Allgemeine Arteninformationen
Taxonomie
Im Westen Deutschlands treffen die westliche Unterart N. n. helvetica („Barrenringelnatter“) und die Nominatform aufeinander. Tiere der südosteuropäischen Unterart N. n. persa („Streifenringelnatter“) wurden an verschiedenen Stellen in Deutschland, z. B. im Leipziger Auwald, ausgesetzt und bildeten Mischpopulationen mit heimischen Tieren.
Kennzeichen
Die Ringelnatter gehört mit durchschnittlichen Gesamtlängen von 55–70 cm (Männchen) bzw. 85 cm (Weibchen) zu den größten heimischen Schlangen. Es handelt sich um kompakte, langgestreckte Tiere mit einem ± abgesetzten Kopf und einem sich allmählich verjüngendem Schwanz. Die Kopfseiten verschmälern sich nach vorn und gehen übergangslos in die abgerundete Schnauze über. Die Augen sind relativ groß, deutlich von oben sichtbar und haben runde Pupillen. Die Farbe der gekielten Körperschuppen variiert sehr stark, in der Grundfärbung überwiegen bei mitteleuropäischen Tieren verschiedene Grau-, Braun- und Schwarztöne. Besonders auffallend sind größere hellgelbe bis kräftig gelbe Flecken an den Nackenseiten im Bereich des Hinterkopfes, die hinten und manchmal auch vorn von je einem halbmondförmigen schwarzen Fleck eingerahmt sind. Diese Fleckenzeichnung macht die Ringelnatter unverwechselbar.
Biologie und Ökologie
Als Überwinterungsquartiere dienen frostfreie Erdlöcher, Felsspalten und Kleinsäugerbauten, Komposthaufen und andere natürliche und anthropogene Strukturen (z. B. Keller, Spalten in Gebäuden und Brücken). Oft sind in den Winterquartieren mehrere Tiere vergesellschaftet. Die Winterruhe wird in Mitteleuropa um die Monatswende März/April beendet, unmittelbar darauf findet die Paarung statt (Höhepunkt im Mai). Anschließend verteilen sich die Tiere auf die Sommerlebensräume. Zur Eiablage suchen die Weibchen im Zeitraum Juni/August geeignete Eiablageplätze auf. Die im Durchschnitt ca. 30 Eier umfassenden Gelege werden in Anhäufungen verrottenden Pflanzenmaterials gelegt, z. B. in Treibguthaufen, Laubanwehungen, mulmige Baumstubben, Kompost-, Stalldung- oder Sägemehlhaufen. Besonders geeignete Ablageplätze können von mehreren Weibchen gleichzeitig genutzt werden. Nach 4–7 Wochen schlüpfen die Jungtiere aus den Eiern, in kalten Sommern kann es gelegentlich dazu kommen, dass die Embryonen überwintern und im darauf folgenden Frühjahr schlüpfen.
Ringelnattern sind tagaktiv. In den Morgenstunden und abends werden zur Thermoregulation exponierte Sonnenplätze aufgesucht. An heißen Tagen beschränkt sich die Aktivität auf die Morgenstunden, den Rest des Tages verbringen sie dann in temperierten Tagesverstecken. Zur Beutesuche werden Land- und Wasserlebensräume aufgesucht, die Art kann ausgezeichnet schwimmen und tauchen. Gefressen werden vor allem Amphibien (Frösche, Kröten, Molche und Kaulquappen), Fische, an Land auch Eidechsen, Kleinsäuger (Mäuse, Spitzmäuse) und kleinere Vögel. Die Beute wird lebend gefressen, wobei Frösche in der Regel mit den Hinterbeinen voran verschlungen werden.
Zu Siedlungsdichten der Ringelnatter liegen kaum Informationen vor. Sehr hohe Individuenzahlen auf kleinstem Raum, wie sie bei Schiemenz & Günther (1994) aufgelistet werden, sind auf kurzzeitige Konzentration im Umfeld sehr günstiger Überwinterungsquartiere oder Eiablageplätze zurückzuführen und nicht repräsentativ für den Gesamtlebensraum. In Optimalhabitaten scheint die Dichte 1–5 Individuen/Hektar zu erreichen, in den meisten Gebieten dürfte sie wesentlich geringer sein. Das Ausbreitungsvermögen der Art ist relativ hoch, regelmäßig können einzelne Tiere mehrere Kilometer entfernt von zur Fortpflanzung geeigneten Feuchtbiotopen angetroffen werden. Bei markierten Tieren wurde eine tägliche Wanderleistung von bis zu 460 m festgestellt.
Überregionale Verbreitung
Die Ringelnatter kommt mit Ausnahme Irlands, Nordskandinaviens und Nordrusslands in fast ganz Europa vor. Außerhalb Europas ist sie in Kleinasien, Teilen Nordafrikas und des Nahen Ostens bis in das Gebiet des Baikalsees verbreitet.
