Vipera berus (Linnaeus, 1758) / Kreuzotter

Rechtlicher Schutz und Rote Liste


Artenschutzrechtlicher Schutzstatus:BG (besonders geschützt)
Rote Liste Deutschland:2 (stark gefährdet)
Rote Liste Sachsen:2 (stark gefährdet)

Allgemeine Arteninformationen


Taxonomie

In Deutschland nur die Nominatform V. b. berus, im Südosten Mitteleuropas (Slowenien, Südwestungarn) schließt sich die Unterart V. b. bosniensis Boettger, 1889 an.

Kennzeichen

Mit einer Gesamtlänge von 60–75 cm, in Ausnahmefällen auch bis 85 cm, die kleinste Schlangenart in Sachsen. In der Grundfarbe ist sie außerordentlich variabel, sie kann von braun, grau, sandgelb, kupferrot, olivgrün, blaugrau, silbergrau, lichtblau bis völlig schwarz gefärbt sein. Meist ist eine markante Rückenzeichnung ausgebildet (außer bei den komplett schwarzen Exemplaren), die aus einem Zickzack-, Rauten- oder Wellenband besteht, am Hinterkopf ist oft eine X-Zeichnung oder eine spitzwinklige Figur vorhanden.

Verwechslungsgefahr besteht besonders mit der Schlingnatter, jedoch besitzt die Kreuzotter stets eine senkrecht schlitzförmige Pupille, der Kopf ist deutlicher vom Hals abgesetzt, auf dem Kopf befinden sich viele kleine Schilder, die Schnauze ist hoch und wird oben von einer Kante begrenzt.

Biologie und Ökologie

Die Kreuzotter ist ein typischer Bewohner der besonnten Grenzlinien zwischen höherer Vegetation und offenen Lebensräumen. Wichtige Habitatstrukturen stellen geschützte Sonnplätze dar, die nach und vor der Winterruhe sowie regelmäßig in den Morgenstunden aufgesucht werden. Die Winterruhe wird in Mitteleuropa i. d. R. um die Monatswende März/April bei Temperaturen über 8 °C beendet. Daraufhin halten sich die Tiere relativ stationär in der Nähe des Winterquartiers auf, in dieser Zeit reifen bei den Männchen die Spermien, parallel dazu wird eine Häutung angeregt. Die etwa 3–5 Wochen dauernde Paarungszeit beginnt Mitte/Ende April, danach wandern die Männchen in die Sommerlebensräume, die Weibchen bleiben am Paarungsplatz, der in der Folge meist als Brutplatz dient. Die meisten Jungtiere werden zwischen Mitte August und Mitte September geboren (keine Eiablage). In sommerlichen Hitzeperioden können die Tiere zu nächtlicher Lebensweise übergehen.

Ab Ende August verlassen die Männchen die Sommerlebensräume und wandern zu den Frühjahrssonnplätzen zurück. Vor der Winterruhe sonnen sich die Tiere nochmals intensiv über einen längeren Zeitraum.

Erwachsene Ottern ernähren sich vor allem von Eidechsen, Fröschen und Kleinsäugern, juvenile Tiere leben meist von Braunfröschen und Waldeidechsen. Als Prädatoren der Art spielen Säugetiere (Wildschwein, Igel, Iltis) und einige Greifvogelarten eine Rolle.

Individuendichten der Kreuzotter werden aus Deutschland mit 1–4 Individuen/Hektar angegeben, sie sind jedoch stark von der Lebensraumausstattung und der Nahrungsverfügbarkeit abhängig. Legt man die Gesamtfläche des betrachteten Raumes zu Grunde, und nicht nur die tatsächlich für Kreuzottern bewohnbare Fläche, sind die realen Individuendichten bis zu einer Zehnerpotenz niedriger anzusetzen.

Auf den saisonalen Wanderungen zwischen Frühjahrssonnplatz und Sommerlebensraum legen die Tiere Strecken von wenigen Hundert bis zu 1500 m zurück. Sie durchqueren dabei auch Lebensräume, die nicht regelmäßig genutzt werden. Die individuell genutzten Reviere schwanken in ihrer Ausdehnung saisonal. Für Sommerreviere wurden Flächen bis etwa 2 ha ermittelt, für Frühjahrssonnplätze bis etwa 1 ha.

Überregionale Verbreitung

Die Kreuzotter hat ein sehr großes Verbreitungsgebiet, das von Westeuropa (Frankreich, Großbritannien) über Nord- und Ostasien bis nach Sachalin reicht. In Nordeuropa geht die Art bis über den Polarkreis hinaus. Die Alpen bilden im Südwesten die südliche Arealgrenze, auf der nordwestlichen Balkanhalbinsel erreicht die Art das Mittelmeer, fehlt aber weiter südlich im größten Teil Albaniens und Griechenlands.

