Weißkopfmöwe
Artenschutzrechtlicher Schutzstatus: | BG (besonders geschützt) |
Rote Liste Deutschland: | * (derzeit keine Gefährdung) |
Rote Liste Sachsen: | R (extrem selten) |
In den letzten Jahren wurde die taxonomische Gliederung der Silbermöwen-Gruppe (Formen hellmanteliger Großmöwen) grundlegend verändert. Zuerst wurde die Weißkopfmöwe (L. cachinnans) von der Silbermöwe (Larus argentatus) abgetrennt. Dann erfolgte eine weitere Aufteilung der beiden ehemaligen Unterarten der Weißkopfmöwe in zwei eigenständigen Arten: die Mittelmeermöwe (L. michahellis) und die Steppenmöwe (L. cachinnans). Nach derzeitigem Kenntnisstand werden der Steppenmöwe keine Unterarten zugeordnet.
Die Steppenmöwe gehört zu den hellmanteligen Großmöwen, sie ist etwa bussardgroß. Die Art ähnelt stark der Silbermöwe und der Mittelmeermöwe, die Steppenmöwe ist jedoch etwas schlanker, kleinköpfiger, hochbeiniger und langflügeliger als die Silbermöwe. Eine Unterscheidung der Arten im Freiland ist sehr schwierig und nur bei guten Beobachtungsbedingungen möglich. Kopf, Hals, Brust, Bauch und Schwanz sind im Brutkleid weiß, Rücken und Flügeloberseite hellgrau gefärbt (heller als bei der Mittelmeermöwe). Die schwarzen Flügelspitzen haben weiße Flecken am Ende der Handschwingen (im Gegensatz zur Mittelmeermöwe mit weniger Schwarz und mit hellen Zungen auf den äußersten Handschwingen). Der Schnabel ist gelb und hat einen roten Fleck. Er ist schlanker als bei den beiden ähnlichen Arten. Die Beine sind bei adulten Vögeln meist gelb (im Gegensatz zu den fleischfarbenen Beinen der Silbermöwe), die Färbung ist aber variabel. Im Ruhekleid ist der Kopf weißer als bei der Silbermöwe (und noch weniger gestrichelt als bei der Mittelmeermöwe). Jungvögel sind bräunlich und haben einen deutlich helleren Kopf als Silbermöwen-Jungvögel. Jungvögel sind erst nach vier Lebensjahren ausgefärbt. Die Geschlechter unterscheiden sich nicht in der Gefiederfärbung, Männchen sind jedoch etwas größer und kräftiger als Weibchen.
Die Steppenmöwe ist Brutvogel auf felsigen oder sandigen Inseln an Küsten und in Seen des Binnenlandes (dort vor allem an Tagebaurestseen). Die Art brütet meist ebenerdig auf relativ vegetationsarmen offenen Flächen und bildet lockere Kolonien, häufig mit anderen Möwenarten. Das Nest besteht aus diversen Materialien (u. a. Gräser, Zweige, Muscheln, Federn). In saisonaler Monogamie kommt es bei der Steppenmöwe zu einer Jahresbrut (Nachgelege sind wahrscheinlich). Beide Partner bebrüten die meist 2-3 Eier über 27-31 Tage. Mit etwa 6 Wochen sind die Jungvögel flügge und mit ca. 8 Wochen selbstständig.
Die Nahrung ist sehr vielseitig. In Mitteleuropa ernährt sich die Art wahrscheinlich wie die Silbermöwe (Fische und andere kleine Wassertiere, Mollusken, Kleinsäuger, Aas, Abfall, pflanzliche Nahrung, Eier- und Kükenraub, Abjagen von Beute).
Die Steppenmöwe ist hauptsächlich Standvogel oder Teilzieher. In Deutschland gibt es regelmäßig Zuwanderung von Überwinterern aus südöstlichen Gebieten.
Die Hauptverbreitung der Steppenmöwe liegt an den Küsten des Schwarzen und Kaspischen Meeres und östlich bis zum Aralsee und nach Kirgistan. In den letzten Jahrzehnten kam es zur Ausbreitung nach Nordwesten bis Mitteleuropa, wo die Art in Polen aktuell die größten Bestände aufweist.
In Deutschland gibt es aktuell nur wenige Brutplätze kleiner Kolonien (gemischt mit Silber- und Mittelmeermöwen) an Tagebauseen im Süden Brandenburgs (grenzübergreifend zu Sachsen) sowie in der Leipziger Tieflandsbucht (Sachsen und Sachsen-Anhalt).
ungünstig-unzureichend
Jagdrecht, ohne Jagdzeit
Anteil Sachsen am deutschen Brutbestand: 22,0 %
Brut- und Gastvogelaspekt
Methodik, Wertungsgrenzen und Zeitraum der Brutvogelerfassung gemäß Südbeck et al. (2005)
Hinweise: In Deutschland brütet die Steppenmöwe meist einzeln oder in geringer Zahl in anderen Möwenkolonien (genaue Durchsicht von Silbermöwen-Kolonien erforderlich, Hybridisierung mit Silbermöwe und Mittelmeermöwe möglich, auf Mischpaare achten). Auch Nichtbrüter halten sich an den Brutplätzen auf, daher ist der Brutbestand am besten durch Zählung der Nester zu erfassen (Abstimmung mit Naturschutzbehörden!). Bei Bruten ist die Nachweisbestätigung durch die Avifaunistische Kommission Sachsens notwendig.
