Cordulegaster annulata, Cordulegaster boltoni
Artenschutzrechtlicher Schutzstatus: | BG (besonders geschützt) |
Rote Liste Deutschland: | * (derzeit keine Gefährdung) |
Rote Liste Sachsen: | 3 (gefährdet) |
In Mitteleuropa nur die Nominatform. Die Systematik der C. boltonii-Gruppe im südlichen Europa ist noch nicht abschließend geklärt.
Typische Quelljungfer: Sehr große Libelle mit schwarz-gelber Körperfärbung und grünen Augen. Im Gegensatz zur sehr ähnlichen Gestreiften Quelljungfer (Cordulegaster bidentata) besitzt C. boltonii auf den Hinterleibssegmenten nicht nur große paarige Flecke sondern auch schmale gelbe Streifen am Segmentrand. Ein weiteres Färbungsmerkmal ist das meist gelbliche Hinterhauptsdreieck.
Exuvien und Larven der Quelljungfern sind im ausgewachsenen Zustand durch ihre enorme Größe (bis 42 mm), flache Fangmaske und stark, spitz und ungleichmäßig gezackten Rand der Helmmaske unverwechselbar. C. boltonii besitzt Seitendornen am 8. und 9. Segment (bei bidentata fehlend), die Flügelscheiden der Larven sind schräg nach hinten abgespreizt (bei bidentata parallel ausgerichtet, bei Exuvien ist dieses Merkmal aber nicht zuverlässig)
Cordulegaster boltonii ist eine Charakterart kleiner bis mittelgroßer Bäche. Die Larven leben am Gewässergrund im Feinmaterial und Detritus. Sie graben sich aktiv in das Substrat ein und bevorzugen dabei strömungberuhigte Stellen, z. B. in Kolken oder Substratanspülungen. Bei starken Fließgeschwindigkeiten können die Larven schnell verdriftet werden, was regelmäßig dazu führt, dass nach größeren Hochwässern Larven in die unterhalb liegenden Flussabschnitte oder Aufstauungen mit Standgewässercharakter verdriftet werden und dort zum Schlupf kommen. Ihre Nahrung setzt sich v. a. aus wasserlebenden Arthropoden (z. B. Stein-, Eintagsfliegen, Flohkrebse, Zuckmücken) zusammen, die auf Lauerjagd, seltener durch aktives Aufspüren gefangen werden. Die Entwicklungsdauer der Larven beträgt in Mitteleuropa 3 bis 5 Jahre.
Imagines sind bei sonnigem Wetter regelmäßig an den Reproduktionsgewässern zu beobachten. Die Männchen fliegen dann bevorzugt besonnte Bachstrecken auf der Suche nach Weibchen ab, wobei sie häufig rüttelnd in der Luft stehenbleiben und sich gelegentlich auch absetzen können. Benachbarte Waldwege, Waldlichtungen und Wiesen werden als Reife- und Jagdhabitate genutzt. Die Eiablage erfolgt in flach überströmte sandige Substrate. Zum Ausbreitungsvermögen der Art liegen kaum Erkenntnisse vor, es wird als gering eingeschätzt (Phoenix 2005). Andererseits werden regelmäßig Individuen in großer Entfernung von den besiedelten Gewässern gefunden. Möglicherweise ist dies ein Grund, warum die kleinen Fließgewässer nach Zustandsverbesserung in Sachsen sehr schnell wiederbesiedelt wurden.
Die Zweigestreifte Quelljungfer besiedelt in mehreren Unterarten ein Areal, dass von der Iberischen Halbinsel und Marokko bis in die europäischen Teile Russlands reicht. Die östliche und südöstliche Grenze der Verbreitung ist unklar, die nördliche Verbreitungsgrenze verläuft durch Großbritannien und Mittelskandinavien.
günstig (Gutachterliche Bewertung)
Seit der Erstellung der sächsischen Roten Liste im Jahr 2005 konnte eine deutliche Bestandszunahme der Art beobachtet werden. Auch wenn viele lokale Vorkommen sich noch nicht in einem guten Erhaltungszustand befinden, würde die Art bei einer Neubewertung sachsenweit vermutlich als ungefährdet eingestuft.
