Pandion haliaetus (Linnaeus, 1758) / Fischadler

Rechtlicher Schutz und Rote Liste


Artenschutzrechtlicher Schutzstatus:SG (streng geschützt)
Vogelschutzrichtlinie Schutzstatus:VRL-Anh.I (Art des Anhang I der Vogelschutzrichtlinie)
Rote Liste Deutschland:3 (gefährdet)
Rote Liste Sachsen:R (extrem selten)

Allgemeine Arteninformationen


Taxonomie

Der Fischadler bildet drei genetisch divergente Formengruppen, die jedoch morphologisch sehr ähnlich sind. In Europa kommt die Nominatform Pandion haliaetus haliaetus vor.

Kennzeichen

Der Fischadler ist ein kontrastreich gefärbter mittelgroßer Greifvogel (größer als ein Mäusebussard). Im Flug fallen seine schmalen und meist gewinkelt gehaltenen Flügel auf. Markant ist zudem der weiße Kopf mit braunen Augenstreifen und gelber Iris. Bei adulten Individuen ist das Gefieder oberseits dunkelbraun sowie Brust und Bauch weißlich gefärbt. Beide Geschlechter haben ein bräunliches Brustband, welches beim Weibchen in der Regel ausgeprägter ist. Jungvögel haben bis in den Herbst hinein helle Federsäume an den dunkelbraunen Rückenfedern.

Biologie und Ökologie

Der Fischadler brütet in Deutschland hauptsächlich in waldreichen Seengebieten und Flusslandschaften. Die Art benötigt zur Ansiedlung exponierte Nestunterlagen und fischreiche Gewässer in der Umgebung. Natürliche Brutplätze sind meist hohe Kiefern als Überhälter am Waldrand oder im lichten Bestand. Aktuell werden häufig Gittermasten von Hochspannungsleitungen als Brutplatz genutzt. Künstliche Nisthilfen auf solchen Masten können die Ansiedlung fördern. Neststandort und Nahrungsgewässer können benachbart sein, aber auch mehrere Kilometer voneinander entfernt liegen.
In meist monogamer Saisonehe (Partnerwechsel während der Brutzeit ist möglich) kommt es zu einer Jahresbrut (Nachgelege sind möglich). Das Gelege enthält 2-3 (1-4) Eier, die bis zum Schlupf 38-41 Tage bebrütet werden. Die Nestlingszeit beträgt 50-60 Tage. Beide Geschlechter brüten, die Beute wird überwiegend vom Männchen herbeigeschafft.
Der Fischadler ernährt sich fast ausschließlich von Fischen (Vorzugsgewicht 150-350 g, an Fischteichen 300-500 g, max. knapp 2 kg), die er über dem Wasser rüttelnd und dann stoßtauchend erbeutet.
Die europäischen Brutvögel sind Langstreckenzieher, die hauptsächlich in Westafrika südlich der Sahara überwintern.

Überregionale Verbreitung

Der Fischadler ist eine weit verbreitete Greifvogelart, die in Eurasien, Australien, Nord- und Mittelamerika und in wenigen Gebieten Nordafrikas brütet. Die Brutverbreitung in Eurasien erstreckt sich von Schottland und Skandinavien über das Baltikum und Russland bis nach Kamtschatka und Japan. In Mitteleuropa besteht eine Verbreitungsinsel vom nordöstlichen Deutschland über das nördliche Polen.
In Deutschland gibt es derzeit ca. 550 Fischadlerpaare (Stand 2005-2009) mit Verbreitungsschwerpunkt in den Seen- und Flusslandschaften des Nordostdeutschen Tieflandes. Die höchsten Brutdichten werden in der Mecklenburgischen Seenplatte, in der Uckermark, im Havelland und im Südosten Brandenburgs erreicht. Nach Westen reicht das zusammenhängende Verbreitungsgebiet bis zur Mittelelbe und zur Mulde, im Süden bis ins sächsische Tiefland. Wenige Paare brüten in separierten Vorkommensinseln in Nordostbayern, Niedersachsen (v. a. Lüneburger Heide) und Ostthüringen.

Jagd- und Fischereirecht


Jagdrecht, ohne Jagdzeit

Prüfung und Erfassung


Verantwortlichkeit (Sachsen)

Anteil Sachsen am deutschen Brutbestand: 8,3 %

Hinweise für Artenschutzprüfung

  • Vogelart mit hervorgehobener artenschutzrechtlicher Bedeutung
  • Einzelvorkommen als Bezug für die lokale Population bei artenschutzrechtlichen Prüfungen

Betrachtungsschwerpunkt Artenschutzprüfung

Brutvogelaspekt

Untersuchungsstandards

Methodik, Wertungsgrenzen und Zeitraum der Brutvogelerfassung gemäß Südbeck et al. (2005)

