Brachvogel
Artenschutzrechtlicher Schutzstatus: | SG (streng geschützt) |
Rote Liste Deutschland: | 1 ((akut) vom Aussterben bedroht) |
Rote Liste Sachsen: | 0 (ausgestorben/ausgerottet bzw. verschollen, vernichtet) |
2 Unterarten, in Mitteleuropa brütet die Nominatform Numenius arquata arquata (Linnaeus, 1758)
Der Große Brachvogel ist die größte einheimische Watvogelart. Kennzeichnend ist vor allem sein langer, gleichmäßig abwärts gebogener Schnabel. Das Gefieder ist überwiegend graubraun gefärbt und dunkel gebändert bzw. gestrichelt. Im Flug ist ein weißer Hinterrückenkeil auffällig. Der Schwanz weist eine dunkle Querbänderung auf. Bauch und Unterflügel sind weißlich. Das Weibchen ist etwas größer und langschnäbeliger als das Männchen. Die Jungvögel haben im Vergleich zu den Adulten noch recht kurze Schnäbel.
Der Große Brachvogel ist Brutvogel in weitgehend offenen Niederungs- und Grünland-Landschaften und Mooren. Die Art ist ein Bodenbrüter und baut das Nest vornehmlich auf trockenem, aber auch auf feuchtem Untergrund, meist in niedriger und/oder krautiger Vegetation.
Der Große Brachvogel ist Einzelbrüter und lebt in saisonaler Monogamie. Es findet eine Jahresbrut statt. Die 3-4 Eier werden 30 Tage bebrütet. Brut und Jungenaufzucht werden von beiden Altvögeln gemeinsam durchgeführt. Mit ca. 35 Tagen sind die Jungvögel flügge.
Als Nahrung dienen überwiegend Kleintiere, besonders Wirbellose, die in den oberen Bodenschichten erstochert oder von der Oberfläche aufgelesen werden (z. B. Regenwürmer, viele Insekten, Asseln, kleine Mollusken, im Watt kleine Krebstiere, Mollusken und Ringelwürmer). Im Binnenland wird z. T. auch pflanzliche Nahrung aufgenommen.
Europäische Brutvögel sind Kurz- und Mittelstreckenzieher, nach Westeuropa hin sind sie zunehmend Standvögel und Teilzieher. Die Winterquartiere liegen an den Küsten West- und Mitteleuropas (insbesondere Atlantikküste Frankreichs, deutsches und niederländisches Wattenmeer), im Mittelmeergebiet (hier vor allem südosteuropäische Brutvögel) bis zum tropischen West-Afrika. In geringer Zahl gibt es auch Überwinterungen in Norwegen und Dänemark, an der deutschen Ostseeküste sowie im Binnenland Mitteleuropas (z. B. Bodensee).
Der Große Brachvogel ist Brutvogel im mittleren und nördlichen Eurasien, hauptsächlich in der gemäßigten Zone. Das Brutareal erstreckt sich von Westeuropa bis nach Nordchina.
Hauptverbreitungsgebiete in Europa sind Nord- und Nordosteuropa (bis zu den Tundren), das nördliche Mitteleuropa sowie die Britischen Inseln. Im Süden reicht das europäische Brutgebiet bis nach Frankreich, zu den Alpen und zum Schwarzen Meer.
In Deutschland liegt der eindeutige Verbreitungsschwerpunkt im nordwestlichen Tiefland mit Dichtezentren im Ems- und Münsterland, auf den Ostfriesischen Inseln und in der Schleswigschen Geest. In geringerer Dichte setzt sich das Verbreitungsgebiet bis in das nordostdeutsche Tiefland fort (Schwerpunkte in Drömling, Altmark, Prignitz, Elbtalniederung und Havelland, inselartige Vorkommen auch in Vorpommern und Ostbrandenburg). Während der Große Brachvogel in den mittleren Regionen Deutschlands als Brutvogel weitgehend fehlt, gibt es weitere lokale Vorkommensgebiete in Süddeutschland mit Schwerpunkten in Bayern (Nördlinger Ries, Altmühl-, Regen-, Donau- und Isartal, Voralpenmoore) sowie in der Oberrheinaue.
