Allgemeine Arteninformationen
Taxonomie
Die Nominatform besiedelt den größten Teil des Verbreitungsgebietes. In kleinen Arealen an den Verbreitungsgrenzen treten die Unterarten Z. v. pannonica (ostslowakische Tiefebene, Neusiedler See, Wiener Becken), Z. v. carniolica (Slowenien, Nordkroatien, Südsteiermark) und Z. v. sachalinensis (Ostsibirien, Sachalin, Japan) auf. Der Status isolierter Populationen in Südwesteuropa wird diskutiert.
Kennzeichen
Zierliche Eidechsenart mit einer Körperlänge bis 16 cm. Kopf klein und nicht vom Hals abgesetzt (erscheint im Verhältnis zum Rumpf kleiner und flacher). Verhältnismäßig kurzer, kräftiger Schwanz mit nur wenig verlängerter Spitze. Auf der Körperoberseite überwiegen kastanienbraune, graubraune oder graue, teilweise bronzefarbene Töne, die in der Mitte ein breites Band bilden, das sich auf dem Schwanz fortsetzt. Auf der Rückenmitte kann eine mehr oder weniger durchgängige dunkle Punktfleckenreihe auftreten, die oft einen Rückenstreifen bildet. An den Flanken ist meist ein breiter dunkelbrauner Längsstreifen oder ein Fleckenband ausgebildet.
Bauchseite der Männchen gelblich bis orange mit zahlreichen schwarzen Flecken, bei den Weibchen weißlich bis perlmuttfarben und nur schwach oder ungefleckt.
Biologie und Ökologie
Die Waldeidechse ist die am besten an kühle Klimate angepasste Reptilienart Europas. Die Tiere verlassen sehr zeitig im Frühjahr, meist schon ab März/April, ihr Winterquartier. Die Überwinterung erfolgt meist gesellig in Hohlräumen unter Baumstümpfen, am Stammgrund von Bäumen, unter Totholz oder Steinen. Ähnliche Strukturen werden auch während des Jahres als Rückzugsort bei Störungen sowie zum Übernachten genutzt. Bei Temperaturen von 15–20 °C verlassen die Tiere tagsüber die Verstecke, um ihren Körper in der Sonne auf 25–30 °C zu erwärmen. Bei starker Mittagssonne ziehen sie sich in die Verstecke zurück.
Paarungen erfolgen zwischen Mitte April und Mitte Mai. Im größten Teil des Verbreitungsgebietes gebären die Weibchen zwischen Ende Juli bis Mitte August voll entwickelte Jungtiere (Ovoviviparie). Nur die Populationen in Südwesteuropa sowie der Pannonischen Tiefebene (Z. v. pannonica) legen Eier ab (Oviparie). Waldeidechsen erreichen im Freiland ein mittleres Alter von 4–5 Jahren, das Höchstalter liegt bei 10–12 Jahren.
Waldeidechsen zeigen kein Territorialverhalten. Es wurde ein Umherziehen in Streifgebieten (Durchmesser 60 m und mehr) beobachtet. Die Mobilität ist bei Männchen im Frühjahr am größten. Weibchen sind eher standorttreu und wandern nur über geringere Distanzen. Jedoch ist die Mobilitätsneigung individuell stark unterschiedlich ausgeprägt. Die Besiedlung neuer Habitate geschieht überwiegend durch „Weitstrecken-Pioniere“ (Glandt 2001), meist juvenile Männchen. Es wurden Wanderentfernungen von mehr als 230 m nachgewiesen.
Waldeidechsen leben oft in Kleinpopulationen von weniger als 20 Tieren. Diese können trotz Isolation über längere Zeiträume stabil bleiben. In Optimalhabitaten können auf kleiner Fläche (2000 m²) aber auch hohe Individuendichten von mehr als 100 Tieren vorhanden sein.
Überregionale Verbreitung
Die Waldeidechse hat das größte Areal aller Reptilien der Paläarktis und dringt am weitesten nach Norden (bis auf etwa 70° nördlicher Breite) vor. Das Areal reicht in Südeuropa von Nordspanien und Bulgarien ostwärts über Sibirien, den Altai, die Nordmongolei bis zum Fernen Osten, Sachalin und Hokkaido. An der südlichen Grenze des Verbreitungsgebietes ist sie auf die Gebirge beschränkt.
Erhaltungszustand
günstig (Gutachterliche Bewertung)
Prüfung und Erfassung
Verantwortlichkeit
Allgemeine Verantwortlichkeit
Untersuchungsstandards
Einfachste Nachweismethode ist die Sichtbeobachtung sich sonnender oder nahrungssuchender Individuen in den Morgenstunden im Frühjahr oder Herbst. Die Untersuchungstage sollten regenfrei und nicht zu heiß sein. Sinnvoll ist die Durchführung von 2–3 Begehungen im Frühjahr (Abschätzung der Individuendichte) und 1–2 Begehungen im Herbst zur Bestätigung der Reproduktion durch Beobachtung von Jungtieren im Zeitraum (Anfang) Mitte Juli bis Ende September (Mitte Oktober).