Indigene, Ureinheimische (Reproduktion)
Brutvogel, Gastvogel
seltener lokaler Brutvogel (Jahresvogel oder Sommervogel), Jahresgast
Ja
deutliche Zunahme
deutliche Zunahme
Brutbestand in Sachsen (nach Steffens et al. 2013):
1978-1982: 0 BP (Brutvogelkartierung 1)
1993-1996: (5-8 BP) (noch keine konsequente Differenzierung von Mittelmeer- und Steppenmöwe; Brutvogelkartierung 2)
2004-2007: 6-10 BP (Brutvogelkartierung 3)
2016: 150-180 BP (Komplettzählung/belastbare Schätzung)
Die sächsischen Brutplätze werden im Februar/März besetzt. Die Eiablage beginnt Ende März/Anfang April. Flügge Junge werden frühestens Anfang Juni, häufig erst Ende Juni/Anfang Juli festgestellt. Steppenmöwen beginnen ihre Brut tendenziell etwas früher als Silber- und Mittelmeermöwe. Nach der Brutzeit verbleiben Jung- und Altvögel teilweise noch mehrere Wochen im Brutgebiet und übernachten am Brutgewässer, mitunter werden die Brutgebiete aber auch gleich nach dem Flüggewerden der Jungen verlassen.
Die Steppenmöwe ist in Sachsen ganzjährig anzutreffen. Die Zugzeiten sind schwer abgrenzbar. Ab Juli fliegen Steppenmöwen in großer Zahl in Sachsen ein. Zunehmend überwintert die Art. Silber- und Steppenmöwen dominieren im Winter die sächsischen Großmöwen-Rastbestände. Seit mehreren Jahren nehmen im sächsischen Tiefland aber auch die Bestände übersommernder, (noch) nicht brütender Großmöwen zu (Steffens et al. 2013).
Die Brutplätze in Sachsen liegen überwiegend an größeren Seen der ehemaligen Braunkohlentagebaue um Leipzig und in der Lausitz (an der Grenze zu Brandenburg). Tagebaue werden auch schon in der frühen Flutungsphase besiedelt. Die Steppenmöwe brütet vor allem auf vegetationslosen oder spärlich bewachsenen Inseln und Halbinseln. Die Bodennester sind meist freistehend, werden aber auch unter Büschen und Pioniergehölzen angelegt. Zur Nahrungssuche werden Äcker (besonders frisch bearbeitete), kurzrasiges Grünland, Überschwemmungsbereiche, Schlammflächen, abgelassene Teiche, Mülldeponien und Abfallaufbereitungsanlagen aufgesucht. Größere Schlafplatzansammlungen treten vom Sommer bis zum Winter vor allem auf größeren Tagebauseen und Staugewässern auf. Der Aktionsradius um Brutkolonie oder Schlafgewässer kann bei Nahrungsflügen bis über 20 km betragen.
Fortpflanzungsstätten:
Die Fortpflanzungsstätte ist die Brutkolonie. An den Brutplätzen ist die Art besonders störungsempfindlich.
Ruhestätten:
Als nächtliche Schlafplätze werden meist freie Wasserflächen von Seen (im Gebiet vor allem Tagebauseen) aufgesucht. Zu- und Abflug erfolgen auf bestimmten Routen. Bei starkem Wind und als Tagesruheplätze zur Zugzeit werden auch Sandbänke, flachen Inseln, Spülflächen und Flächen mit niedrigem Grasbewuchs als Ruhestätten genutzt. Häufig kommt es zur Vergesellschaftung mit anderen Möwenarten.
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Offizieller Artensteckbrief des LfULG
Stand: 02.02.2022
Erstbearbeitung: 01.09.2016; Bearbeiter: Jörg Huth, Hans-Markus Oelerich (Halle);
Anpassung an die Arbeitshilfen für artenschutzrechtliche Bewertungen im Dezember 2021 und Januar 2022
Die Artensteckbriefe werden bei Bedarf fortlaufend aktualisiert.
Legende zum Artensteckbrief unter: https://www.natur.sachsen.de/artensteckbriefe-21889.html
Der Artensteckbrief ist Bestandteil der Arbeitshilfen für artenschutzrechtliche Bewertungen: https://www.natur.sachsen.de/arbeitshilfen-artenschutz-20609.html
Informationen zur Artengruppe für Sachsen: https://www.natur.sachsen.de/vogel-21259.html
Hinweise und Änderungsvorschläge zum Artensteckbrief bitte an:
Heiner.Blischke@smekul.sachsen.de