Rotrückenwürger
Artenschutzrechtlicher Schutzstatus: | BG (besonders geschützt) |
Vogelschutzrichtlinie Schutzstatus: | VRL-Anh.I (Art des Anhang I der Vogelschutzrichtlinie) |
Rote Liste Deutschland: | * (derzeit keine Gefährdung) |
Rote Liste Sachsen: | * (derzeit keine Gefährdung) |
Es werden 2 Unterarten unterschieden: Lanius collurio collurio (von Europa bis zum Altai vorkommend) und L. c. kobylini (von der Osttürkei bis zum Kaukasus und Nordiran verbreitet).
Der Neuntöter ist kleiner als ein Star. Die Geschlechter sind unterschiedlich gefärbt. Adulte Männchen haben einen grauen Oberkopf, Nacken und Bürzel, einen rotbraunen Rücken, eine hell rosafarbene Bauchseite und einen schwarzen Schwanz mit weißen Basalflecken. Über die Augen verläuft eine schwarze Gesichtsmaske. Adulte Weibchen sind oberseits variabel bräunlich gefärbt und unterseits rahmfarben mit dunkler Querbänderung. Ihre Augenmaske ist dunkelbraun, ebenso der Schwanz, der zudem schmale helle Seitenkanten hat. Die Jungvögel ähneln den Weibchen, sind aber oberseits stärker rötlich gefärbt und gebändert.
Der Neuntöter brütet in offenen und halboffenen Landschaften, die reich strukturiert und thermisch begünstigt sind. Er benötigt Sträucher bzw. aufgelockerte Gebüschgruppen als Neststandort und Ansitzwarten sowie Flächen mit fehlender bzw. kurzrasiger Vegetation zur Nahrungssuche. Als Neststandorte werden bevorzugt Dornensträucher gewählt. In Mitteleuropa kommt er besonders in extensiv genutzten Kulturlandschaften vor (Trocken- und Magerrasen, Heidegebiete, Heckenlandschaften, Weinberge, Streuobstwiesen). Darüber hinaus werden gebüschreiche Feldgehölze und Waldränder, Gebüschbrachen, Truppenübungsplätze, Bergbaufolgelandschaften, Ödland, Kahlschläge, Windwurfflächen, Jungwüchse und verwilderte Gärten besiedelt.
Der Neuntöter führt eine Jahresbrut durch. Die Vollgelege enthalten 4-7 Eier. Nach einer Brutdauer von 14-16 Tagen schlüpfen die Jungvögel. Die Nestlingszeit beträgt 13-15 Tage.
Die Art hat ein breites Beutespektrum an Kleintieren und weist ein dementsprechendes Repertoire an Jagdtechniken auf. Meist werden von Warten aus Insekten, Spinnen und Kleinsäuger erbeutet. Insekten stellen den Hautanteil der Nahrung. Besonders in Jahren von Feld- oder Erdmaus-Gradationen werden jedoch auch Kleinsäuger in größerem Umfang bejagt.
Der Neuntöter ist ein Langstreckenzieher und überwintert im südöstlichen Afrika (von Uganda und Südkenia bis Südafrika).
Das Brutareal des Neuntöters erstreckt sich vom Norden der Iberischen Halbinsel bis nach Westsibirien. Europa ist vom südlichen Fennoskandien bis zum Mittelmeerraum großflächig besiedelt, die Art fehlt jedoch auf den Britischen Inseln und im Südteil der Iberischen Halbinsel. Die größten europäischen Bestände gibt es in Ost- und Südosteuropa.
In Deutschland kommt der Neuntöter nahezu flächendeckend vor, nur im Nordwesten dünnt die Besiedlung mit größeren Verbreitungslücken (Marschen, Westfälische Bucht, Osnabrücker Hügelland, Niederrheinisches Tiefland) stark aus. Besiedlungsschwerpunkte sind das Nordostdeutsche Tiefland und weite Bereiche der Mittelgebirgsregionen. Das Nordwestdeutsche Tiefland und das Alpenvorland sind in geringerer Dichte besiedelt.
günstig
Anteil Sachsen am deutschen Brutbestand: 10,1 %
Brutvogelaspekt
Methodik, Wertungsgrenzen und Zeitraum der Brutvogelerfassung gemäß Südbeck et al. (2005)
Indigene, Ureinheimische (Reproduktion)
Brutvogel, Gastvogel
Sommervogel, Durchzügler
Nein
Brutbestand in Sachsen (nach Steffens et al. 2013):
1978-1982: 3000-6000 BP (Brutvogelkartierung 1)
1993-1996: 6000-12000 BP (Brutvogelkartierung 2)
2004-2007: 8000-16000 BP (Brutvogelkartierung 3)
2016: 8000-16.000 BP (Expertenschätzung)
Die Ankunft in den sächsischen Brutgebieten liegt aktuell zwischen Anfang April und Anfang Mai (im Mittel 25.04.). Der Heim- bzw. Durchzug klingt bis Ende Mai aus. Die Brutzeit in Sachsen erstreckt sich von Anfang/Mitte Mai bis Ende August/Anfang September mit Schwerpunkt Ende Mai bis Ende Juli. Es findet in der Regel nur eine Jahresbrut statt, danach lösen sich die Familienverbände auf. Der Wegzug aus den Brutgebieten beginnt im August (mit Schwerpunkt Ende August) und klingt ab Mitte September aus (im Oktober nur noch vereinzelt, Letztbeobachtungen Anfang November) (Steffens et al. 2013).