nicht bewertet
Brut- und Gastvogelaspekt
Methodik, Wertungsgrenzen und Zeitraum der Brutvogelerfassung gemäß Südbeck et al. (2005)
Hinweise: wichtigster Erfassungstermin Ende März/Anfang April (Überschneidung mit Hauptfrühjahreszug beachten); hohe Brutorttreue sowie die hohe Lebensdauer der Art täuschen über längere Zeit intakte Brutbestände vor
Regelmäßiger Gast/Durchzügler und vereinzelt Reproduktion
Brutvogel, Gastvogel
ehemaliger Brutvogel (sporadische Besetzung einzelner Reviere möglich), Durchzügler, vereinzelt Wintergast
Nein
Rückgang, Ausmaß unbekannt
starke Abnahme
Brutbestand in Sachsen (nach Steffens et al. 1998, 2013):
in der Elbaue bei Torgau 1961-74 1-4 BP, 1975-80 fehlend; 1981, 1987 und 1994 je 1 BP; bis 2000 nur noch reviersuchende Einzelpaare oder Einzelvögel
Der schwach ausgeprägte Frühjahresdurchzug beginnt in Sachsen Ende Februar, erreicht den Höhepunkt meist im März-April und reicht vereinzelt bis Mai. Der deutlich individuenstärkere Herbstdurchzug beginnt meist Ende Juli, gipfelt im Zeitraum August bis Oktober und reicht witterungsabhängig bis November (Dezember). Überwinterungen finden vereinzelt statt (Steffens et al. 1998, 2013).
Reviergründung und Paarbildung finden Anfang März bis Anfang/Mitte April statt. Die Balzaktivität ist von Mitte März bis Mitte April am größten. Die Eier werden von Ende März bis Ende Mai gelegt (Hauptlegezeit Mitte April). Jungvögel treten frühestens Ende April auf. Der Abzug aus den Brutgebieten beginnt ab Mitte Mai (Südbeck et al. 2005).
Die letzten Brutreviere in Sachsen lagen im Bereich ausgedehnter, wenig strukturierter Weidegrünländer im Torgauer Elbtal. Frühere Vorkommen gab es auch im Rödergebiet und auf Grünland in Teichnähe (Oberlausitz). Von besonderer Bedeutung sind hoch anstehende Grundwasserstände, kurzrasige und lückige Pflanzenbestände, stocherfähige Böden und kleinere Gewässer mit offenen, schlammigen Uferpartien. Als Nahrungsgebiete dienen besonders feuchte bis nasse Flächen mit fehlender oder lückiger Vegetation. Rastvögel halten sich auf Saat- und Hackfruchtfeldern sowie auf Schlammflächen abgelassener Teiche auf. Länger besetzte Schlafplätze befinden sich meist auf vegetationsarmen Inseln größerer Gewässer.
Fortpflanzungsstätten:
Die Fortpflanzungsstätte umfasst den Brutplatz (Nestmulde am Boden) einschließlich des umgebenden Brutreviers (territoriales Verhalten, Reviermarkierung, Führen und Aufzucht der Jungen). Der Raumbedarf zur Brutzeit wird von Flade (1994) mit 30-50 ha angegeben; Bezzel (1985) benennt Reviergrößen auf Feuchtwiesen von 7-38 ha.
Ruhestätten:
Ruhestätten liegen zur Brutzeit innerhalb des Brutreviers. Durchzügler übernachten im seichten Wasser flacher, geschützter Uferbereiche, auf schlammigem Untergrund oder auf kleinen Inseln mit sandigem oder wenig bewachsenem Boden. Übernachtungstrupps haben z. T. einen sehr geringen Individualabstand (Stiefel 1979). Teilweise gibt es länger besetzte traditionelle Schlafplätze (vor allem auf dem Herbstzug von August bis November/Dezember) meist auf vegetationsarmen Inseln größerer Gewässer (z. B. Kies- oder Spülsandinseln in Grubenrestgewässern, Spülkippen, Schlammbänke in Altwassern und abgelassene Teiche). Auch andere regelmäßig genutzte Rast- und Nahrungshabitate (z. B. auf Äckern oder Grünland) gehören zu den Ruhestätten.
