Haliaeetus albicilla (Linnaeus, 1758) / Seeadler

Rechtlicher Schutz und Rote Liste


Artenschutzrechtlicher Schutzstatus:SG (streng geschützt)
Vogelschutzrichtlinie Schutzstatus:VRL-Anh.I (Art des Anhang I der Vogelschutzrichtlinie)
Rote Liste Deutschland:* (derzeit keine Gefährdung)
Rote Liste Sachsen:V (zurückgehende Art lt.Vorwarnliste, zurückgehende Pflanzengesellschaften (keine Gefährdungskategorie!))

Allgemeine Arteninformationen


Taxonomie

keine Unterarten

Kennzeichen

Der Seeadler ist ein sehr großer Greifvogel mit langen, breiten und brettartigen Flügeln und kurzem, keilförmigen Schwanz. Die Flügelspitzen sind im Flug stark gefingert. Das Gefieder der adulten Individuen ist braun bis dunkelbraun, Kopf und Hals sind gelbbraun, der Schwanz ist weiß. Charakteristisch sind auch der mächtige, gelbe Schnabel und die sehr kräftigen, gelben Füße. Die Jungvögel sind dunkler gefärbt als die Altvögel, auch Schnabel und Schwanz sind noch dunkel.

Biologie und Ökologie

Der Seeadler benötigt fisch- und wasservogelreiche Binnen- und Küstengewässer als Nahrungshabitate. Er brütet in Mitteleuropa auf Bäumen in störungsarmen Altholzbeständen in oder am Rand gewässernaher Wälder, es gibt aber auch Brutplätze, die mehrere Kilometer von Gewässern entfernt sind. Neuerdings werden auch kleinere Gehölze, Baumreihen und Einzelbäume in der offenen Landschaft als Brutplätze angenommen. Horstbäume sind hauptsächlich Kiefern, Buchen, Eichen und Pappeln. Die Bäume müssen in ihrer Krone dem großen und schweren Nest Platz bieten.
Das Paar lebt in einer monogamen Beziehung, wobei es nach Nestkämpfen auch zu Partnerwechseln kommen kann. Männchen und Weibchen bauen und brüten gemeinsam (eine Jahresbrut, Nachgelege sind selten). Die Gelegegröße liegt meist bei 1-2 Eiern, die Brutdauer beträgt 38-42 Tage. Beide Altvögel bringen die Nahrung an den Horst, das Füttern wird überwiegend vom Weibchen übernommen. Die Nestlings- und Ästlingsdauer beträgt 80-90 Tage.
Die Nahrung des Seeadlers ist sehr vielseitig und ändert sich im Jahresverlauf. Gefressen werden vor allem Fische (bis mehrere kg schwer), Wasservögel (bis Gänse-/Reihergröße) und zur Brutzeit deren Küken sowie Säugetiere (Größe von Maus bis Reh). Besonders im Winter wird auch Aas (z. B. Fallwild) genutzt.
In Mitteleuropa sind Altvögel Standvögel, Jungvögel sind Teilzieher. Bevorzugte Überwinterungsgebiete in Deutschland sind Flusslandschaften der Mittleren Elbe und Unteren Oder, die Mecklenburger und Brandenburger Seen und die Ostseeküste.

Überregionale Verbreitung

Der Seeadler ist von Südgrönland und Nordwest-Island über Skandinavien, Schottland und Nordost-Deutschland über fast die gesamte nördliche Paläarktis bis Kamtschatka und Japan verbreitet.
In Deutschland kommt er hauptsächlich im Nordostdeutschen Tiefland vor, wobei das zusammenhängende Verbreitungsgebiet etwa bis zum Stromtal der Elbe und Unteren Mulde reicht. Besiedlungsschwerpunkte sind die Ostseeküste, die Mecklenburgisch-Brandenburgische Seenplatte und die Oberlausitz. Besiedlungsvorposten liegen im Nordwesten an der Nordseeküste Schleswig-Holsteins und an der Weser und Aller in Niedersachsen; im Südwesten bestehen punktuelle Vorkommen in Thüringen und Bayern.

