Raufußkauz
Artenschutzrechtlicher Schutzstatus: | SG (streng geschützt) |
Vogelschutzrichtlinie Schutzstatus: | VRL-Anh.I (Art des Anhang I der Vogelschutzrichtlinie) |
Rote Liste Deutschland: | * (derzeit keine Gefährdung) |
Rote Liste Sachsen: | * (derzeit keine Gefährdung) |
7 Unterarten werden unterschieden, davon kommt nur Aegolius funereus funereus in Mitteleuropa vor.
Der Raufußkauz ist eine mittelgroße Kleineule (etwa so groß wie ein Steinkauz und deutlich kleiner als ein Waldkauz). Er hat einen großen Kopf mit flachem Scheitel, einen markanten hellen Gesichtsschleier mit schwarzer Umrandung und recht große Augen mit gelber Iris („erstaunter“ Gesichtsausdruck). Altvögel sind oberseits braun und weiß getupft und gepunktet; unterseits sind sie weißlich und diffus bräunlich gefleckt. Die Weibchen sind schwerer als die Männchen, aber gleich gefärbt. Jungvögel haben ein einfarbig kaffeebraunes Gefieder mit auffälligen weißen Augenbrauen und Bartstreifen. Nur Flügel und Schwanz sind bei ihnen schon weiß gepunktet. Der etwa gleich große Steinkauz ähnelt dem Raufußkauz, lebt aber in der halboffenen Kulturlandschaft und nicht im Inneren größerer Waldgebiete wie der Raufußkauz. Der ähnliche Sperlingskauz kommt im gleichen Lebensraum vor wie der Raufußkauz, ist aber deutlich kleiner.
Der Raufußkauz ist Bewohner borealer Nadelwälder. In Mitteleuropa werden vor allem großflächig bewaldete Berglagen von der montanen bis zur subalpinen Stufe besiedelt, gebietsweise kommt die Art aber auch in Tieflandsbereichen vor. Der Lebensraum muss ein ausreichendes Höhlenangebot, deckungsreiche Tageseinstände (z. B. dichtes Geäst in Nadelbäumen) und kleinere unterholzfreie bzw. offene Bereiche zum Beuteerwerb bieten. Die Art brütet vor allem in reich strukturierten Nadelwäldern mit geringem Laubholzanteil (z. B. Altbucheninseln), aber auch in reinen Buchenwäldern und bei künstlichem Höhlenangebot selbst in monotonen Nadelholzforsten.
Der Raufußkauz ist ein Höhlenbrüter. Er nutzt gern Schwarzspechthöhlen und Nistkästen. Meist wird nur eine Jahresbrut durchgeführt, in guten Mäusejahren kann es aber auch zu einer Zweitbrut als Schachtelbrut kommen. Die Vollgelege enthalten 3-6 (2-8) Eier. Die Brutdauer ist abhängig von der Gelegegröße (je Ei 26-28 Tage, Bebrütung durch das Weibchen ab dem ersten Ei). Die Nestlingszeit beträgt 29-36 Tage.
Der Raufußkauz ernährt sich von Kleinsäugern (vor allem Wühlmäuse und Mäuse, daneben auch Spitzmäuse) und in geringerem Anteil auch von Kleinvögeln bis Drosselgröße.
Die Altvögel sind in Mitteleuropa überwiegend Stand- und Strichvögel. Jungvögel führen Dismigrationswanderungen durch (Zerstreuungswanderungen nach der Brutzeit, Abwandern aus dem Brutgebiet der Altvögel).
Der Raufußkauz besiedelt die borealen und teilweise auch die gemäßigten Zonen Eurasiens und Nordamerikas. In Eurasien erstreckt sich das geschlossene Areal von Fennoskandien und dem Baltikum bis zur Tschuktschen-Halbinsel. Weiter südlich gibt es noch einige isolierte Gebirgspopulationen z. B. in den Pyrenäen, im Kaukasus, Tien Shan, westlichen Himalaja und in Zentralchina. Der Verbreitungsschwerpunkt in Europa liegt in Skandinavien, im Baltikum und in Russland. In Mitteleuropa ist die Art hauptsächlich im natürlichen Fichtenareal (obere Berglagen bis zur Baumgrenze) verbreitet.
In Deutschland liegen die Verbreitungsschwerpunkte in den höheren Lagen der waldreichen Mittelgebirge. Ein weitgehend zusammenhängendes Verbreitungsgebiet erstreckt sich über die mittleren und östlichen Mittelgebirge (vom Sauerland und Siegerland über Hessisches Bergland, Vogelsberg, Spessart, Thüringer Wald, Vogtland bis Erzgebirge, Sächsische Schweiz und Zittauer Gebirge im Osten; bis Solling und Harz im Norden und bis Odenwald, Fränkische Alb und Bayerischer Wald im Süden). In Süddeutschland liegen separierte Schwerpunktvorkommen im Schwarzwald (bis Schwäbische Alb) und in den Bayerischen Alpen, im Südwesten sind in Pfälzer Wald und Eifel isolierte Teilpopulationen im Zuge einer Arealerweiterung neu entstanden. Im Norddeutschen Tiefland ist nur die Lüneburger Heide ein größerer Verbreitungsschwerpunkt und damit das bedeutendste Vorkommensgebiet außerhalb der Gebirgsregionen. Im Nordostdeutschen Tiefland kam es seit den 1980er Jahren zur Arealerweiterung und Neubesiedlung vieler Gebiete (z. B. Mecklenburger Seenplatte, Colbitz-Letzlinger Heide, Fläming, Lieberoser Hochfläche, Südbrandenburg, Ostsachsen).