Allgemeine Maßnahmen in Lebensräumen, Priorität 3 (mittlere)
Entwicklungsgewässer der Art lassen sich am effektivsten durch gezielte Suche nach Larven und Exuvien ermitteln. Aufgrund der langen Larvenentwicklungszeit können größere Larven nahezu ganzjährig an geeigneten Stellen im Gewässer gekeschert werden (grobmaschiges Küchensieb!). Ist die Art nachgewiesen, sollte nicht weiter nach Larven gesucht werden, um Schäden der empfindlichen Gewässerstruktur gering zu halten. Sichtbeobachtungen von Imagines am Gewässer ergeben allenfalls einen Reproduktionsverdacht, da die Männchen auch an ungeeigneten Gewässern patrouillieren und auch Eiablagen in eine Vielzahl von Gewässern erfolgen (Risikostreuung). In der Schlupfzeit Ende Mai bis Ende Juni sollte eine 2-3malige Exuviensuche zum Nachweis der erfolgreichen Reproduktion erfolgen. Exuvien sind sowohl direkt an Steinen, Baumstämmen und Böschungen am Ufer, wie auch in teils größerer Entfernung vom Gewässer an Gehölzen zu finden. An Gehölzen können die Larven vor dem Schlupf bis mehrere Meter hoch aufsteigen und schlüpfen dann meist am Ende einer Zweigspitze. Sinnvoll ist auch die Kontrolle von Bauwerken am Gewässer auf Exuvien. Unter Brücken und in geschützten Lagen können Exuvien teilweise mehrere Jahre lang erhalten bleiben.
Indigene, Ureinheimische (Reproduktion)
Nein
Die Zweigestreifte Quelljungfer ist aktuell in Sachsen eine mäßig häufige Libellenart mit Verbreitungsschwerpunkten in den mittleren und unteren Lagen der Mittelgebirge und in den waldreichen Heidelandschaften. Im Bereich der Lößgefilde sind die Vorkommen meist auf größere Waldgebiete beschränkt, da die Fließgewässer in der Agrarlandschaft in ihrer Struktur und Gewässergüte meist nicht mehr den Habitatansprüchen der Art genügen.Wesentliche Probleme bilden die erhöhte Verdriftungsgefahr für die Larven infolge von Gewässerausbau und beschleunigtem Abfluss sowie die erosionsbedingt starken Einträge von Feinsedimenten, Möglicherweise bestehen auch Defizite in den Imaginallebensräumen durch fehlende Jagd- und Ruhestätten. Größere Verbreitungslücken bestehen im Leipziger Land sowie im dicht besiedelten Erzgebirgsbecken. Gemieden werden auch die Kammlagen des Erzgebirges.
Aufgrund der mehrjährigen Larvalzeit sind ganzjährig Larven in den Entwicklungsgewässern anzutreffen. Sie reagieren im Winterhalbjahr besonders empfindlich auf Eingriffe in die Bodensubstrate und Einschwemmung von Feinsedimenten, da sie temperaturbedingt nur eingeschränkt reaktionsfähig sind. Starke Feinsedimentfracht im Winterhalbjahr kann zum Ausfall der Darmatmung und nachfolgendem Ersticken der Larven führen.
Fortpflanzungsstätten: Die Larven besiedeln Quellbereiche, flache Bäche mit geringer Strömung oder mit strömungsberuhigten Stellen vor oder hinter Stauhindernissen, in Auskolkungen oder in beruhigten Uferzonen im Wald und im Offenland. Wichtig sind fein- bis mittelsandige Substrate, ein relativ hoher Anteil an Detritus und ein reiches Angebot an Nahrungstieren. Stärkere Faulschlammablagerungen und massive Einträge von Feinsediment verhindern eine erfolgreiche Entwicklung. Daher befinden sich die Einzugsgebiete der meisten besiedelten Bäche in Wäldern, ohne dass eine direkte Bindung der Art an Wald besteht. Zum Habitatschema der Imagines, insbesondere der Männchen, gehören zumindest besonnte Teilabschnitte.
