Art suchen:
Bundesland auswählen:

Plecotus austriacus (J. Fischer, 1829) / Graues Langohr (Sachsen)

Rechtlicher Schutz und Rote Liste


Artenschutzrechtlicher Schutzstatus:SG (streng geschützt)
FFH:FFH-IV (Anhang IV - Art der FFH-Richtlinie (1992))
Rote Liste Deutschland:1 ((akut) vom Aussterben bedroht)
Rote Liste Sachsen:2 (stark gefährdet)

Allgemeine Arteninformationen


Kennzeichen

  • mittelgroße Fledermausart mit auffällig langen, an der Basis miteinander verbundenen Ohren
  • winterschlafende Graue Langohren falten die Ohren nach hinten unter die Flügel, so dass nur die Ohrdeckel vom Kopf abstehen
  • Rückenfell grau, Unterseite hellgrau
  • Flügelspannweite 25,5 – 29,2 cm
  • Gewicht 6 - 10 g
  • Unterarmlänge 36,5 – 43,5 mm
  • Unterscheidung vom Braunen Langohr anhand der Länge von Daumen (< 6 mm) und Daumenkralle (< 2 mm)

Biologie und Ökologie

  • im Mitteleuropa ausschließlich gebäudebewohnende Fledermausart, Wochenstubenquartiere meist in geräumigen Dachböden, Winterquartiere in Kellergewölben und Bunkern, aber auch in Dachböden
  • Wochenstubengesellschaften umfassen meist 10 – 30 Weibchen
  • die Weibchen bekommen ein Junges im Jahr
  • sehr leise Ortungsrufe, die durch das Maul oder durch die Nase abgegeben werden
  • langsamer strukturgebundener Flug
  • Jagdgebiete in Laubwäldern, gehölzreichen Siedlungen, Streuobstwiesen und über extensiv genutztem Grünland
  • Beutetiere sind vor allem Nachtfalter, daneben Käfer, Wanzen und Zweiflügler
  • passiv akustische Beutedetektion anhand von Raschelgeräuschen oder aktive Ortung der Beute
  • Jagdgebiete können bis 5 Kilometer vom Tagesquartier entfernt sein
  • keine saisonalen Wanderungen, die Winterquartiere liegen in unmittelbarer Nähe der Sommerquartiere

Überregionale Verbreitung

  • Europa von der Mittelmeerküste bis zum 53. Breitengrad, östlich bis zur Ukraine und der Türkei
  • die nördliche Verbreitungsgrenze verläuft durch Norddeutschland, südlich davon ist das Graue Langohr in Deutschland weit verbreitet, kommt allerdings selten oberhalb 300 m über NN vor

Erhaltungszustand


Erhaltungszustand

ungünstig-unzureichend

Prüfung und Erfassung


Relevanz bei Eingriffen

  • Straßenbau

Untersuchungsstandards

Wochenstubenquartiere:

  • Zählungen adulter Tiere beim Ausflug - Ende Mai - Anfang Juni oder Sichtzählungen Zählungen im Quartier
  • Quartiersuche durch Gebäudekontrollen und durch Beobachtungen von Einflügen in der Morgendämmerung
Winterquartiere:
  • Zählungen sichtbarer Tiere 1-2-mal pro Winterhalbjahr
Jagdgebiete und Flugwege:
  • zur Artbestimmung sowie zur Feststellung des Reproduktionsstatus sind Netzfänge unumgänglich
  • die sehr leisen Rufe geringer Reichweite sind akustisch nur sehr eingeschränkt erfassbar und nicht von denen des Braunen Langohrs zu unterscheiden, daher können akustische Nachweise nur der Artengruppe Langohrart zugeordnet werden.
  • Begehungen mit Ultraschalldetektor im Rahmen von Untersuchungen des Gesamtartenspektrums eines Gebietes, Rufaufzeichnungen für anschließende Analyse der Sonagramme, Sicherung der Rufbelege
  • mindestens 6-8 Begehungen im Zeitraum Ende April bis Anfang September, Begehungsdauer je nach Gebietsgröße mindestens 3 Stunden bis ganznächtlich
  • langfristige bzw. regelmäßige ganznächtliche stationäre akustische Aufzeichnungen, z. B. an potenziellen Leitstrukturen
  • zusätzlich telemetrische Untersuchung zur Suche nach Quartieren und Jagdgebieten sowie zur Untersuchung der Raumnutzung

Sonstige Arten-Attribute

  • Besonders störungsempfindlich (TK25-Quadrant-Sechzehntel)
  • Zielart Biotopverbund (Deutschland)

Vorkommen


Langfristiger Bestandstrend

starker Rückgang

Kurzfristiger Bestandstrend

  • Daten ungenügend
  • starke Abnahme

Bestand

  • 44 bekannte Wochenstubenkolonien mit jeweils meist 5 – 30 Weibchen
  • 116 bekannte Winterquartiere, in denen meist einzelne Tiere überwintern
  • aktuelle Nachweise auf 167 MTBQ

Verbreitung und Einbürgerung

  • Sachsen ist Reproduktions- und Überwinterungsgebiet
  • Wochenstuben- und Winterquartiernachweise fast ausschließlich im Tief- und Hügelland sowie einzelne Nachweise am Mittelgebirgsrand

