan, Hindukusch, nach Süden bis in den Himalaja) vor.
In Mitteleuropa ist die Art bislang ein sehr seltener Brut- und Sommervogel (vor allem in Nordost- und Ost-Polen). In den letzten Jahrzehnten gab es eine Ausbreitungstendenz nach Westen mit Zunahme der Nachweise in Deutschland, die die Westgrenze des Areals markieren. Für den Zeitraum 2005-2009 wird für Deutschland ein Gesamtbestand von 2-10 Revieren angegeben. Regelmäßige Feststellungen von singenden Vögeln erfolgten bislang in zwei Schwerpunktbereichen: einerseits an der Ostseeküste (Rügen, Usedom, Hiddensee, Greifswalder Oie, Darß, Raum Wismar), andererseits an wechselnden Orten der höheren Mittelgebirgslagen Mittel- und Ostdeutschlands (Hochharz, Erzgebirge, Vogtland, Elbsandsteingebirge). Sporadische Nachweise gab es auch auf Helgoland, östlich der Müritz und im Raum Berlin.
Erhaltungszustand
nicht bewertet
Prüfung und Erfassung
Verantwortlichkeit (Sachsen)
Anteil Sachsen am deutschen Brutbestand: 40,0 %
Hinweise für Artenschutzprüfung
- Vogelart mit hervorgehobener artenschutzrechtlicher Bedeutung
- Einzelvorkommen als Bezug für die lokale Population bei artenschutzrechtlichen Prüfungen
Betrachtungsschwerpunkt Artenschutzprüfung
Brutvogelaspekt
Untersuchungsstandards
Methodik, Wertungsgrenzen und Zeitraum der Brutvogelerfassung gemäß Südbeck et al. (2005)
Hinweis: bei Nachweisen Bestätigung durch die Deutsche Seltenheitskommission notwendig
Sonstige Arten-Attribute
- Brutvogelart des SPA-Fachkonzeptes (im weiteren Sinne, Tab. 3)
- Vogelart in den SPA-Standarddatenbögen (alt)
- Vogelart des SPA-Monitorings (Brutvögel)
Mortalitäts-Gefährdungs-Index (MGI)
- als Brutvogel: III.6 (mittel)
- als Gastvogel: IV.9 (mäßig)
Naturschutzfachlicher Wert-Index (NWI)
- als Brutvogel: 2 (hoch)
- als Gastvogel: 5 (sehr gering)
Populationsökologischer Sensitivitäts-Index (PSI)
- als Brutvogel: 5 (mittel)
- als Gastvogel: 5 (mittel)
Vorkommen
Status Etablierung
Unbeständige, Vermehrungsgäste
Status Vögel
Brutvogel
Bemerkung zum Status
sehr seltener lokaler Brutvogel (Sommervogel)
Nachweisabsicherung
Ja
Langfristiger Bestandstrend
deutliche Zunahme
Kurzfristiger Bestandstrend
deutliche Zunahme
Bestand
1966, 1968, 1972, 1982, 1985: Einzelnachweise singender Männchen (4 x Vogtland, 1 x Sächsische Schweiz)
1988 (Nachweishäufung): 3-4 singende Männchen (davon 3 x im Vogtland, 1 x bei Nossen)
1999: Nestfund (Sächsische Schweiz) (Mitt.Ver.Sächs.Ornit. 8, 1999: S. 387-392)
2005-2009: 3 Reviere (2 x Vogtland; 1 x Osterzgebirge: Brutnachweis 2005)
Vorkommenskarte
Naturraumkarte
Phänologie
Phänogramm
Erläuterung Phänologie
Nachweise singender Männchen gelangen in Sachsen vor allem Anfang im Juni bis Anfang Juli, ausnahmsweise schon ab Mitte Mai (Steffens et al. 1998). Bisher liegen zwei Brutnachweise vor: am 20.07.1999 Nest mit 5 Jungvögeln (die noch am selben Tag ausflogen) im Kirnitzschtal/Sächsische Schweiz; ab 01.06.2005 singendes Männchen bei Hermdorf/Osterzgebirge, am 18.07. dort ein adultes Tier mit mindestens 3 flüggen Jungvögeln (Steffens et al. 2013). Im Oberharz (Sachsen-Anhalt) wurden singende Männchen von Anfang bis Ende Juni nachgewiesen, ein Nachweis flügger Junge liegt für den 20.07.1998 und ein Nachweis von Nestlingen, die gefüttert werden, für den 22.07.1999 vor (Schulze et al. 2008).
