Tetrao urogallus Linnaeus, 1758 / Auerhuhn

Rechtlicher Schutz und Rote Liste


Artenschutzrechtlicher Schutzstatus:SG (streng geschützt)
Vogelschutzrichtlinie Schutzstatus:VRL-Anh.I (Art des Anhang I der Vogelschutzrichtlinie)
Rote Liste Deutschland:1 ((akut) vom Aussterben bedroht)
Rote Liste Sachsen:0 (ausgestorben/ausgerottet bzw. verschollen, vernichtet)

Allgemeine Arteninformationen


Taxonomie

Es werden 4 gering differenzierte Unterarten unterschieden. In Mitteleuropa kommt die Nominatform Tetrao urogallus urogallus vor. Gelegentlich treten Hybride mit dem Birkhuhn auf („Rackelhuhn“).

Kennzeichen

Das Auerhuhn ist die größte Raufußhühnerart Europas. Männchen sind deutlich größer und schwerer als die Weibchen (etwa so groß wie eine Graugans) und schon aufgrund ihrer Größe unverwechselbar. Das Gefieder des Männchens ist an Kopf, Hals, Rücken und Schwanz dunkelgrau bis schwarz, die Flügel sind braun. Das markante Gesicht besitzt einen strohgelben, stark gekrümmten Schnabel, einen schwarzen Kinnbart und eine rote nackte Hautstelle über jedem Auge („Rosen“). Die Federn der Brust gleichen einem blaugrün glänzenden Schild. Der lange Schwanz des Männchens wird bei der Balz zu einem halbrunden Fächer aufgestellt. Die Oberseite des kleineren Weibchens ist rost- bis graubraun gefärbt und schwarz gemustert, die Unterseite ist rostgelb und schwarz-weiß quergebändert, nur Kehle und Brustschild sind rostrot und ungebändert. Die roten Hautstellen über den Augen sind wenig ausgeprägt. Vom Birkhuhn und möglichen Hybriden ist das Auerhuhn neben der Körpergröße durch den langen, abgerundeten Schwanz und die fehlenden hellen Flügelstreifen zu unterscheiden.

Biologie und Ökologie

Der Lebensraum des Auerhuhns sind naturnahe, störungsarme Nadel- und Mischwälder, die reich strukturiert und mehrstufig aufgebaut sind. Lichte Altholzbestände mit Verjüngungen und Grenzlinien, eine gut entwickelte Kraut- und Zwergstrauchschicht (besonders Heidelbeeren), Ameisenhaufen und zumindest kleinere Wasserstellen sind wichtige Habitatbestandteile. Im Mittelgebirge werden Bergmischwälder mit Fichte, Tanne und Buche oder Bergfichtenwälder, im Tiefland lichte Kiefernalthölzer oder Eichen-Kiefern-Mischwälder bevorzugt. Die Balz findet auf langjährig genutzten Plätzen (Arenen) statt.
Es kommt in der Regel zu einer Jahresbrut (Nachgelege sind möglich). Die Vollgelege enthalten meist 7-11 Eier. Die Brutdauer beträgt 24-26 Tage. Das Weibchen brütet und betreut die Jungen allein. Die Jungvögel sind Nestflüchter und verlassen das Nest nach 1-2 Tagen. Nach 2-3 Wochen unternehmen sie erste Flüge, nach 2-3 Monaten ist der Nachwuchs ausgewachsen und bald darauf selbständig. In Mitteleuropa ist das Auerhuhn Standvogel. Die Männchen sind geburtsorttreu. Weibchen und Jungvögel können bis in 10 km Entfernung (selten bis 120 km) abwandern.

