Artenschutzrechtlicher Schutzstatus: | BG (besonders geschützt) |
Rote Liste Deutschland: | u |
Rote Liste Sachsen: | u |
In Deutschland nur die Nominatform A. f. fragilis. Sie wird in Osteuropa von der Unterart A. f. colchicus Nordmann, 1840 abgelöst.
Als beinlose Echse ist die Blindschleiche höchstens mit Schlangen verwechselbar, sie ist jedoch weitaus weniger beweglich und viel langsamer in der Fortbewegung. Die Tiere erreichen Körperlängen von 40 bis 45 cm, wobei zwei Drittel auf den Schwanz entfallen. Der Körper ist drehrund, glatt und von regelmäßig angeordneten glänzenden Schuppen bedeckt. Der vom Hals nicht abgesetzte Kopf ist relativ klein und hoch, der Rumpf walzenförmig. Blindschleichen besitzen eine zweizipfelige relativ kurze Zunge und nach hinten gekrümmte spitze Zähne. Die Augen sind durch bewegliche Lider verschließbar.
Die Grundfärbung ist sehr variabel, sie kann oberseits hellgrau, bleigrau, graubraun, braun, zimt-, bronze- oder kupferfarben sein, unterseits ist sie meist schwarzgrau bis blaugrau gefärbt. Die Körperseiten sind gewöhnlich heller als der Rücken, auf dem ein Längsstreifen oder Punkt- und Strichreihen auftreten können. Der Schwanz kann abgeworfen und teilweise regeneriert werden, (erreicht dann nicht mehr die Ursprungslänge).
Die Blindschleiche ist überwiegend in den Morgen- und Abendstunden aktiv (ca. 4:00–10:00 Uhr und 18:00 bis 21:00 Uhr MESZ), möglicherweise auch regelmäßig in warmen Sommernächten. Als Tagesverstecke werden vor allem Erdlöcher, Hohlräume unter Steinen und Holz, Laubansammlungen und Rottehaufen aufgesucht. Sie besitzt mit einer Vorzugstemperatur von etwa 23 °C ein geringeres Wärmebedürfnis als die anderen heimischen Reptilien und ist somit weniger auf direktes Aufwärmen an der Sonne angewiesen. Dagegen wird die Möglichkeit der Thermoregulation durch Körperkontakt zu aufgeheizten Materialien (Thigmothermie) häufiger genutzt als bei anderen Arten.
Die Überwinterung erfolgt gesellig in trockenen, frostfreien Erdlöchern, die teilweise sogar selbst von den Tieren gebohrt werden. Sie verlassen die Winterquartiere im März/April. Paarungen finden ab April bis in den Frühsommer hinein statt. Sie gebären voll entwickelte Jungtiere, die hauptsächlich in den Monaten August und September abgesetzt werden. Pro Weibchen werden meist 6–15 Jungtiere geboren.
Die Nahrung der Blindschleiche besteht zu 90 % aus Nacktschnecken und Regenwürmern, die im Ganzen verschluckt werden. Vereinzelt werden auch Schmetterlingsraupen, Blattwespenlarven, Käferlarven, Heuschrecken, Asseln und Spinnen gefressen.
Als Prädatoren spielen verschiedene Säugetiere (v. a. Fuchs, Dachs, Marder, Iltis, Hermelin, Igel, Hauskatze und Wildschwein), Vögel (Mäusebussard, Weißstorch, Krähenvögel u.a.) und die Schlingnatter eine größere Rolle. Jungtiere werden auch von anderen Reptilien, Erdkröten oder sogar großen Laufkäfern erbeutet. Bei Gefahr bzw. beim Ergreifen durch einen Prädator kann nach Eidechsenart der Schwanz abgeworfen werden. Zu Populationsgrößen und Bestandsdichten liegen nur wenige verwertbare Untersuchungsergebnisse vor. Für verschiedene Habitattypen werden Werte zwischen 7 und 31 Individuen/Hektar angegeben (Völkl & Alfermann 2007). Sehr spärlich sind auch Informationen zur Nutzung von Teillebensräumen und Wanderungen. Erwachsene Tiere sind vermutlich weitgehend ortstreu mit einem Aktivitätsradius von ca. 30–50 m. Neue Habitate werden wohl überwiegend durch subadulte Tiere besiedelt.
Die Blindschleiche ist die in Europa am weitesten verbreitete Reptilienart. Ihr Areal zieht sich von der Iberischen Halbinsel nach Osten bis Westsibirien und über die kleinasiatische Schwarzmeerküste bis zum Kaspischen Meer. Sie fehlt in wenigen Randgebieten Europas, so im südlichen Iberien, auf den meisten Mittelmeerinseln, Irland, in Nordskandinavien, Nordfinnland und dem Norden des europäischen Russlands.
günstig (Gutachterliche Bewertung)
Allgemeine Verantwortlichkeit
Nachweise der sehr versteckt lebenden und dämmerungsaktiven Blindschleiche gelingen tagsüber nur durch Zufall oder bei gezielter Suche an den Versteckplätzen. Die Tiere lassen sich unter verschiedenen Materialien finden, die als Thermoregulations- und Versteckplätze genutzt werden, z. B. Steine, Holzstücke, Müllgegenstände oder speziell ausgelegte künstliche Verstecke (Bretter, Bleche, Dachpappestreifen oder Kunststoffmatten). Durch Auslegen solcher Materialien kann die Zahl der Nachweise stark erhöht werden. Auch beim Einsatz künstlicher Verstecke sind mindestens 4–5 Kontrollen im Jahr notwendig, um Anwesenheit oder Fehlen möglichst sicher abschätzen zu können.