Erhaltungszustand


Erhaltungszustand

günstig

Jagd- und Fischereirecht


Jagdrecht, ohne Jagdzeit

Prüfung und Erfassung


Verantwortlichkeit (Sachsen)

Anteil Sachsen am deutschen Brutbestand: 10,1 %

Hinweise für Artenschutzprüfung

  • Vogelart mit hervorgehobener artenschutzrechtlicher Bedeutung
  • Landkreis als Bezugsraum für die lokale Population bei artenschutzrechtlichen Prüfungen

Betrachtungsschwerpunkt Artenschutzprüfung

Jahresvogelaspekt

Untersuchungsstandards

Methodik, Wertungsgrenzen und Zeitraum der Brutvogelerfassung gemäß Südbeck et al. (2005)

Sonstige Arten-Attribute

  • Kollisionsgefährdete Brutvogelarten nach BNatschG, Anlage 1
  • Besonders störungsempfindlich + herausgehobenes Schutzbedürfnis (TK25-Quadrant)
  • windkraftempfindlich
  • Brutvogelart des SPA-Fachkonzeptes (im engeren Sinne, Tab. 1+2)
  • Triggerart (Vögel) - Brut
  • Brutvogelart der SPA-Erhaltungszieleverordnungen
  • Vogelart in den SPA-Standarddatenbögen (alt)
  • Brutvogelart in den SPA-Standarddatenbögen (neu) - Fortpflanzung
  • Vogelart des SPA-Monitorings (Brutvögel)

Mortalitäts-Gefährdungs-Index (MGI)

  • als Brutvogel: II.4 (hoch)
  • als Gastvogel: II.5 (hoch)

Naturschutzfachlicher Wert-Index (NWI)

  • als Brutvogel: 3 (mittel)
  • als Gastvogel: 4 (gering)

Populationsökologischer Sensitivitäts-Index (PSI)

  • als Brutvogel: 2 (sehr hoch)
  • als Gastvogel: 2 (sehr hoch)

Vorkommen


Status Etablierung

Indigene, Ureinheimische (Reproduktion)

Status Vögel

Brutvogel, Gastvogel

Bemerkung zum Status

Jahresvogel, Wintergast

Nachweisabsicherung

Nein

Langfristiger Bestandstrend

deutliche Zunahme

Kurzfristiger Bestandstrend

deutliche Zunahme

Bestand

Brutbestand in Sachsen (nach Steffens et al. 2013):
1978-1982: 7 BP (Brutvogelkartierung 1)
1993-1996: 30-40 BP (Brutvogelkartierung 2)
2004-2007: 70-80 BP (Brutvogelkartierung 3)

2016: 85-86 BP (Komplettzählung/belastbare Schätzung)

Vorkommenskarte

Vorkommenskarte

Naturraumkarte

Naturraumkarte

Phänologie


Phänogramm

Phänogramm

Erläuterung Phänologie

Die Brutvögel sind ortstreu und den größten Teil des Jahres im Brutgebiet anwesend. Im Spätsommer halten sich die Altvögel kaum am Brutplatz auf. Im Oktober kommt es zur Herbstbalz und der Nest(aus)bau wird begonnen. Dann ist die Brutplatzaktivität wieder geringer. Ab Januar beginnt die eigentliche Revierbesetzung, die Brut wird ab Mitte Februar, meist Anfang/Mitte März begonnen. Jungvögel fliegen ab Ende Juni aus (Steffens et al. 2013). Sie verbleiben meist bis zum nächsten Frühjahr im Familienverband. Im Herbst und Winter kann es in bedeutenden Nahrungsgebieten (v. a. an Teichen und größeren Flüssen) zu größeren Ansammlungen kommen, in denen junge und subadulte Vögel überwiegen.

Lebensraum


Der sächsische Besiedlungsschwerpunkt liegt im Oberlausitzer Heide- und Teichgebiet und erstreckt sich bis zur Königsbrück-Ruhlander und Muskauer Heide sowie in die Randbereiche des angrenzenden Hügellandes. Gebiete westlich der Elbe (Düben-Dahlener Heide, Untere Mulde) wurden erst zu Beginn der 1990er Jahre besiedelt. Der Seeadler brütet in Sachsen meist in unzerschnittenen, störungsarmen Waldgebieten in der Nähe von Teichgebieten, Flachland-Talsperren, Tagebaurestseen und größeren Flüssen. Als Brutplatz bevorzugt er Altholzbestände (> 100 Jahre) und brütet gern in Randlagen zu Freiflächen. Horstbäume sind in Sachsen vor allem Kiefern, daneben auch Fichten, Buchen, Eichen und Pappeln.