Überregionale Verbreitung

Das Auerhuhn ist Brutvogel der westlichen und zentralen Paläarktis und bewohnt boreale und gemäßigte Nadel- und Mischwälder. Das geschlossene Verbreitungsareal reicht von Skandinavien bis Zentralsibirien. Im restlichen Europa gibt es isolierte Vorkommen in Schottland, in den Pyrenäen, im Kantabrischen Gebirge, in den Alpen, im Dinarischen Gebirge, in den Karpaten und den Rhodopen sowie in einigen Mittelgebirgen Mitteleuropas (Jura, Vogesen, Schwarzwald, Bayerischer Wald, Böhmerwald, Sudeten).
In Deutschland wurde 2005-2009 ein Bestand von 750-1200 Revieren ermittelt (Nachweise balzender Männchen oder Junge führender Hennen). Es gibt aktuell noch drei Hauptvorkommensgebiete: die Bayerischen Alpen, den Schwarzwald und den Bayerischen Wald (und Böhmerwald). Kleinere isolierte Populationen bestehen noch im Fichtelgebirge und im Thüringer Schiefergebirge. Im Harz, in Sachsen und Hessen ist das Auerhuhn als Brutvogel ausgestorben und in Thüringen und Nordbayern hat sich das Areal in den letzten 30 Jahren stark verkleinert.

Erhaltungszustand


Erhaltungszustand

nicht bewertet

Jagd- und Fischereirecht


Jagdrecht, ohne Jagdzeit

Prüfung und Erfassung


Hinweise für Artenschutzprüfung

  • Vogelart mit hervorgehobener artenschutzrechtlicher Bedeutung

Betrachtungsschwerpunkt Artenschutzprüfung

Jahresvogelaspekt

Untersuchungsstandards

Methodik, Wertungsgrenzen und Zeitraum der Brutvogelerfassung gemäß Südbeck et al. (2005)
Nachweise sind der Avifaunistischen Kommission Sachsens (AKS) zu melden

Sonstige Arten-Attribute

  • Besonders störungsempfindlich (TK25-Viertelquadrant)
  • Brutvogelart des SPA-Fachkonzeptes (im engeren Sinne, Tab. 1+2)
  • Triggerart (Vögel) - Brut
  • Brutvogelart der SPA-Erhaltungszieleverordnungen
  • Vogelart in den SPA-Standarddatenbögen (alt)
  • Brutvogelart in den SPA-Standarddatenbögen (neu) - Fortpflanzung
  • Vogelart des SPA-Monitorings (Brutvögel)

Mortalitäts-Gefährdungs-Index (MGI)

  • als Brutvogel: I.3 (sehr hoch)
  • als Gastvogel: I.3 (sehr hoch)

Naturschutzfachlicher Wert-Index (NWI)

  • als Brutvogel: 1 (sehr hoch)
  • als Gastvogel: 1 (sehr hoch)

Populationsökologischer Sensitivitäts-Index (PSI)

  • als Brutvogel: 3 (hoch)
  • als Gastvogel: 3 (hoch)

Vorkommen


Status Etablierung

Indigene, Ureinheimische (Reproduktion)

Bemerkung zum Status

ehemaliger Brutvogel (Jahresvogel)

Nachweisabsicherung

Ja

Langfristiger Bestandstrend

Rückgang, Ausmaß unbekannt

Kurzfristiger Bestandstrend

starke Abnahme

Bestand

Brutbestand in Sachsen (nach Steffens et al. 1998, 2013):
um 1800 ca. 900-1200 Individuen in ganz Sachsen
nach 1970/75 nur noch im Oberen Westerzgebirge, Fichtelberggebiet und in der Muskauer/Neustädter Heide Restvorkommen, die bei den Brutvogelkartierungen 1978-82 und 1993-96 noch bestätigt werden konnten; Restvorkommen im Oberen Vogtland und in der Sächsischen Schweiz erloschen in den 1960er/1970er Jahren

Bestandsrückgang im Westerzgebirge:
1965: 25 Männchen, 42 Weibchen
1975: 10-15 Männchen, 15-24 Weibchen
1975-83: 3 Balzplätze mit 1-3 Männchen
seit 1984 keine Hähne mehr
1997 letzter Nachweis eines Weibchens mit Jungen in Sachsen in der Muskauer Heide

Vorkommenskarte

Vorkommenskarte

Naturraumkarte

Naturraumkarte

Phänologie


Phänogramm

Phänogramm

Erläuterung Phänologie

Das Auerhuhn balzt ab Mitte/Ende März, hauptsächlich von Anfang April bis Ende Mai. Die Eiablage beginnt witterungsabhängig Mitte/Ende April und findet vor allem im Mai (bis Juni) statt. Die Küken schlüpfen meist im Juni. Die Familienverbände lösen sich spätestens im September auf (Südbeck et al. 2005).