Sonstige Arten-Attribute

  • Kollisionsgefährdete Brutvogelarten nach BNatschG, Anlage 1
  • Besonders störungsempfindlich (TK25-Viertelquadrant)
  • windkraftempfindlich
  • Brutvogelart des SPA-Fachkonzeptes (im engeren Sinne, Tab. 1+2)
  • Triggerart (Vögel) - Brut
  • Brutvogelart der SPA-Erhaltungszieleverordnungen
  • Vogelart in den SPA-Standarddatenbögen (alt)
  • Brutvogelart in den SPA-Standarddatenbögen (neu) - Fortpflanzung
  • Vogelart des SPA-Monitorings (Brutvögel)

Mortalitäts-Gefährdungs-Index (MGI)

  • als Brutvogel: I.3 (sehr hoch)
  • als Gastvogel: III.6 (mittel)

Naturschutzfachlicher Wert-Index (NWI)

  • als Brutvogel: 1 (sehr hoch)
  • als Gastvogel: 4 (gering)

Populationsökologischer Sensitivitäts-Index (PSI)

  • als Brutvogel: 3 (hoch)
  • als Gastvogel: 3 (hoch)

Vorkommen


Status Etablierung

Indigene, Ureinheimische (Reproduktion)

Status Vögel

Brutvogel, Gastvogel

Bemerkung zum Status

Sommervogel, Durchzügler

Nachweisabsicherung

Nein

Langfristiger Bestandstrend

  • starker Rückgang
  • deutliche Zunahme

Kurzfristiger Bestandstrend

deutliche Zunahme

Bestand

Brutbestand in Sachsen (nach Steffens et al. 2013):
1978-1982: 1-3 BP (Brutvogelkartierung 1)
1993-1996: 0-4 BP (Brutvogelkartierung 2)
2004-2007: 30-40 BP (Brutvogelkartierung 3)

2016: 55-65 BP (Schätzung aufgrund Teilstichprobe)

Vorkommenskarte

Vorkommenskarte

Naturraumkarte

Naturraumkarte

Phänologie


Phänogramm

Phänogramm

Erläuterung Phänologie

Erste Brutvögel treffen Mitte März in den sächsischen Brutgebieten ein (ausnahmsweise früher). Ankunft und Frühjahresdurchzug erreichen ihren Höhepunkt meist Anfang bis Mitte April (Durchzug bis Mitte/Ende Mai). Der Abzug und Herbstdurchzug erstreckt sich von Ende Juli/Anfang August bis Ende Oktober mit Höhepunkt Ende August bis Mitte September und Nachzüglern bis Ende November.
Die sächsischen Brutplätze werden meist Anfang bis Mitte April besetzt und die Eier bis Ende April gelegt. Die Jungvögel fliegen meist Mitte/Ende Juli aus und werden dann noch einige Zeit von den Eltern betreut (Steffens et al. 2013).

Lebensraum


Fischadler brüten im sächsischen Tiefland und hier vor allem in den Flussauen von Vereinigter Mulde, Elbe und Großer Röder sowie in den waldärmeren Teilen der Oberlausitz mit größeren Staugewässern. Die aktuellen sächsischen Brutplätze befinden sich fast ausschließlich auf Gittermasten von Hochspannungsfreileitungen (insbesondere 110 kV-Masten mit Nisthilfen) an störungsarmen Standorten in der Feldflur, ursprünglich wurden exponierte Baumüberhälter als Brutplatz genutzt. Fischreiche Standgewässer (vor allem Teichgebiete) und größere Fließgewässer (Mulde, Elbe und Röder) haben als Jagdhabitate eine besondere Bedeutung. Sie sind meist weniger als 3-4 Kilometer vom Brutplatz entfernt, es gibt aber auch Brutplätze in größerer Entfernung zu bedeutenden Nahrungsgewässern (> 6 km).

Lebensräume nach Artenschutzrecht

Fortpflanzungsstätten:
Fortpflanzungsstätte ist der Brutplatz bzw. Neststandort (Gittermast, Horstbaum). Zu berücksichtigen ist eine störungsarme Horstschutzzone (300m-Umkreis).

Ruhestätten:
Ruhestätten sind während der Brutzeit der Horst und Sitzwarten in der unmittelbaren Umgebung (bei Mastbruten vor allem die Traversen des Gittermastes, bei Baumbruten auch trockene bzw. wipfeldürre Äste und Altbäume in der näheren Umgebung).

Habitatkomplexe

  • Äcker und Sonderkulturen
  • Bergbaubiotope
  • Fließgewässer, Quellen
  • Stillgewässer inkl. Ufer
  • Wälder

Habitatkomplexe Reproduktion

  • Äcker und Sonderkulturen

Höhenstufen

  • collin
  • planar

Sonstiges


Literatur

Bauer, H.-G.; Bezzel, E. & Fiedler, W. (2005): Das Kompendium der Vögel Mitteleuropas. Alles über Biologie, Gefährdung und Schutz. Band 1: Nonpasseriformes - Nichtsperlingsvögel, 2. Aufl., Wiebelsheim.