Lebensräume nach Artenschutzrecht

Fortpflanzungsstätten:
Die Fortpflanzungsstätte ist der Brutplatz, also der Horstbaum. Aufgrund der Störungsempfindlichkeit der Art, die in der beginnenden Brutzeit im Februar/März besonders hoch ist, ist eine störungsarme Horstschutzzone zu berücksichtigen (300m-Umkreis). Der Seeadler ist in hohem Maße horst- und reviertreu. Innerhalb des Brutreviers gibt es meist auch Wechsel- oder Ausweichhorste, die den Fortpflanzungstätten zuzurechnen sind.

Ruhestätten:
Ruhestätten liegen zur Brutzeit im Bereich des Brutplatzes (Horst, Horstbaum) oder in dessen näherer Umgebung (Schlafbäume in Horstnähe). Auch in den Nahrungs- und Wintergebieten haben Seeadler oft bevorzugte Sitzplätze, die sie regelmäßig aufsuchen. Meist handelt es sich um freistehende oder randständige Totbäume oder Bäume mit toten Ästen, die einen guten Überblick ermöglichen. An Bergbaurestgewässern werden auch unbewachsene Inseln oder Oberkanten von Steilböschungen als Sitzwarten genutzt. Regelmäßig genutzte Sitzwarten gehören auch zu den Ruhestätten.

Habitatkomplexe

  • Äcker und Sonderkulturen
  • Bergbaubiotope
  • Fließgewässer, Quellen
  • Gehölze, Baumbestand
  • Stillgewässer inkl. Ufer
  • Sümpfe, Niedermoore, Ufer
  • Wälder

Habitatkomplexe Reproduktion

  • Gehölze, Baumbestand
  • Wälder

Höhenstufen

  • collin
  • planar

Management


Handlungsbedarf aus Landessicht

  • Landes-TOP 50-Art für den Artenschutz/das Artenmanagement

Sonstiges


Literatur

Bauer, H.-G.; Bezzel, E. & Fiedler, W. (2005): Das Kompendium der Vögel Mitteleuropas. Alles über Biologie, Gefährdung und Schutz. Band 1: Nonpasseriformes - Nichtsperlingsvögel, 2. Aufl., Wiebelsheim.

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Dürr, T. (2015): Vogelverluste an Windenergieanlagen in Deutschland - Daten der zentrale Fundkartei der Staatlichen Vogelschutzwarte im Landesamt für Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz Brandenburg, Stand 01.06.2015. Ministerium für Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz (LUGV) des Landes Brandenburg. (Excel-Tabelle 'Vogelverluste an Windenergieanlagen in Deutschland')

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Steffens, R.; Saemann, D. & Grössler, K. (Hrsg.) (1998): Die Vogelwelt Sachsens. Gustav Fischer Verlag, Jena.

Südbeck, P.; Andretzke, H.; Fischer, S.; Gedeon, K.; Schikore, T.; Schröder, K. & Sudfeldt, C. (Hrsg.) (2005): Methodenstandards zur Erfassung der Brutvögel Deutschlands. Radolfzell.

Südbeck, P.; Bauer, H.-G.; Boschert, M.; Boye, P. & Knief, W. (2007): Rote Liste der Brutvögel Deutschlands, 4. Fassung, 30. November 2007. Ber. Vogelschutz 44: 23-81.

Bearbeitungsstand und Bearbeiter des Artensteckbriefes

Offizieller Artensteckbrief des LfULG

Stand: 02.02.2022

Erstbearbeitung: 01.09.2016; Bearbeiter: Jörg Huth, Hans-Markus Oelerich (Halle), Dr. Matthias Weber (Heidenau);
Anpassung an die Arbeitshilfen für artenschutzrechtliche Bewertungen im Dezember 2021 und Januar 2022

Die Artensteckbriefe werden bei Bedarf fortlaufend aktualisiert.

Legende zum Artensteckbrief unter: https://www.natur.sachsen.de/artensteckbriefe-21889.html

Der Artensteckbrief ist Bestandteil der Arbeitshilfen für artenschutzrechtliche Bewertungen: https://www.natur.sachsen.de/arbeitshilfen-artenschutz-20609.html

Informationen zur Artengruppe für Sachsen: https://www.natur.sachsen.de/vogel-21259.html

Hinweise und Änderungsvorschläge zum Artensteckbrief bitte an:
Heiner.Blischke@smekul.sachsen.de