Vorkommenskarte

Vorkommenskarte

Phänologie


Phänogramm

Phänogramm

Lebensraum


  • dörfliche Siedlungen oder gehölzreiche Stadtrandgebiete in der Nähe von Wäldern oder Offenland
  • Wochenstuben- und Sommerquartiere im Gebälk großräumiger Dachstühle
  • Winterquartiere zumeist in spaltenreichen Kellern

Lebensräume nach Artenschutzrecht

  • Fortpflanzungsstätten sind Wochenstubenquartiere in Gebäuden
  • Ruhestätten sind Quartiere in Gebäuden und unterirdischen Bauwerken
  • Aufgrund der traditionellen Quartiernutzung gelten diese auch dann als Fortpflanzungs- bzw. Ruhestätten, wenn sie vorübergehend nicht besetzt sind.
  • Die lokale Population umfasst eine Wochenstubenkolonie bzw. die Winterschlafgemeinschaft eines Winterquartiers

Habitatkomplexe

  • Gebäude, Siedlungen
  • Gehölze, Baumbestand
  • Grünland, Grünanlagen
  • Höhlen, Bergwerksanlagen
  • Ruderalfluren, Brachen
  • Wälder

Habitatkomplexe Reproduktion

  • Gebäude, Siedlungen

Management


Handlungsbedarf aus Landessicht

  • Landes-TOP 50-Art für den Artenschutz/das Artenmanagement
  • Landesprioritäres Natura 2000-Schutzgut
  • Landeszielart des Biotopverbundes

Management

  • Quartiererhaltung, ggfs. fledermausgerechte Sanierungen mit fachkundiger Betreuung
  • Sicherung der Störungsfreiheit in Winterquartieren
  • Verzicht auf Einsatz von Pestiziden in der Umgebung der Sommerquartiere
  • Erhaltung und Förderung zusammenhängender Leitstrukturen im Offenland (Gehölzstreifen, Baumreihen)
  • Erhaltung gehölzreicher Ortsränder und extensiv genutzten Wiesen in der Nähe von Wochenstubenquartieren

Gefährdungen


  • Quartierzerstörungen durch Abriss oder nicht fledermausgerechte Sanierung
  • besondere Gefährdung bei Dachsanierungen, da ganzjährige Anwesenheit möglich
  • Winterquartierverluste oft durch Verschluss in Verbindung mit Nutzungsänderungen
  • Einsatz für Fledermäuse toxischer Holzschutzmittel in Quartieren
  • Störungen in Winterquartieren
  • Insektizideinsatz in Forst- und Landwirtschaft
  • zunehmende Lebensraumfragmentierung durch Straßen bzw. den Verlust von Leitstrukturen in der Offenlandschaft

Sonstiges


Literatur

Beck, A. (1995): Fecal Analyses of European Bat Species. - Myotis 32–33: 109-119. Dietz, C., O. v. Helversen & D. Nill (2007): Handbuch der Fledermäuse Europas und Nordwestafrikas. Franckh-Kosmos Verlags GmbH, Stuttgart. Flückinger, P.F. & A. Beck (1995): Observations on the habitat use for hunting by Plecotus austriacus (Fischer, 1829). - Myotis 32-33: 121-122. Kiefer, A & M. Veith (1998a): Untersuchungen zu Raumbedarf und Interaktion von Populationen des Grauen Langohrs Plecotus austriacus (J.B. Fischer, 1829), im Nahegebiet. - Nyctalus 6 (5): 531. Kiefer, A & M. Veith (1998b): Saisonale thermoregulatorische Hangplatzwahl in einem Sommer- und Winterquartier beim Grauen Langohr, Plecotus austriacus (J.B. Fischer, 1829), im Nahegebiet. - Nyctalus 6 (5): 532. Kiefer, A. & P. Boye (2004): Plecotus austriacus (J.B. Fischer, 1829). - In: Petersen, B., G. Ellwanger, R. Bless, P. Boye, E. Schröder & A. Ssymank: Das europäische Schutzgebietssystem NATURA 2000, Ökologie und Verbreitung von Arten der FFH-Richtlinie in Deutschland, Bd. 2 Wirbeltiere. – Schriftenreihe für Landschaftspflege und Naturschutz 69 / Bd. 2: S. 587-592. Sächsisches Landesamt für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie (Hrsg.): Atlas der Säugetiere Sachsens. - Naturschutz und Landschaftspflege, Schober, W & E. Grimmberger (1998): Die Fledermäuse Europas. - Franckh-Kosmos Verlags GmbH & Co., Stuttgart. Simon, M., S. Hüttenbügel & J. Smit-Viergutz (2004): Ökologie und Schutz von Fledermäusen in Dörfern und Städten. - Schriftenreihe Landschaftspflege Naturschutz 76, 275 S. Steffens, R., U. Zöphel & D. Brockmann (2004): 40 Jahre Fledermausmarkierungszentrale Dresden – methodische Hinweise und Ergebnisübersicht. - Materialien zu Naturschutz und Landschaftspflege, 125 S.

Bearbeitungsstand und Bearbeiter des Artensteckbriefes

28.11.2010 Ch. Schmidt ; Aktualisierung 17.06.2014 U. Zöphel