Erhaltungszustand
günstig (Gutachterliche Bewertung)
Prüfung und Erfassung
Verantwortlichkeit
Allgemeine Verantwortlichkeit
Untersuchungsstandards
Nachweise der Ringelnatter sind am leichtesten während der Sonnphasen in den Morgenstunden von ca. 7–10 Uhr zu tätigen. Während der übrigen Tageszeiten gelingen sie dagegen nur ± zufällig. Die Nachweiswahrscheinlichkeit wird durch die Suche an den Versteckplätzen (z. B. Steine, Holzstücke, Müllgegenstände oder speziell ausgelegte künstliche Verstecke) erhöht. Auch beim Einsatz künstlicher Verstecke sind mindestens 4–5 Kontrollen im Jahr notwendig, um Anwesenheit oder Fehlen möglichst sicher abschätzen zu können.
Ergänzende Nachweismöglichkeiten stellen Totfunde an Verkehrswegen und Funde von Natternhemden dar.
Vorkommen
Status Etablierung
Indigene, Ureinheimische (Reproduktion)
Langfristiger Bestandstrend
starker Rückgang
Kurzfristiger Bestandstrend
- Abnahme, Ausmaß unbekannt
- Abnahme mäßig oder im Ausmaß unbekannt
Bestand
Die Ringelnatter ist in Sachsen flächendeckend verbreitet und vom Tiefland bis in die Gipfellagen des Erzgebirges anzutreffen. In den Teichlandschaften der Oberlausitz erreicht sie die höchste Dichte in Sachsen. In fast allen Landschaften im Tief- und Hügelland und im unteren und mittleren Bergland ist die Art verbreitet und meist auch häufig. Oberhalb von 500 m über NN nehmen die Vorkommen jedoch kontinuierlich ab.
In Sachsen wurde für 3 Zeitperioden die Rasterfrequenz der Nachweise ermittelt:
1945–1989: 420 MTBQ (64,8 %)
1990–1999: 366 MTBQ (56,5 %)
2000–2012: 476 MTBQ (73,5 %)
Die Anzahl real besiedelter Raster muss für alle 3 Zeitperioden als wesentlich höher eingeschätzt werden, da manche Raster nicht oder nur unvollständig bearbeitet wurden. Die etwas höhere Rasterfrequenz im 3. Zeitraum resultiert aus einer höheren Erfassungsqualität, nicht auf einer Zunahme der Art.
Vorkommenskarte
Phänologie
Phänogramm
Erläuterung Phänologie
Jungtiere treten von (Anfang) Mitte August bis Anfang (Ende) Oktober auf.
Lebensraum
Lebensräume: Die Ringelnatter weist eine enge Bindung an Gewässer verschiedenster Art auf, ist darüber hinaus aber auch in eher trockenen terrestrischen Biotopen zu finden. Sie besiedelt ein breites Spektrum von offenen und halboffenen Lebensräumen entlang von Fließgewässern oder an Stillgewässern mit heterogener Vegetationsstruktur und einem Mosaik unterschiedlicher Biotoptypen. Wichtig ist, dass neben Sonnenplätzen und Tagesverstecken auch geeignete Jagdreviere, Eiablageplätze und Überwinterungsmöglichkeiten in nicht allzu großer Entfernung vorhanden sind.
Häufig besiedelte Gewässerlebensräume sind die Ufer von Flüssen, Bächen und Kanälen, Fischteiche (auch intensiv bewirtschaftete Karpfen- und Forellenteiche), Altarme, wassergefüllte Steinbrüche und Kiesgruben, Torfstiche, Löschwasserteiche, in Siedlungen auch Dorfteiche und Parkgewässer sowie größere Gartenteiche. Unter den Landhabitaten dominieren Feuchtbiotope in Verbindung mit Gewässern aller Art, z. B. ufernahe Wiesen und Staudenfluren, Röhrichte, Bruchwälder, Weidengebüsche, Sumpfwiesen, Moore, Laub- und Nadelwälder und auch trockene Habitate wie Zwergstrauchheiden, Felsformationen, natürliche und
anthropogene Gesteinshalden sowie Ruderalstandorte, Bahnanlagen und Industriebrachen.
Hinweise zur Abgrenzung von Populationen: Die Abgrenzung der Lokalen Population sollte anhand der Grenzen vorhandener Biotopstrukturen erfolgen (z. B. Teichgebiet, Abgrabungsgebiet, Moorkomplex, Bachaue, relativ homogener Fließgewässerabschnitt etc.).