Möglich, aber relativ zeitaufwendig ist auch der Nachweis mit technischen Hilfsmitteln (Schlangenbretter, künstliche Verstecke) sowie an Fangzäunen.
Vorkommen
Status Etablierung
Indigene, Ureinheimische (Reproduktion)
Langfristiger Bestandstrend
mäßiger Rückgang
Kurzfristiger Bestandstrend
- Abnahme, Ausmaß unbekannt
- Abnahme mäßig oder im Ausmaß unbekannt
Bestand
Die Waldeidechse ist in Sachsen nahezu flächendeckend verbreitet und bis in die Gipfellagen des Erzgebirges anzutreffen. Lokale Verbreitungslücken bestehen nur in den waldarmen, stark agrarisch genutzten Teilen der Lößgefilde und der Leipziger Tieflandsbucht sowie in jungen Bergbaufolgelandschaften.
In Sachsen wurde für 3 Zeitperioden die Rasterfrequenz der Nachweise ermittelt:
1945–1989: 397 MTBQ (61,3 %)
1990–1999: 307 MTBQ (47,4 %)
2000–2012: 339 MTBQ (52,3 %)
Die Anzahl real besiedelter Raster muss für alle 3 Zeitperioden als wesentlich höher eingeschätzt werden, da manche Raster nicht oder nur unvollständig bearbeitet wurden. Außerdem ist zu berücksichtigen, dass Funde der Waldeidechse wegen ihrer Häufigkeit von vielen Beobachtern nicht konsequent erfasst und gemeldet wurden.
Vorkommenskarte
Phänologie
Phänogramm
Erläuterung Phänologie
Jungtiere treten von (Anfang) Mitte Juli bis Ende September (Mitte Oktober) auf. In klimatisch günstigen Jahren (milde Winter und feuchte Sommer) kann die Waldeidechse in thermisch begünstigten Regionen Sachsens fast ganzjährig beobachtet werden.
Lebensraum
Es besteht eine deutliche Präferenz für Waldlandschaften mit besonnten Waldkanten, Lichtungen und Kahlschlägen. Die Waldeidechse bewohnt meist die Grenzlinien zwischen gehölzreicher und krautiger Vegetation und bevorzugt dabei eine größere Vegetationshöhe und -dichte als die Zauneidechse. Gemieden werden strukturarme Landwirtschaftsflächen, außerdem Orte mit einem hohen Bebauungs- und Versiegelungsgrad. In städtischen Strukturen dringen Waldeidechsen nur in die stärker gegliederten Randzonen vor
Sommerlebensraum:
Geeignete Habitate sind halbschattige, deckungsreiche Landschaftsmosaike aus niedrigem Bewuchs krautiger Vegetation (v. a. Gräsern), durchsetzt mit Gebüschgruppen oder am Rand von Gehölzsäumen, so dass ein Nebeneinander von besonnten und halbschattigen Flächen entsteht. Obligatorische Habitatbestandteile sind außerdem Kleinstrukturen, wie Baumstubben und -stämme, Lesestein-, Laub- und Reisighaufen als Sonn- und Versteckplätze. Günstig wirkt sich ein hohes Maß an Bodenfeuchte aus, die Waldeidechse besiedelt daher oft Moor- und Gewässerränder.
Winterquartiere:
Frostfreie, meist unterirdische Hohlräume (Wurzelgänge, Spalten, Kleinsäugerbauten), oft an Baumstubben, Stammbasen, unter Totholz, Steinen, Rottehaufen und Laubanwehungen
Hinweise zur Abgrenzung von Populationen: Aufgrund der oftmals individuenarmen und isolierten Kleinpopulationen sollte die Abgrenzung der Lokalen Population kleinräumig anhand geeigneter Biotopstrukturen erfolgen (z. B. Fläche eines Gehölzes, Waldrandes oder Abbaugebietes etc.). Als potenzielles Einzugsgebiet der Lokalen Population kann aufgrund festgestellter Wanderdistanzen ein Radius von ca. 250 m um das Habitat angenommen werden.