Die aktuelle Deutschland-Verbreitung des Raufußkauzes gleicht sehr stark der des Sperlingskauzes, letzterer besetzt jedoch weniger Vorkommen im Tiefland.
günstig
Anteil Sachsen am deutschen Brutbestand: 6,4 %
Jahresvogelaspekt
Methodik, Wertungsgrenzen und Zeitraum der Brutvogelerfassung gemäß Südbeck et al. (2005)
Hinweise: Verwendung einer Klangattrappe hauptsächlich in schlechten Mäusejahren notwendig; Nachweise abseits der bekannten Brutvorkommen sollten der zuständigen Unteren Naturschutzbehörde oder dem Landesamt für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie sowie der Avifaunistischen Kommission Sachsen (AKS) gemeldet werden.
Indigene, Ureinheimische (Reproduktion)
Brutvogel
Jahresvogel, Standvogel
Nein
deutliche Zunahme
deutliche Zunahme
Brutbestand in Sachsen (nach Steffens et al. 2013):
1978-1982: 120-200 BP (Brutvogelkartierung 1)
1993-1996: 200-300 BP (Brutvogelkartierung 2)
2004-2007: 300-500 BP (Brutvogelkartierung 3)
2016: 200-400 BP (Expertenschätzung)
Rufende Raufußkäuze sind ab Februar zu hören, der Höhepunkt der Balz liegt im März, unverpaarte Männchen können bis Juni andauernd rufen. Die Eiablage beginnt Anfang März (in tieferen Lagen; in Höhenlagen später). Es wird eine Jahresbrut durchgeführt, Nachgelege (bis Anfang Juli) kommen jedoch vermutlich häufiger vor. Zu einer Herbstbalz kommt es vor allem im September, jedoch deutlich weniger ausgeprägt als bei Wald- und Sperlingskauz (Steffens et al. 2013).
Der Raufußkauz besiedelt in Sachsen vor allem die oberen Berglagen, in Ostsachsen hat er sich in den letzten 30 Jahren auch in waldreichen Gebieten im Hügel- und Tiefland ausgebreitet (z. B. Radeburger-Laußnitzer Heide, Dresdener Heide, Oberlausitzer Heide- und Teichgebiet, Muskauer Heide). Er bewohnt im Bergland bevorzugt reich strukturierte Fichten- und Fichten-Buchen-Wälder und im Tiefland Kiefernwälder mit Fichtenanteilen und Altbucheninseln. Die Art benötigt ein kleinflächiges Mosaik aus Althölzern, Dickungen und Blößen. Zur Brut werden häufig Schwarzspechthöhlen in überwiegend 120- bis 250jährigen Rotbuchen genutzt. Größere Buchenbestände werden meist nur im Übergangsbereich zum Nadelwald besiedelt. Im Tiefland werden nicht selten auch Kiefern als Brutbaum genutzt. Bruten finden (ausnahmsweise) auch in kleinen Restwäldern oder in Bäumen und Baumgruppen in geringer Entfernung zum Wald statt. Nistkästen werden gern angenommen und können die Ansiedlung in höhlenarmen Nadelholzforsten begünstigen.
Fortpflanzungsstätten:
Die Fortpflanzungsstätte ist die Bruthöhle (oder das Revierzentrum) und deren unmittelbare Umgebung (ca. 100-200m-Umkreis), in der Balz, Paarung, Nächtigen, Tagesruhe sowie Fütterung der Ästlinge schwerpunktmäßig stattfinden (z. B. höhlenreicher Altholzbestand mit Bruthöhle, Schlafhöhlen und deckungsreichen Ruheplätze in jüngeren Nadelbäumen in unmittelbarer Nachbarschaft).
Ruhestätten:
Ruhestätten sind die Bruthöhle, Schlafhöhlen und deckungsreiche Ruheplätze in jüngeren Nadelbäumen, insbesondere Fichten. Sie sind auch Bestandteil der Fortpflanzungstätte.
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Offizieller Artensteckbrief des LfULG
Stand: 02.02.2022
Erstbearbeitung: 22.09.2016; Bearbeiter: Jörg Huth, Hans-Markus Oelerich (Halle), Dr. Matthias Weber (Heidenau), Heiner Blischke (LfULG)
Anpassung an die Arbeitshilfen für artenschutzrechtliche Bewertungen im Dezember 2021 und Januar 2022
Die Artensteckbriefe werden bei Bedarf fortlaufend aktualisiert.
Legende zum Artensteckbrief unter: https://www.natur.sachsen.de/artensteckbriefe-21889.html
Der Artensteckbrief ist Bestandteil der Arbeitshilfen für artenschutzrechtliche Bewertungen: https://www.natur.sachsen.de/arbeitshilfen-artenschutz-20609.html
Informationen zur Artengruppe für Sachsen: https://www.natur.sachsen.de/vogel-21259.html
Hinweise und Änderungsvorschläge zum Artensteckbrief bitte an:
Heiner.Blischke@smekul.sachsen.de