Artenschutzrechtlicher Schutzstatus: | BG (besonders geschützt) |
Rote Liste Deutschland: | * (derzeit keine Gefährdung) |
Rote Liste Sachsen: | * (derzeit keine Gefährdung) |
Gegenwärtig werden zwei Unterarten der Graugans anerkannt. Das Areal der auch in Deutschland heimischen Nominatform Anser a. anser erstreckt sich von Island bis Nord- und Mitteleuropa. Östlich einer Übergangszone, die von Südösterreich über Ungarn bis zum Schwarzen Meer reicht, brütet A. a. rubirostris, die sich durch etwas bräunlicheres Gefieder und einen rosa gefärbten Schnabel auszeichnet.
Die Graugans ist die größte heimische „graue“ Gänseart. Das Gefieder ist überwiegend grau, nur die Ober- und Unterschwanzdecken sind leuchtend weiß. Der Schnabel ist orange bis rosa, die Beine sind rosa gefärbt. Im Gegensatz zu Saat- und Blässgans, deren Flügel ober- und unterseits mehr oder weniger einheitlich dunkel wirken, sind die Flügel der Graugans im vorderen Bereich hell silbergrau. Diese helle Färbung steht in deutlichem Kontrast zum dunkleren Rücken und den dunklen Hand- und Armschwingen. Daran ist die Graugans im Flug gut von anderen „grauen Gänsen“ zu unterscheiden. Die Graugans ruft sehr ähnlich wie heutige Hausgänse, die von der Graugans abstammen.
Die Graugans besiedelt bevorzugt größere eutrophe Stillgewässer mit ausgedehnten Verlandungszonen. Teilweise brütet die Art auch in den Auen größerer Flüsse, falls geeignete Röhrichtbestände als Brutplätze zur Verfügung stehen. Gute Brutplätze zeichnen sich durch die Nähe geeigneter Äsungsflächen (Grünland, grasbewachsene Teichdämme, vegetationsreiche Flachwasserzonen) aus. Außerhalb der Brutzeit schlafen Graugänse häufig auf großen Wasserflächen und suchen zur Nahrungssuche Stoppelfelder, Grünland oder Feldflächen mit Raps- und Wintergetreideanbau auf. Die Nahrung ist rein pflanzlich.
Graugänse sind Kurzstreckenzieher. Aus Ansiedlungsprojekten hervorgegangene Brutbestände sind häufig überwiegend Standvögel. Graugänse zeigen über den Jahresverlauf ein kompliziertes Zugverhalten, welches einen schleifenförmigen Frühsommer- und Mauserzug durch Europa beinhalten kann. Auch Individuen standorttreuer (halbzahmer) Teilpopulationen können sich kurzzeitig weit entfernt von den Brutgebieten aufhalten. Zur Überwinterung suchen die aus natürlichen Populationen Mitteleuropas hervorgegangenen Brutvögel meist West- und Südwesteuropa auf. In den letzten Jahren nehmen Überwinterungsversuche zu, ein Verhalten, welches vermutlich durch kurze und milde Winter gefördert wird.
Die Nester werden überwiegend am Boden angelegt. Häufig befinden sich die Brutplätze in ausgedehnten Großröhrichten oder auf Inseln. Gelegentlich brüten Graugänse auch erhöht, auf Baumstümpfen oder in Großvogelnestern. Die Weibchen legen durchschnittlich 4-9 (12) Eier, die 27-29 Tage bebrütet werden. Die Jungen sind mit 45-60 Tagen flügge. Nur die Weibchen brüten, die Männchen wachen in dieser Zeit in Nestnähe. Beide Partner führen die Jungen. Eine Jahresbrut, Nachgelege sind möglich. Der Familienzusammenhalt besteht bis in den Winter und darüber hinaus.
Die Brutvorkommen zeigen auch bei Populationsdruck nur eine allmähliche Ausweitung der Brutgebiete.
Die Brutgebiete der Graugans erstrecken sich von Island und Großbritannien über die Küstenregionen Skandinaviens, Mittel- und Südosteuropas bis Zentral- und Ostasien. In Teilen Mittel- und Westeuropas gibt es Populationen die auf Aussetzungen und Wiederansiedlungsprojekte zurückgehen. Graugänse wurden in Neuseeland eingebürgert. Als Durchzügler, Rastvogel und/oder Überwinterer in weiten Teilen Europas und Nordafrikas auftretend.
günstig
Die gutachterliche Einstufung erfolgt aufgrund des positiven Bestandstrends der in Sachsen ungefährdeten Art.
Jagdrecht, begrenzte Jagdzeit
Anteil Sachsen am deutschen Brutbestand: 2,0 %
Brut- und Gastvogelaspekt
Methodik, Wertungsgrenzen und Zeitraum der Brutvogelerfassung gemäß Südbeck et al. (2005).