Lebensraum


Nach 1970 kam das Auerhuhn nur noch in den Kammlagen des Westerzgebirges, im Fichtelberggebiet und in der Muskauer/Neustädter Heide vor. Früher war die Art in allen großen Waldgebieten Sachsens verbreitet. Der Lebensraum im Erzgebirge war von naturnahen Fichtenwäldern mit zahlreichen Verjüngungen, lichten Altbeständen und dichten Heidelbeerbeständen geprägt. Mit Bergkiefern bestockte Hochmoore sowie Fichtenmischwälder mit Kiefer und Buche förderten die Besiedlung. Der Lebensraum in der sächsischen Oberlausitz waren alte Kiefernmischwälder mit Heidelbeerunterwuchs. In den Felsgebieten der Sächsischen Schweiz und des Zittauer Gebirges wurden stark strukturierte, artenreiche Waldgebiete mit zahlreichen Grenzlinien besiedelt.

Lebensräume nach Artenschutzrecht

Fortpflanzungsstätten:
Fortpflanzungsstätte ist der brutzeitliche Hauptaktionsraum. Dazu gehören insbesondere die Balzplätze und das Nest am Boden in der Kraut- und Zwergstrauchschicht. Wenige Tage nach dem Schlüpfen werden die Küken vom Weibchen aus der näheren Nestumgebung weggeführt; auch der Aktionsraum des führenden Weibchens während der Jungenaufzucht gehört zur Fortpflanzungstätte.

Ruhestätten:
Ruhestätten sind die Schlaf- und Ruheplätze auf Bäumen und am Boden sowie im Winter in selbst gegrabenen Schneehöhlen.

Habitatkomplexe

  • Wälder

Habitatkomplexe Reproduktion

  • Wälder

Höhenstufen

  • hochmontan
  • montan

Sonstiges


Literatur

Bauer, H.-G.; Bezzel, E. & Fiedler, W. (2005): Das Kompendium der Vögel Mitteleuropas. Alles über Biologie, Gefährdung und Schutz. Band 1: Nonpasseriformes - Nichtsperlingsvögel, 2. Aufl., Wiebelsheim.

Bernotat, D. & Dierschke, V. (2015): Übergeordnete Kriterien zur Bewertung der Mortalität wildlebender Tiere im Rahmen von Projekten und Eingriffen 2. Fassung - Stand 25.11.2015. (Studie als PDF-Datei)

Boschert, M. (2005): Vorkommen und Bestandsentwicklung seltener Brutvogelarten in Deutschland 1997 bis 2003. Vogelwelt 126: 1-51.

Garniel, A. & Mierwald, U. (2010): Arbeitshilfe Vögel und Straßenverkehr. Schlussbericht zum Forschungsprojekt FE 02.286/2007/LRB der Bundesanstalt für Straßenwesen: „Entwicklung eines Handlungsleitfadens für Vermeidung und Kompensation verkehrsbedingter Wirkungen auf die Avifauna“.

Gedeon, K.; Grüneberg, C.; Mitschke, A.; Sudfeldt, C.; Eikhorst, W.; Fischer, S.; Flade, M.; Frick, S.; Geiersberger, I.; Koop, B.; Kramer, M.; Krüger, T.; Roth, N.; Ryslavy, T.; Stübing, S; Sudmann, S. R.; Steffens, R.; Vökler, F. & Witt, K. (2014): Atlas Deutscher Brutvogelarten. Atlas of German Breeding Birds. Stiftung Vogelmonitoring Deutschland und Dachverband Deutscher Avifaunisten (Hrsg.), Münster.