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Boschert, M. (2005): Vorkommen und Bestandsentwicklung seltener Brutvogelarten in Deutschland 1997 bis 2003. Vogelwelt 126: 1-51.

Dürr, T. (2015): Vogelverluste an Windenergieanlagen in Deutschland - Daten der zentrale Fundkartei der Staatlichen Vogelschutzwarte im Landesamt für Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz Brandenburg, Stand 01.06.2015. Ministerium für Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz (LUGV) des Landes Brandenburg. (Excel-Tabelle 'Vogelverluste an Windenergieanlagen in Deutschland')

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Ehring, R. (2001): Der Fischadler (Pandion haliaetus) in NW-Sachsen. Actitis 36: 99-108.

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Gedeon, K.; Grüneberg, C.; Mitschke, A.; Sudfeldt, C.; Eikhorst, W.; Fischer, S.; Flade, M.; Frick, S.; Geiersberger, I.; Koop, B.; Kramer, M.; Krüger, T.; Roth, N.; Ryslavy, T.; Stübing, S; Sudmann, S. R.; Steffens, R.; Vökler, F. & Witt, K. (2014): Atlas Deutscher Brutvogelarten. Atlas of German Breeding Birds. Stiftung Vogelmonitoring Deutschland und Dachverband Deutscher Avifaunisten (Hrsg.), Münster.

Gedeon, K.; Mitschke, A. & Sudfeldt, C. (Hrsg) (2004): Brutvögel in Deutschland. Hohenstein-Ernstthal.

Glutz von Blotzheim, U. N., Bauer, K. M. & Bezzel, E. (1989): Handbuch der Vögel Mitteleuropas. - Bd. 4 Falconiformes. 2. Aufl., Wiesbaden.

Hagemeijer, W. J. M. & Blair, M. J. (eds.) (1997): The EBCC Atlas of European Breeding Birds: Their distribution and abundance. London.

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Kostrzewa, A. & Speer, G. (Hrsg.) (2001): Greifvögel in Deutschland. Bestand, Situation, Schutz. 2. Aufl., Wiebelsheim.

SMEKUL – Sächsisches Staatsministerium für Energie, Klimaschutz, Umwelt und Landwirtschaft (2021): Leitfaden Vogelschutz an Windenergieanlagen im Freistaat Sachsen (Stand 1. Dezember 2021): https://www.natur.sachsen.de/download/Leitfaden-Vogelschutz-an-Windenergieanlagen.pdf.pdf

Mebs, T. & Schmidt, D. (2006): Die Greifvögel Europas, Nordafrikas und Vorderasiens. Stuttgart.

Schmidt, D. (1999): Untersuchungen zur Populationsbiologie und Habitatnutzung des Fischadlers Pandion haliaetus in Deutschland. ILN-Werkstattreihe, Heft 6 (zugl. Diss. Univ. Halle-Wittenbg.) 1-100.

Steffens, R.; Nachtigall, W.; Rau, S.; Trapp, H. & Ulbricht, J. (2013): Brutvögel in Sachsen. Sächsisches Landesamt für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie, Dresden. (als PDF-Dateien unter Brutvögel in Sachsen, Seiten 1-247 sowie S. 248-436 bzw. S. 437-656)

Steffens, R.; Saemann, D. & Grössler, K. (Hrsg.) (1998): Die Vogelwelt Sachsens. Gustav Fischer Verlag, Jena.

Südbeck, P.; Andretzke, H.; Fischer, S.; Gedeon, K.; Schikore, T.; Schröder, K. & Sudfeldt, C. (Hrsg.) (2005): Methodenstandards zur Erfassung der Brutvögel Deutschlands. Radolfzell.

Südbeck, P.; Bauer, H.-G.; Boschert, M.; Boye, P. & Knief, W. (2007): Rote Liste der Brutvögel Deutschlands, 4. Fassung, 30. November 2007. Ber. Vogelschutz 44: 23-81.

Bearbeitungsstand und Bearbeiter des Artensteckbriefes

Offizieller Artensteckbrief des LfULG

Stand: 02.02.2022

Erstbearbeitung: 22.09.2016; Bearbeiter: Jörg Huth, Hans-Markus Oelerich (Halle), Dr. Matthias Weber (Heidenau)
Anpassung an die Arbeitshilfen für artenschutzrechtliche Bewertungen im Dezember 2021 und Januar 2022

Die Artensteckbriefe werden bei Bedarf fortlaufend aktualisiert.

Legende zum Artensteckbrief unter: https://www.natur.sachsen.de/artensteckbriefe-21889.html  

Der Artensteckbrief ist Bestandteil der Arbeitshilfen für artenschutzrechtliche Bewertungen: https://www.natur.sachsen.de/arbeitshilfen-artenschutz-20609.html

Informationen zur Artengruppe für Sachsen: https://www.natur.sachsen.de/vogel-21259.html

Hinweise und Änderungsvorschläge zum Artensteckbrief bitte an:
Heiner.Blischke@smekul.sachsen.de