Bernotat, D. & Dierschke, V. (2015): Übergeordnete Kriterien zur Bewertung der Mortalität wildlebender Tiere im Rahmen von Projekten und Eingriffen 2. Fassung - Stand 25.11.2015. (Studie als PDF-Datei)
Bezzel, E. (1993): Kompendium der Vögel Mitteleuropas: Passeres – Singvögel. AULA-Verlag, Wiesbaden.
Dürr, T. (2015): Vogelverluste an Windenergieanlagen in Deutschland - Daten der zentrale Fundkartei der Staatlichen Vogelschutzwarte im Landesamt für Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz Brandenburg, Stand 01.06.2015. Ministerium für Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz (LUGV) des Landes Brandenburg. (Excel-Tabelle 'Vogelverluste an Windenergieanlagen in Deutschland')
Flade, M. (1994): Die Brutvogelgemeinschaften Mittel- und Norddeutschlands. IHW-Verlag, Eching.
Gedeon, K.; Grüneberg, C.; Mitschke, A.; Sudfeldt, C.; Eikhorst, W.; Fischer, S.; Flade, M.; Frick, S.; Geiersberger, I.; Koop, B.; Kramer, M.; Krüger, T.; Roth, N.; Ryslavy, T.; Stübing, S; Sudmann, S. R.; Steffens, R.; Vökler, F. & Witt, K. (2014): Atlas Deutscher Brutvogelarten. Atlas of German Breeding Birds. Stiftung Vogelmonitoring Deutschland und Dachverband Deutscher Avifaunisten (Hrsg.), Münster.
Steffens, R.; Nachtigall, W.; Rau, S.; Trapp, H. & Ulbricht, J. (2013): Brutvögel in Sachsen. Sächsisches Landesamt für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie, Dresden. (als PDF-Dateien unter Brutvögel in Sachsen, Seiten 1-247 sowie S. 248-436 bzw. S. 437-656)
Steffens, R.; Saemann, D. & Grössler, K. (Hrsg.) (1998): Die Vogelwelt Sachsens. Gustav Fischer Verlag, Jena.
Stiefel, A. (1979): Ruhe und Schlaf bei Vögeln. Die Neue Brehm-Bücherei 487. Ziemsen-Verlag, Wittenberg.
Südbeck, P.; Andretzke, H.; Fischer, S.; Gedeon, K.; Schikore, T.; Schröder, K. & Sudfeldt, C. (Hrsg.) (2005): Methodenstandards zur Erfassung der Brutvögel Deutschlands. Radolfzell.
Südbeck, P.; Bauer, H.-G.; Boschert, M.; Boye, P. & Knief, W. (2007): Rote Liste der Brutvögel Deutschlands, 4. Fassung, 30. November 2007. Ber. Vogelschutz 44: 23-81.
http://de.wikipedia.org/wiki/großerbrachvogel
Offizieller Artensteckbrief des LfULG
Stand: 02.02.2022
Erstbearbeitung: 01.09.2016; Bearbeiter: Jörg Huth, Michael Reuter, Hans-Markus Oelerich (Halle)
Anpassung an die Arbeitshilfen für artenschutzrechtliche Bewertungen im Dezember 2021 und Januar 2022
Die Artensteckbriefe werden bei Bedarf fortlaufend aktualisiert.
Legende zum Artensteckbrief unter: https://www.natur.sachsen.de/artensteckbriefe-21889.html
Der Artensteckbrief ist Bestandteil der Arbeitshilfen für artenschutzrechtliche Bewertungen: https://www.natur.sachsen.de/arbeitshilfen-artenschutz-20609.html
Informationen zur Artengruppe für Sachsen: https://www.natur.sachsen.de/vogel-21259.html
Hinweise und Änderungsvorschläge zum Artensteckbrief bitte an:
Heiner.Blischke@smekul.sachsen.de