Lebensraum
Der Grünlaubsänger ist Brutvogel in Nadel- (vor allem Fichten-), Misch- und Laubwald mit Starkholz, gestuftem Kronendach oder Gruppen höherer Baumkronen. Männchen singen vor allem an Waldrändern und Lichtungen. Im Harz (Sachsen-Anhalt) kommt die Art in Fichtenwäldern oberhalb 700 m in Beständen aus jungem bis mittlerem Baumholz bis hin zu lichten, kleinwüchsigen, naturnahen Fichtenbeständen nahe der Baumgrenze vor. In der Sächsischen Schweiz wurde der Grünlaubsänger in Sandsteinschluchten mit Nadel-Laubmischwald nachgewiesen. Aktuelle und potenzielle Revierstandorte in Sachsen liegen vor allem in Fichtenwäldern der Kammlagen des Erzgebirges und des Vogtlands (über 700 m ü. NN). Es gibt aber auch Nachweise in mittleren Lagen des Vogtlands (400-500 m ü. NN).
Lebensräume nach Artenschutzrecht
Fortpflanzungsstätten:
Die Fortpflanzungsstätte der Art ist das Brutrevier. Zur Reviergröße liegen keine konkreten Angaben vor. Reviergrößen ähnlicher Arten (Zilpzalp, Fitis) betragen im Mittel 0,6-1,5 ha.
Ruhestätten:
Die Ruhestätten liegen zur Brutzeit im Brutrevier (Nest und Nestumgebung).
Habitatkomplexe
- Gehölze, Baumbestand
- Wälder
Habitatkomplexe Reproduktion
- Gehölze, Baumbestand
- Wälder
Höhenstufen
Sonstiges
Literatur
Bernotat, D. & Dierschke, V. (2015): Übergeordnete Kriterien zur Bewertung der Mortalität wildlebender Tiere im Rahmen von Projekten und Eingriffen 2. Fassung - Stand 25.11.2015. (Studie als PDF-Datei)
Bezzel, E. (1993): Kompendium der Vögel Mitteleuropas: Passeres - Singvögel. AULA-Verlag, Wiesbaden.
Gedeon, K.; Grüneberg, C.; Mitschke, A.; Sudfeldt, C.; Eikhorst, W.; Fischer, S.; Flade, M.; Frick, S.; Geiersberger, I.; Koop, B.; Kramer, M.; Krüger, T.; Roth, N.; Ryslavy, T.; Stübing, S; Sudmann, S. R.; Steffens, R.; Vökler, F. & Witt, K. (2014): Atlas Deutscher Brutvogelarten. Atlas of German Breeding Birds. Stiftung Vogelmonitoring Deutschland und Dachverband Deutscher Avifaunisten (Hrsg.), Münster.
Pühringer, N. (1998): Österreichischer Erstnachweis des Grünlaubsängers (Phylloscopus trochiloides) im Nationalpark Kalkalpen/Oö. - Egretta 41: 108-110.
Schulze, M.; Lämmel, D. & Pschorn, A. (2008): Brutvorkommen wertgebender Vogelarten im EU SPA Vogelschutzgebiet Hochharz im Jahr 2007. - Ber. Landesamt f. Umweltschutz Sachsen-Anhalt, Sonderheft 4: 53-64.
Steffens, R.; Nachtigall, W.; Rau, S.; Trapp, H. & Ulbricht, J. (2013): Brutvögel in Sachsen. Sächsisches Landesamt für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie, Dresden. (als PDF-Dateien unter Brutvögel in Sachsen, Seiten 1-247 sowie S. 248-436 bzw. S. 437-656)
Steffens, R.; Saemann, D. & Grössler, K. (Hrsg.) (1998): Die Vogelwelt Sachsens. Gustav Fischer Verlag, Jena.
Stiefel, A. (1979): Ruhe und Schlaf bei Vögeln. Die Neue Brehm-Bücherei 487. Ziemsen-Verlag, Wittenberg.
Südbeck, P.; Andretzke, H.; Fischer, S.; Gedeon, K.; Schikore, T.; Schröder, K. & Sudfeldt, C. (Hrsg.) (2005): Methodenstandards zur Erfassung der Brutvögel Deutschlands. Radolfzell.
Südbeck, P.; Bauer, H.-G.; Boschert, M.; Boye, P. & Knief, W. (2007): Rote Liste der Brutvögel Deutschlands, 4. Fassung, 30. November 2007. Ber. Vogelschutz 44: 23-81.
Bearbeitungsstand und Bearbeiter des Artensteckbriefes
Offizieller Artensteckbrief des LfULG
Stand: 02.02.2022
Erstbearbeitung: 27.09.2016; Bearbeiter: Jörg Huth, Hans-Markus Oelerich (Halle)
Anpassung an die Arbeitshilfen für artenschutzrechtliche Bewertungen im Dezember 2021 und Januar 2022
Die Artensteckbriefe werden bei Bedarf fortlaufend aktualisiert.
Legende zum Artensteckbrief unter: https://www.natur.sachsen.de/artensteckbriefe-21889.html
Der Artensteckbrief ist Bestandteil der Arbeitshilfen für artenschutzrechtliche Bewertungen: https://www.natur.sachsen.de/arbeitshilfen-artenschutz-20609.html
Informationen zur Artengruppe für Sachsen: https://www.natur.sachsen.de/vogel-21259.html
Hinweise und Änderungsvorschläge zum Artensteckbrief bitte an:
Heiner.Blischke@smekul.sachsen.de