In Deutschland kommt die Kreuzotter im Norddeutschen Tiefland, den östlichen Mittelgebirgen (v. a. Erzgebirge, Thüringer Wald, Rhön, Fichtelgebirge, Bayerischer Wald), im Schwarzwald, auf der Schwäbischen Alb und im Alpenraum vor. Große Teile von Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Hessen und dem Saarland sind nicht besiedelt, ebenso das nördliche Baden-Württemberg sowie die nordwestlichen und zentralen Teile Bayerns.

Erhaltungszustand


Erhaltungszustand

ungünstig-unzureichend (Gutachterliche Bewertung)

Hinweise Erhaltungszustand

In nahezu allen Landschaftsräumen ist ein deutlicher Rückgang der Fundorte und der Häufigkeiten nachzuweisen. Die Individuenzahlen mehrerer Vorkommen sind nur noch sehr gering, sie stehen an der Schwelle des Erlöschens. Selbst in bis vor kurzem individuenstarken Populationen, bspw. im NSG am Zechengrund (Teufert 2010), wurden aktuell nur noch wenige Tiere nachgewiesen.

Prüfung und Erfassung


Verantwortlichkeit

Allgemeine Verantwortlichkeit

Untersuchungsstandards

Nachweise der Kreuzotter sind am leichtesten während der Sonnphasen im Frühjahr, später im Jahr in den Morgenstunden von ca. 7–10 Uhr möglich. Nachweise an den Frühjahrssonnplätzen lassen auch Rückschlüsse auf nahegelegene Winterquartiere zu. Im Sommerlebensraum ist die Art häufig nur schwer nachweisbar, günstig sind hier Begehungen in Sonnphasen unmittelbar nach starken Regenfällen.

Untersuchungen in Kreuzotterhabitaten sollten mindestens 4–5 Kontrollen im Jahr umfassen, um Anwesenheit oder Fehlen abschätzen zu können. Besonders bei Verdacht auf individuenschwache Populationen kann ein deutlich höherer Erfassungsaufwand in potenziell geeigneten Habitaten notwendig werden.

Ergänzende Nachweismöglichkeiten stellen Totfunde an Verkehrswegen und Funde von Natternhemden dar. Bei Mangel an natürlichen Versteckmöglichkeiten können auch künstliche Verstecke („Schlangenbretter“) ausgebracht und regelmäßig kontrolliert werden.

Sonstige Arten-Attribute

  • Zielart Biotopverbund (Bundesland)

Vorkommen


Status Etablierung

Indigene, Ureinheimische (Reproduktion)

Langfristiger Bestandstrend

  • sehr starker Rückgang
  • starker Rückgang

Kurzfristiger Bestandstrend

starke Abnahme

Bestand

Die Kreuzotter ist in Sachsen vom Tiefland bis in die Gipfellagen des Erzgebirges verbreitet, weist jedoch regional größere Verbreitungslücken auf. Schwerpunkte der Besiedlung liegen im gesamten Bergland, dem ostsächsischen Heideland (besonders Oberlausitzer Heide- und Teichgebiet, Königsbrück-Ruhlander Heiden) und im Gebiet der Vereinigten Mulde südöstlich von Leipzig.

Weite Bereiche des Lössgefildes in Mittelsachsen, im Norden des Leipziger Landes, in der Lommatzscher und Großenhainer Pflege sowie im Oberlausitzer Gefilde sind nicht von der Kreuzotter besiedelt.

In Sachsen wurde für 3 Zeitperioden die Rasterfrequenz der Nachweise ermittelt:

1945–1989: 335 MTBQ (51,7 %)

1990–1999: 201 MTBQ (31,0 %)

2000–2012: 203 MTBQ (31,3 %)

Die Anzahl real besiedelter Raster muss für alle 3 Zeitperioden als höher eingeschätzt werden, da manche Raster nicht oder nur unvollständig bearbeitet wurden. Allerdings werden Funde der Kreuzotter überdurchschnittlich oft erfasst und gemeldet.

Für den Zeitraum ab 2000 fand eine intensive Recherche von Nachweisen statt, so dass von einem höheren Erfassungsgrad als in den vorherigen Perioden ausgegangen werden muss. Die geringe Rasterfrequenz ab 2000 belegt somit einen deutlichen Rückgang der Art.

Vorkommenskarte

Vorkommenskarte

Naturraumkarte

Naturraumkarte

Phänologie


Phänogramm

Phänogramm

Erläuterung Phänologie

Jungtiere treten von (Anfang) Mitte August bis Anfang (Ende) Oktober auf. Einzelne Tiere können bei Warmwetterphasen im Dezember oder Januar ihre Winterquartiere verlassen und sich sonnen.