Brutnachweise über Junge führende Vögel sind meist einfach möglich, erfassen aber nur einen Teil des Brutbestandes. Die Ermittlung des exakten Brutbestandes an größeren Gewässern ist meist schwierig. Nach Möglichkeit sind standorttreue Paare vor der Bebrütungsphase, nestbauende Vögel, wachende Männchen/brütende Weibchen und Junge führende Paare/Einzelvögel durch mehrere Begehungen im Zeitraum Mitte Februar bis Ende Juni zu erfassen.
Indigene, Ureinheimische (Reproduktion)
Brutvogel
Nein
deutliche Zunahme
deutliche Zunahme
Ab der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts erholte sich die verbliebene Population der Graugans in Ostsachsen, was neben einer Bestandszunahme zu einer Arealausdehnung führte. Schwerpunkt des Verbreitungsgebietes bildet das Oberlausitzer Heide- und Teichgebiet. Ab den 1970er Jahren kam es zu einer erfolgreichen Einbürgerung im Raum Moritzburg und vermutlich auch zu Einbürgerungen in Westsachsen. Daraus gingen teilweise halbzahme Populationen hervor, die sich vor allem im Zugverhalten von den anderen Populationen unterscheiden. Gegenwärtig kommt es zu einer weiteren Arealausdehnung und einen zunehmenden Kontakt der Subpopulationen. Schwerpunkte der Brutverbreitung sind gegenwärtig die größeren Teichgebiete des Tieflandes und der Gefildezone inklusive der gewässerreichen Bergbaufolgelandschaften in der Oberlausitz und im Leipziger Raum. Daneben kommt es zunehmend zu Ansiedlungen im Erzgebirgsbecken und in den unteren und mittleren Lagen des Erzgebirges.
Brutbestand in Sachsen (nach Steffens et al. 2013):
1978-1982: 100-200 BP (Brutvogelkartierung 1)
1993-1996: 250-300 BP (Brutvogelkartierung 2)
2004-2007: 500-700 BP (Brutvogelkartierung 3)
2016: 800-1200 BP (Expertenschätzung)
Häufig bestehen im Zugverhalten Unterschiede zwischen den Brutvögeln natürlichen Ursprungs und den Nachkommen aus den Ansiedlungsprojekten. Letztere überwintern häufig in der Nähe der Brutgebiete. So überwintern die Nachkommen des Moritzburger Ansiedlungsprojektes teilweise im Elbtal bei Dresden. Die Brutvögel der Oberlausitz sind Kurzstreckenzieher, die zumindest teilweise bis West- und Südwesteuropa ziehen.
Fortpflanzungsstätten:
Fortpflanzungsstätten sind die Brutgewässer inkl. der Verlandungszonen. Die Nester werden häufig in Großröhrichten oder anderen Verlandungszonen oder auf Inseln angelegt.
Ruhestätten:
Graugänse ruhen meist im Bereich der Gewässer, sowohl auf der offenen Wasserfläche, als auch an geschützten Stellen am Ufer, auf Inseln oder in Flachwasserzonen.
Hinweise auf Abgrenzung von Populationen:
Betrachtungsmaßstab auf der Ebene Landkreis
Die Graugans zeigt seit Mitte der 1950er Jahre einen positiven Bestandstrend in Sachsen. Dieser betrifft sowohl die natürlichen als auch die aus Ansiedlungsprojekten hervorgegangenen Brutvorkommen. Korrespondierend mit der Zunahme der Graugans in ganz Mitteleuropa steigen auch die Bestände an den Rast- und Sammelplätzen an.
Schutz durch allgemeinen Schutz der Lebensräume. Schwerpunkte bilden die Förderung strukturreicher Verlandungszonen mit ausgedehnten Großröhrichten. Graugänse verursachen in der Regel keine nachhaltigen Schäden in der Landwirtschaft, da auch bei der Beweidung von Raps und Wintergetreideschlägen die Schadensschwelle aufgrund der begrenzten Anzahl der Tiere nicht überschritten wird. Allerdings kann es infolge von Störungen und Bejagung dazu kommen, dass sich Graugänse längerfristig auf wenige, ungestörte Flächen konzentrieren, auf denen sie u. U. Schäden verursachen (vgl. LfUG 2008). Durch lange Standzeiten von Maisstoppelflächen und Vermeidung von Störungen auf diesen Flächen ist eine Lenkung auf unproblematische Herbst- und Winternahrungsflächen möglich.