Habitatkomplexe
- Bergbaubiotope
- Fels-/Gesteins-/Offenbodenbiotope
- Feuchtgrünland, Staudenfluren
- Gebäude, Siedlungen
- Gehölze, Baumbestand
- Grünland, Grünanlagen
- Heiden, Magerrasen
- Moore
- Ruderalfluren, Brachen
- Stillgewässer inkl. Ufer
- Sümpfe, Niedermoore, Ufer
- Wälder
Habitatkomplexe Reproduktion
- Bergbaubiotope
- Fels-/Gesteins-/Offenbodenbiotope
- Feuchtgrünland, Staudenfluren
- Gebäude, Siedlungen
- Gehölze, Baumbestand
- Grünland, Grünanlagen
- Heiden, Magerrasen
- Moore
- Ruderalfluren, Brachen
- Stillgewässer inkl. Ufer
- Sümpfe, Niedermoore, Ufer
- Wälder
Ökologische Charakterisierung
- Laubwald, Laubmischwald
- Moore
- Nadelwald
- Offene Landschaft
- Offene Landschaft besonderer Struktur
- Offene Landschaft mit Hecken, Feldgehölzen, Waldsäumen, Alleen
- Offene Landschaft, Feuchthabitate
- Offene Landschaft, mittlere Habitate
- Offene Landschaft, trockene Habitate
- Siedlungsgebiete, Städte
- Spezielle Substrate (Totholz, Detritus, Pflanzen, Pilze)
- Ufer
- Wald besonderer Struktur
- Wald und waldähnliche Gehölze
Höhenstufen
Management
Beurteilung
Seit Mitte des 20. Jahrhunderts ist ein deutlicher Bestandsrückgang der Waldeidechse in Sachsen feststellbar. Große zusammenhängende und individuenreiche Vorkommen existieren z. B. noch in der Oberlausitz und den sächsischen Mittelgebirgen.
Management
- Offenhalten von Lichtungen, Waldkanten, Moor- und Gewässerrändern, Heideflächen, Bergwiesen, Freileitungstrassen, kleinen Abgrabungen und ähnlichen Strukturen in Waldgebieten und daran angrenzenden Flächen
- bei individuenreichen Vorkommen Optimierung eines Mosaiks aus unterschiedlich strukturierten Teilflächen, die Gebüschinseln, Versteck- und Sonnplätze auf Altholz und Lesesteinhaufen in krautiger Vegetation einschließen
- Lebensraumvernetzung im Wald durch Schaffung naturnaher Waldränder, teilbesonnter Wegeböschungen und Freileitungstrassen
- Biotopverbund in der Agrarlandschaft durch Vernetzung von Waldflächen mit Saum- und Gehölzstrukturen und Schaffung breiter, ungenutzter Pufferstreifen zu angrenzenden Landwirtschaftsflächen
- schonende Pflege von Wegrändern und Böschungen in Wäldern, Durchführung möglichst außerhalb der Jahreshauptaktivität bei Verzicht auf Grabenfräsen
Gefährdungen
- Aufforstung und Gehölzsukzession in Lebensräumen sowie Eutrophierung mit der Folge dichteren Pflanzenwachstums und Verschlechterung des Mikroklimas im bodennahen Bereich
- Lebensraumvernichtung infolge Nutzungsintensivierung und Beseitigung von Habitatstrukturen in Agrarlandschaften (Säume, Hecken und Gehölze)
- Fehlen von Kahlschlagsflächen aufgrund geänderter Waldbewirtschaftung
- Individuenverluste durch maschinelle Pflege von Saumstrukturen (Straßen-, Wegränder) sowie Tötung von Individuen auf Straßen und Radwegen
- Habitatfragmentierung und Isolation
Sonstiges
Literatur
- Glandt, D. (2001): Die Waldeidechse. Unscheinbar – anpassungsfähig – erfolgreich – Zeitschrift für Feldherpetologie, Beiheft 2.
- Günther, R. & A. Geiger (1996): Waldeidechse – Lacerta vivipara Jacquin, 1787. – In: Günther, R. (Hrsg.): Die Amphibien und Reptilien Deutschlands. – Gustav Fischer, Jena, Stuttgart, S. 588–600.
- Kühnel, K.-D., A. Geiger, H. Laufer, R. Podloucky & M. Schlüpmann (2009): Rote Liste und Gesamtartenliste der Kriechtiere (Reptilia) Deutschlands. Stand Dezember 2008. – In: Bundesamt für Naturschutz (Hrsg.): Rote Liste gefährdeter Tiere, Pflanzen und Pilze Deutschlands. Bd. 1: Wirbeltiere. – Naturschutz und Biologische Vielfalt 70 (1): 231–256.
- Rau, S., R. Steffens & U. Zöphel (1999): Rote Liste Wirbeltiere. – Materialien zu Naturschutz und Landschaftspflege 1999, hrsg. vom Sächsischen Landesamt für Umwelt und Geologie, Dresden, 23 S.
Bearbeitungsstand und Bearbeiter des Artensteckbriefes
Offizieller Artensteckbrief des LfULG; Stand: 10.02.2014
Bearbeiter: Marko Olias und Dr. André Günther (Naturschutzinstitut Freiberg)
Hinweise und Änderungsvorschläge bitte an: Holger.Lueg@smul.sachsen.de
Legende zum Artensteckbrief unter: http://www.umwelt.sachsen.de/umwelt/natur/22872.htm
Informationen zur Artengruppe für Sachsen: http://www.umwelt.sachsen.de/umwelt/natur/22989.htm