Jagd- und Ruhestätten: Als Reife- und Jagdhabitate dienen besonnte Wiesen, Waldlichtungen, Wegränder etc. mit Reichtum an Kleininsekten. Zu den Ruheplätzen liegen keine gesicherten Kenntnisse vor. Ruhende Männchen wurden in den Morgenstunden und an Schlechtwettertagen an Stauden, Büschen und kleinen Bäumen in Gewässernähe hängend beobachtet (eigene Beobachtungen). Möglicherweise sind dies aber nur Ausnahmen und die eigentlichen Ruheplätze befinden sich im Kronenbereich von Bäumen.
Hinweise zur Abgrenzung von Populationen: Regionale Abstufung unterhalb der Ebene Landkreis, i. d. R. Quell- und Einzugsgebiet eines Baches
Aus dem gegenwärtigen positiven Bestandstrend lässt sich kein Bedarf überregionaler, über den allgemeinen Lebensraumschutz hinausgehender Schutzkonzepte ableiten. Lokal besteht vielfach nach wie vor Bedarf an lebensraumverbessernden Maßnahmen, insbesondere Verbesserung der Gewässerstrukturgüte, Vermeidung von Stoff- und Sedimenteinträgen aus dem Umland, Vermeidung einer vollständigen Beschattung der Gewässer.
Schutz durch allgemeinen Schutz der Lebensräume.
Zentrales Medium für die Sammlung von Artdaten in der Naturschutzverwaltung des Freistaates Sachsen ist die Zentrale Artdatenbank beim LfULG: http://www.umwelt.sachsen.de/umwelt/natur/8048.htm; Aktuelle Übersichtskarten der Verbreitung von Arten in Sachsen können unter folgendem Link abgerufen werden: http://www.umwelt.sachsen.de/umwelt/infosysteme/ida
Die positive Bestandsentwicklung der letzten 20 Jahre ist vermutlich überwiegend ein Ergebnis der gesunkenen Abwasserbelastung der kleinen Fließgewässer. Lokal profitierte die Art zusätzlich von Renaturierungsmaßnahmen und einer Verbesserung der Gewässerstrukturgüte. Besonders im Schwerpunktverbreitungsgebiet der Art in Sachsen, den Mittelgebirgen und ihren Vorländern, sind aber in den nächsten Jahren eine Vielzahl von Eingriffen in die Gewässersysteme durch die Umsetzung in Planung befindlicher Hochwasserschutzmaßnahmen zu erwarten.
Hauptgefährdungsursachen der Art sind:
Phoenix, J. (2005): Zweigestreifte Quelljungfer Cordulegaster boltonii (Donovan, 1807). – In: Brockhaus, T. & U. Fischer (Hrsg.): Die Libellenfauna Sachsens. – Natur & Text, Rangsdorf: 198–201.
Günther, A., M. Olias & T. Brockhaus (2006): Rote Liste Libellen Sachsens. – Materialien zu Naturschutz und Landschaftspflege 2006, hrsg. vom Sächsischen Landesamt für Umwelt und Geologie, Dresden, 20 S.
Ott, J. & W. Piper (1998): Rote Liste der Libellen (Odonata). – In: Bundesamt für Naturschutz (Hrsg.): Rote Liste gefährdeter Tiere Deutschlands. – Schriftenreihe für Landschaftspflege und Naturschutz 55: 260–263.
Sternberg, K., R. Buchwald & U. Stephan (2000): Cordulegaster boltonii (Donovan, 1807) Zweigestreifte Quelljungfer. In: Sternberg, K. & R. Buchwald (Hrsg.): Die Libellen Baden-Württembergs. Band 2: Großlibellen (Anisoptera). – Eugen Ulmer, Stuttgart: 191–208.
Wildermuth, H. & A. Martens (2014): Taschenlexikon der Libellen Europas. Alle Arten von den Azoren bis zum Ural im Porträt. –Quelle & Meyer Verlag, Wiebelsheim.
Offizieller Artensteckbrief des LfULG; Stand: 24.11.2015; Bearbeiter: Dr. André Günther und Marko Olias (Naturschutzinstitut Freiberg); Hinweise und Änderungsvorschläge bitte an: Heiner.Blischke@smul.sachsen.de
Legende zum Artensteckbrief unter: http://www.umwelt.sachsen.de/umwelt/natur/22872.htm; Informationen zur Artengruppe für Sachsen: http://www.umwelt.sachsen.de/umwelt/natur/22988.htm