Zentrales Medium für die Sammlung von Artdaten in der Naturschutzverwaltung des Freistaates Sachsen ist die Zentrale Artdatenbank beim LfULG: http://www.umwelt.sachsen.de/umwelt/natur/8048.htm;
Aktuelle Übersichtskarten der Verbreitung von Arten in Sachsen können unter folgendem Link abgerufen werden: http://www.umwelt.sachsen.de/umwelt/infosysteme/ida
Potenzielle Gefährdungsursachen sind:
Baierlein, F.; Dierschke, J.; Dierschke, V. ; Salewski, V.; Geiter, O.; Hüppop, K.; Köppen, U. & Fiedler, W. (2014): Atlas des Vogelzugs. Ringfunde deutscher Brut- und Gastvögel. – Aula-Verlag Wiebelsheim: 567 S.
Bauer, H.-G., Bezzel, E. & Fiedler, W. (Hrsg.) (2005): Das Kompendium der Vögel Mitteleuropas. Alles über Biologie, Gefährdung und Schutz. Band 1: Nonpasseriformes – Nichtsperlingsvögel. – AULA-Verlag Wiebelsheim: 808 S.
Fünfstück, H.-J., Ebert, A., Weiß, I. (2010): Taschenlexikon der Vögel Deutschlands. - Quelle & Meyer Verlag Wiebelsheim: 685 S. LfUG (2008): Wildlebende Gänse und Schwäne in Sachsen. Vorkommen, Verhalten, Management. – Naturschutz und Landschaftspflege. – Dresden: 47 S.
Madge, S.,Burn, H. & Hoerschelmann, H. (1989): Wassergeflügel. Ein Bestimmungsbuch der Schwäne, Gänse und Enten der Welt. Verlag Paul Parey, Hamburg und Berlin: 297 S.
Steffens, R., D. Saemann & K. Grössler (1998 ): Die Vogelwelt Sachsen. – Gustav Fischer Verlag, Jena-Stuttgart-Lübeck-Ulm: 530 S.
Steffens, R., Nachtigall, W., Rau, S., Trapp, H. & Ulbricht, J. (2013): Brutvögel in Sachsen. – Sächsisches Landesamt für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie, Dresden: 656 S.
Stickroth, H. (2005): Brutvögel (Aves). - In: Günther, A., Nigmann, U., Achtziger, R. & Gruttke, H. (Bearb.) (2005): Analyse der Gefährdungsursachen von planungsrelevanten Tiergruppen in Deutschland. - Naturschutz und Biodiversität 21: 113-175
Stiefel, A. (1979): Ruhe und Schlaf bei Vögeln. Die Neue Brehm-Bücherei Bd. 487. – A. Ziemsen Verlag, Wittenberg Lutherstadt: 216 S.
Südbeck, P., Andretzke, H., Fischer, S., Gedeon, K., Schikore, T. S., Schröder, K. & Sudfeldt, C. (2005): Methodenstandards zur Erfassung der Brutvögel Deutschlands. Länderarbeitsgemeinschaft der Vogelschutzwarten und des Dachverbandes der Deutschen Avifaunisten DDA (Hrsg.) – Mugler Druck-Service, Hohenstein-Ernstthal: 790 S.
Südbeck, P.; Bauer, H.-G.; Boschert, M.; Boye, P. & Knief, W. (2007): Rote Liste und Gesamtartenliste der Brutvögel (Aves) Deutschlands. 4. Fassung, 30. November 2007. – Naturschutz und Biologische Vielfalt 70 (1): 159-227
Urs N. Glutz von Blotzheim (Hrsg.): Handbuch der Vögel Mitteleuropas. Mit einem Lexikon ornithologischer Fachbegriffe von Ralf Wassmann. Vogelzug-Verlag, Wiebelsheim 2004, ISBN 3-923527-00-4 (CD-ROM für Windows, MacOS, Unix usw., als PDF-Datei: 15.718 Buchseiten mit 3200 Abbildungen).
Stand: 02.02.2022
Erstbearbeitung: 28.12.2015; Bearbeiter: Dr. André Günther und Marko Olias (Naturschutzinstitut Freiberg)
Anpassung an die Arbeitshilfen für artenschutzrechtliche Bewertungen im Dezember 2021 und Januar 2022
Die Artensteckbriefe werden bei Bedarf fortlaufend aktualisiert.
Legende zum Artensteckbrief unter: https://www.natur.sachsen.de/artensteckbriefe-21889.html
Der Artensteckbrief ist Bestandteil der Arbeitshilfen für artenschutzrechtliche Bewertungen: https://www.natur.sachsen.de/arbeitshilfen-artenschutz-20609.html
Informationen zur Artengruppe für Sachsen: https://www.natur.sachsen.de/vogel-21259.html
Hinweise und Änderungsvorschläge zum Artensteckbrief bitte an:
Heiner.Blischke@smekul.sachsen.de