Habitatkomplexe
- Bergbaubiotope
- Fels-/Gesteins-/Offenbodenbiotope
- Feuchtgrünland, Staudenfluren
- Gebäude, Siedlungen
- Gehölze, Baumbestand
- Grünland, Grünanlagen
- Heiden, Magerrasen
- Moore
- Ruderalfluren, Brachen
- Stillgewässer inkl. Ufer
- Sümpfe, Niedermoore, Ufer
- Wälder
Habitatkomplexe Reproduktion
- Bergbaubiotope
- Feuchtgrünland, Staudenfluren
- Gebäude, Siedlungen
- Grünland, Grünanlagen
- Moore
- Ruderalfluren, Brachen
- Stillgewässer inkl. Ufer
- Sümpfe, Niedermoore, Ufer
- Wälder
Ökologische Charakterisierung
- Gewässer
- Moore
- Offene Landschaft besonderer Struktur
- Offene Landschaft, mittlere Habitate
Höhenstufen
Management
Beurteilung
Spezielle Populationsstudien, die Bestandstrends der Art dokumentieren, liegen aus Sachsen nicht vor. Vermutlich hat die Art keine erheblichen Bestandseinbußen in Sachsen erlitten. Trotzdem ist in lokalen Populationen eine Abnahme der Individuendichten aufgrund anthropogener Einflüsse beobachtet worden.
Management
- Lebensraumvernetzung durch Schaffung von Trittsteinen (v. a. Gewässerneuanlage) und verbindenden Elementen aus Saum- und Gehölzstrukturen
- Schaffung breiter, ungenutzter Pufferstreifen an Gewässern
- Offenhalten von Lichtungen, Waldkanten, Moor- und Gewässerrändern, Heideflächen, Bergwiesen, Freileitungstrassen, kleinen Abgrabungen und ähnlichen Strukturen
- schonende Pflege von Wegrändern und Böschungen, Mahd und Beräumung möglichst außerhalb der Jahreshauptaktivität unter Verzicht auf Grabenfräsen
- Schaffung von Ersatzlebensräumen und Eiablagemöglichkeiten (z. B. Sägemehlhaufen, Holzstapeln, Steinhaufen) in Gewässernähe, z. B. um Konfliktpunkte an Verkehrswegen zu entschärfen
Gefährdungen
- Habitatfragmentierung und Isolation
- Individuenverluste durch maschinelle Pflege von Saumstrukturen (Straßen-, Wegränder) sowie Tötung von Individuen auf Straßen und Radwegen
- Lebensraumvernichtung infolge Nutzungsintensivierung und Beseitigung von Habitatstrukturen an Gewässern und in Landlebensräumen
- Verknappung von Eiablageplätzen durch geänderte Wirtschaftsmethoden (Verschwinden von Dunghaufen und Komposthaufen im Siedlungsraum)
- Umweltgifte, z. B. Roundup (mit negativen Folgen für Amphibien als Hauptnahrungsgrundlage)
Sonstiges
Literatur
- Günther, R. & W. Völkl (1996): Ringelnatter – Natrix natrix (Linnaeus, 1758). – In: Günther, R. (Hrsg.): Die Amphibien und Reptilien Deutschlands. – Gustav Fischer, Jena, Stuttgart: 666–684.
- Kühnel, K.-D., A. Geiger, H. Laufer, R. Podloucky & M. Schlüpmann (2009): Rote Liste und Gesamtartenliste der Kriechtiere (Reptilia) Deutschlands. Stand Dezember 2008. – In: Bundesamt für Naturschutz (Hrsg.): Rote Liste gefährdeter Tiere, Pflanzen und Pilze Deutschlands. Bd. 1: Wirbeltiere. – Naturschutz und Biologische Vielfalt 70 (1): 231–256.
- Rau, S., R. Steffens & U. Zöphel (1999): Rote Liste Wirbeltiere. – Materialien zu Naturschutz und Landschaftspflege 1999, hrsg. vom Sächsischen Landesamt für Umwelt und Geologie, Dresden, 23 S.
- Schiemenz, H. & R. Günther (1994): Verbreitungsatlas der Amphibien und Reptilien Deutschlands (Gebiet der ehemaligen DDR). – Natur & Text, Rangsdorf:
- Waitzmann, M. & P. Sowig (2007): Ringelnatter Natrix natrix (Linnaeus, 1758). – In: Laufer, H., K. Fritz & P. Sowig, R. (Hrsg.): Die Amphibien und Reptilien Baden-Württembergs. – Ulmer, Stuttgart: 667–686.
Bearbeitungsstand und Bearbeiter des Artensteckbriefes
Offizieller Artensteckbrief des LfULG; Stand: 10.02.2014
Bearbeiter: Marko Olias und Dr. André Günther (Naturschutzinstitut Freiberg)
Hinweise und Änderungsvorschläge bitte an: Holger.Lueg@smul.sachsen.de
Legende zum Artensteckbrief unter: http://www.umwelt.sachsen.de/umwelt/natur/22872.htm
Informationen zur Artengruppe für Sachsen: http://www.umwelt.sachsen.de/umwelt/natur/22989.htm