Der Neuntöter besiedelt offenes bis halboffenes, möglichst störungsarmes Gelände mit ausgeprägten Grenzstrukturen und reichem Nahrungsangebot (Großinsekten), meist in sonnigen Lagen. Voraussetzung ist das Vorhandensein von zumindest einzelnen Büschen oder niedrigen Bäumen. Als Brutplatz werden bevorzugt Dornensträucher genutzt. Ersatzstrukturen für Brutplätze können auch Abfallholz- und Reisighaufen oder Brennnesselbestände sein. Sitzwarten sind neben Gehölzen auch Pfähle, Masten, Leitungsdrähte oder Zäune. Der Neuntöter brütet vor allem in strukturreichen Feldgehölz- und Heckenlandschaften (im Bergland vor allem in Südhangbereichen), auf Gebüschbrachen, auf ehemaligen Truppenübungsplätzen, in Bergbaufolgelandschaften, am Rande von Abgrabungen, auf Freiflächen im Wald (Lichtungen, Schneisen, Stromtrassen, Kahlschläge, Windbrüche, Jungwüchse) und an gebüschreichen Waldrändern. Er kommt auch auf feuchten und nassen Standorten (Moore, Feuchtwiesen, Ränder von Teichen und Verlandungszonen) sowie in den Kammlagen des Erzgebirges vor.
Fortpflanzungsstätten:
Die Fortpflanzungsstätte ist das gesamte Brutrevier. Der Raumbedarf zur Brutzeit beträgt < 0,1 bis > 3 ha. Die kleinsten Reviere befinden sich in der Regel an Linearstrukturen (z. B. Hecken) (Flade 1994). Das Nest (in Dornsträuchern und kleinen Bäumen) wird jedes Jahr neu gebaut. Die Brutortstreue kann bei älteren Männchen ausgeprägt sein (BAUER et al. 2005).
Ruhestätten:
Ruhestätten liegen zur Brutzeit innerhalb des Brutreviers. Neuntöter ruhen in (Dorn-)Sträuchern und kleinen Gehölzen. In den ersten Tagen nach dem Ausfliegen der Jungvögel übernachten diese noch in Nestnähe (Stiefel 1979).
Bauer, H.-G.; Bezzel, E. & Fiedler, W. (2005): Das Kompendium der Vögel Mitteleuropas. Alles über Biologie, Gefährdung und Schutz. Band 2: Passeriformes - Sperlingsvögel, 2. Aufl., Wiebelsheim.
Flade, M. (1994): Die Brutvogelgemeinschaften Mittel- und Norddeutschlands. IHW-Verlag, Eching.
Gedeon, K.; Grüneberg, C.; Mitschke, A.; Sudfeldt, C.; Eikhorst, W.; Fischer, S.; Flade, M.; Frick, S.; Geiersberger, I.; Koop, B.; Kramer, M.; Krüger, T.; Roth, N.; Ryslavy, T.; Stübing, S; Sudmann, S. R.; Steffens, R.; Vökler, F. & Witt, K. (2014): Atlas Deutscher Brutvogelarten. Atlas of German Breeding Birds. Stiftung Vogelmonitoring Deutschland und Dachverband Deutscher Avifaunisten (Hrsg.), Münster.
Glutz von Blotzheim, U. N. & Bauer, K. M. (1993): Handbuch der Vögel Mitteleuropas. - Bd. 13/II Passeriformes (4. Teil). Wiesbaden.
Hagemeijer, W. J. M. & Blair, M. J. (eds.) (1997): The EBCC Atlas of European Breeding Birds: Their distribution and abundance. London.
Steffens, R.; Nachtigall, W.; Rau, S.; Trapp, H. & Ulbricht, J. (2013): Brutvögel in Sachsen. Sächsisches Landesamt für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie, Dresden. (als PDF-Dateien unter Brutvögel in Sachsen, Seiten 1-247 sowie S. 248-436 bzw. S. 437-656)
Steffens, R.; Saemann, D. & Grössler, K. (Hrsg.) (1998): Die Vogelwelt Sachsens. Gustav Fischer Verlag, Jena.
Stiefel, A. (1979): Ruhe und Schlaf bei Vögeln. Die Neue Brehm-Bücherei 487. Ziemsen-Verlag, Wittenberg.
Südbeck, P.; Andretzke, H.; Fischer, S.; Gedeon, K.; Schikore, T.; Schröder, K. & Sudfeldt, C. (Hrsg.) (2005): Methodenstandards zur Erfassung der Brutvögel Deutschlands. Radolfzell.
Südbeck, P.; Bauer, H.-G.; Boschert, M.; Boye, P. & Knief, W. (2007): Rote Liste der Brutvögel Deutschlands, 4. Fassung, 30. November 2007. Ber. Vogelschutz 44: 23-81.
Zischewski, M. (2004): Untersuchungen zur Besiedlung einer rekultivierten Tagebaufläche durch den Neuntöter Lanius collurio. Actitis 39: 37-64.
Offizieller Artensteckbrief des LfULG
Stand: 02.02.2022
Erstbearbeitung: 23.09.2016; Bearbeiter: Jörg Huth, Hans-Markus Oelerich (Halle), Dr. Matthias Weber (Heidenau)
Anpassung an die Arbeitshilfen für artenschutzrechtliche Bewertungen im Dezember 2021 und Januar 2022
Die Artensteckbriefe werden bei Bedarf fortlaufend aktualisiert.
Legende zum Artensteckbrief unter: https://www.natur.sachsen.de/artensteckbriefe-21889.html
Der Artensteckbrief ist Bestandteil der Arbeitshilfen für artenschutzrechtliche Bewertungen: https://www.natur.sachsen.de/arbeitshilfen-artenschutz-20609.html
Informationen zur Artengruppe für Sachsen: https://www.natur.sachsen.de/vogel-21259.html
Hinweise und Änderungsvorschläge zum Artensteckbrief bitte an:
Heiner.Blischke@smekul.sachsen.de