Glutz von Blotzheim, U. N., Bauer, K. M. & Bezzel, E. (1973): Handbuch der Vögel Mitteleuropas. Band 5 Galliformes und Gruiformes. Frankfurt am Main.

Hagemeijer, W. J. M. & Blair, M. J. (eds.) (1997): The EBCC Atlas of European Breeding Birds: Their distribution and abundance. London.

Hallfarth, T. (2008): Zum aktuellen Status des Auerhuhns Tetrao urogallus in Sachsen. Mitt. Ver. Sächs. Ornithol. 10: 139-145.

Klaus, S. (1997): Zur Situation der waldbewohnenden Rauhfußhuhnarten Haselhuhn Bonasa bonasia, Auerhuhn Tetrao urogallus und Birkhuhn Tetrao tetrix in Deutschland. Ber. Vogelschutz 35: 27-48.

Klaus, S.; Andreev, A. V.; Bergmann, H.-H.; Müller, F.; Porkert, J. & Wiesner, J. (1989): Die Auerhühner. Die Neue Brehmbücherei. Wittenberg-Lutherstadt.

Klaus, S. & Bergmann, H.-H. (2004): Situation der waldbewohnenden Raufußhuhnarten Haselhuhn Bonasa bonasa und Auerhuhn Tetrao urogallus in Deutschland - Ökologie, Verbreitung, Gefährdung und Schutz. Vogelwelt 125: 283-295.

Möckel, R.; Brozio, F. & Kraut, H. (1999): Auerhuhn (Tetrao urogallus) und Landschaftswandel im Flachland der Lausitz. Mitt. Ver. Sächs. Ornithol. 8 (Sonderheft): 1-202.

Steffens, R.; Nachtigall, W.; Rau, S.; Trapp, H. & Ulbricht, J. (2013): Brutvögel in Sachsen. Sächsisches Landesamt für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie, Dresden. (als PDF-Dateien unter Brutvögel in Sachsen, Seiten 1-247 sowie S. 248-436 bzw. S. 437-656)

Steffens, R.; Saemann, D. & Grössler, K. (Hrsg.) (1998): Die Vogelwelt Sachsens. Gustav Fischer Verlag, Jena.

Südbeck, P.; Andretzke, H.; Fischer, S.; Gedeon, K.; Schikore, T.; Schröder, K. & Sudfeldt, C. (Hrsg.) (2005): Methodenstandards zur Erfassung der Brutvögel Deutschlands. Radolfzell.

Südbeck, P.; Bauer, H.-G.; Boschert, M.; Boye, P. & Knief, W. (2007): Rote Liste der Brutvögel Deutschlands, 4. Fassung, 30. November 2007. Ber. Vogelschutz 44: 23-81.

Bearbeitungsstand und Bearbeiter des Artensteckbriefes

Offizieller Artensteckbrief des LfULG

Stand: 02.02.2022

Erstbearbeitung: 31.08.2016; Bearbeiter: Jörg Huth, Hans-Markus Oelerich (Halle), Dr. Matthias Weber (Heidenau)
Anpassung an die Arbeitshilfen für artenschutzrechtliche Bewertungen im Dezember 2021 und Januar 2022

Die Artensteckbriefe werden bei Bedarf fortlaufend aktualisiert.

Legende zum Artensteckbrief unter: https://www.natur.sachsen.de/artensteckbriefe-21889.html

Der Artensteckbrief ist Bestandteil der Arbeitshilfen für artenschutzrechtliche Bewertungen: https://www.natur.sachsen.de/arbeitshilfen-artenschutz-20609.html

Informationen zur Artengruppe für Sachsen: https://www.natur.sachsen.de/vogel-21259.html

Hinweise und Änderungsvorschläge zum Artensteckbrief bitte an:
Heiner.Blischke@smekul.sachsen.de