Indigene, Ureinheimische (Reproduktion)
mäßiger Rückgang
Die Blindschleiche ist in Sachsen flächendeckend verbreitet und vom Tiefland bis in die Gipfellagen des Erzgebirges anzutreffen. Lokale Verbreitungslücken bestehen nur in einigen waldarmen, stark agrarisch genutzten Landschaften, z. B. in der Lommatzscher Pflege, in Teilen der Großenhainer Pflege und auf der Delitzscher Platte nördlich Leipzig. Aktuelle Lücken bestehen auch in bisher noch nicht wiederbesiedelten Bergbaufolgelandschaften des Mitteldeutschen und Lausitzer Revieres.
In Sachsen wurde für 3 Zeitperioden die Rasterfrequenz der Nachweise ermittelt:
1945–1989: 427 MTBQ (65,9 %)
1990–1999: 338 MTBQ (52,2 %)
2000–2012: 433 MTBQ (66,8 %)
Die Anzahl real besiedelter Raster muss für alle 3 Zeitperioden als wesentlich höher eingeschätzt werden, da manche Raster nicht oder nur unvollständig bearbeitet wurden. Außerdem ist zu berücksichtigen, dass Funde der Blindschleiche wegen ihrer Häufigkeit von vielen Beobachtern nicht konsequent erfasst und gemeldet wurden.
Jungtiere treten von (Anfang) Ende Juli bis Mitte September (Mitte Oktober) auf. Gelegentlich können einzelne Tiere auch in den Wintermonaten gefunden werden. So liegen aus Sachsen auch einige Dezember- und Januarfunde vor.
Fortpflanzungsstätten: Die Blindschleiche besiedelt eine Vielzahl sehr unterschiedlicher Lebensräume. Diese müssen ein Mindestmaß an deckungsreicher Vegetation und ausreichend Tagesverstecke, geschützte Sonnplätze und Überwinterungsmöglichkeiten bieten. Außerdem muss eine gewisse Bodenfeuchtigkeit gegeben sein, die eine entsprechende Mindestdichte der Hauptnahrungstiere (Nacktschnecken und Regenwürmer) gewährleistet. Geeignete Habitate sind verschiedene Typen von Laub- und Mischwäldern sowie strukturreiche Forstbestände (auch Kiefern-/Fichtenforste). In Waldlebensräumen ist die Art nicht in so hohem Maße von besonnten Randstrukturen abhängig wie es bei Kreuzotter oder Waldeidechse der Fall ist, sie kann auch in fast durchgängig geschlossenen Beständen vorkommen. Die Blindschleiche besiedelt darüber hinaus nahezu alle halboffenen Lebensräume, insbesondere Gehölzsäume, Waldblößen, Freileitungstrassen, Moorränder, Zwergstrauchheiden, Hecken und Steinrücken, Abgrabungsbiotope und die Randlagen von Siedlungen. Sie dringt über Parkanlagen, Gärten, Industriebrachen und Nebenflächen von Bahnanlagen bis weit in den städtischen Siedlungsraum vor und kann als Kulturfolger gelten. Gemieden werden dagegen strukturarme Landwirtschaftsflächen, außerdem Orte mit einem sehr hohen Bebauungs- und Versiegelungsgrad.
Hinweise zur Abgrenzung von Populationen: Die Abgrenzung der Lokalen Population sollte anhand der Grenzen vorhandener Biotopstrukturen erfolgen (z. B. Fläche eines Gehölzes, Teil eines Waldgebietes oder Abbaugebietes etc.).
Systematische quantitative Erfassungen von Populationen als Grundlage einer Beurteilung von Bestandsveränderungen liegen praktisch nicht vor. Vermutlich hat die Art keine erheblichen Arealeinbußen in Sachsen erlitten. Trotzdem ist in lokalen Populationen eine Abnahme der Individuendichten aufgrund anthropogener Einflüsse beobachtet worden.
Offizieller Artensteckbrief des LfULG; Stand: 10.02.2014;
Bearbeiter: Marko Olias und Dr. André Günther (Naturschutzinstitut Freiberg);
Hinweise und Änderungsvorschläge bitte an: Holger.Lueg@smul.sachsen.de
Legende zum Artensteckbrief unter: http://www.umwelt.sachsen.de/umwelt/natur/22872.htm;
Informationen zur Artengruppe für Sachsen: http://www.umwelt.sachsen.de/umwelt/natur/22989.htm