Lebensraum


Lebensräume: Die Kreuzotter besiedelt strukturreiche Offen- und Halboffenlandschaften sowie lichte Waldhabitate, die im Verbund mit offenen Strukturen stehen. Häufig sind dies Hoch- und Übergangsmoore, besonnte Waldsäume und -wege, Waldlichtungen, Kahlschläge, Freileitungstrassen, junge Aufforstungen, Zwergstrauchheiden, Bergwiesen, grünlanddominierte Hecken- und Steinrückenlandschaften, Ränder von Nasswiesen, Verlandungszonen von Teichen, Felsformationen, Steinbrüche, Teich- und Bahndämme. Sie dringt nur selten entlang von Bahnlinien oder auf Industriebrachen in städtische Lebensräume vor. Intensiv genutzte Landwirtschaftsflächen werden nicht besiedelt.

Notwendig sind geeignete Überwinterungsquartiere und Tagesverstecke in Erdlöchern und Kleinsäugerbauten, unter Steinen oder Holz, die sich in der Nähe von Sonnplätzen (Baumstubben, Reisighaufen, Altgrasbestände, flächige Moospolster u. ä.) befinden.

Hinweise zur Abgrenzung von Populationen: Die Abgrenzung der Lokalen Population sollte anhand der Grenzen vorhandener Biotopstrukturen erfolgen (z. B. Moorkomplex, besonnter Bahndammabschnitt, etc.). Dabei ist der räumliche Verbund zwischen Winterquartieren und benachbarten Frühjahrs- und Herbstlebensräumen und den Sommerlebensräumen zu beachten. Als potenzielles Einzugsgebiet der Lokalen Population kann aufgrund festgestellter Wanderdistanzen ein Radius von mind. 1500 m um das Habitat angenommen werden.

Habitatkomplexe

  • Bergbaubiotope
  • Fels-/Gesteins-/Offenbodenbiotope
  • Feuchtgrünland, Staudenfluren
  • Gebäude, Siedlungen
  • Gehölze, Baumbestand
  • Grünland, Grünanlagen
  • Heiden, Magerrasen
  • Moore
  • Ruderalfluren, Brachen
  • Stillgewässer inkl. Ufer
  • Sümpfe, Niedermoore, Ufer
  • Wälder

Habitatkomplexe Reproduktion

  • Bergbaubiotope
  • Fels-/Gesteins-/Offenbodenbiotope
  • Feuchtgrünland, Staudenfluren
  • Gehölze, Baumbestand
  • Grünland, Grünanlagen
  • Heiden, Magerrasen
  • Moore
  • Ruderalfluren, Brachen
  • Stillgewässer inkl. Ufer
  • Sümpfe, Niedermoore, Ufer
  • Wälder

Ökologische Charakterisierung

  • Moore
  • Moorgewässer
  • Offene Landschaft besonderer Struktur
  • Offene Landschaft mit Hecken, Feldgehölzen, Waldsäumen, Alleen
  • Offene Landschaft, Feuchthabitate
  • Offene Landschaft, mittlere Habitate
  • Offene Landschaft, trockene Habitate
  • Spezielle Substrate (Totholz, Detritus, Pflanzen, Pilze)
  • Ufer
  • Wald besonderer Struktur

Höhenstufen

  • collin
  • montan
  • planar

Management


Beurteilung

Für die Art sind dringend regionale Hilfsprogramme erforderlich.

Handlungsbedarf aus Landessicht

  • Landeszielart des Biotopverbundes

Management

  • Offenhalten von Lichtungen, Waldsäumen, Moor- und Gewässerrändern, Heideflächen, Bergwiesen, Freileitungstrassen, kleinen Abgrabungen und ähnlichen Strukturen
  • Sicherung des natürlichen Wasserhaushaltes in Moorgebieten (Wasserrückhaltung durch Grabenverschluss)
  • Lebensraumvernetzung durch Schaffung von Trittsteinen und verbindenden Elementen aus Saum- und Gehölzstrukturen
  • schonende Pflege von Wegrändern und Böschungen, Mahd und Beräumung möglichst außerhalb der Jahreshauptaktivität unter Verzicht auf Grabenfräsen

Gefährdungen


  • Aufforstung und Gehölzsukzession in offenen Lebensräumen sowie Eutrophierung mit der Folge dichteren Pflanzenwachstums und Verschlechterung des Mikroklimas im bodennahen Bereich
  • Fehlen von Kahlschlagsflächen aufgrund geänderter Waldbewirtschaftung
  • Lebensraumvernichtung infolge Nutzungsintensivierung und Beseitigung von Habitatstrukturen (Entfernung von Totholz, Lesesteinrücken etc.)
  • Individuenverluste durch maschinelle Pflege von Saumstrukturen (Straßen-, Wegränder) sowie Tötung von Individuen auf Straßen und Radwegen, insbesondere an individuenreichen Winterquartieren und Paarungsplätzen
  • Habitatfragmentierung und Isolation
  • verstärkte Prädation durch Wildschweine

Sonstiges


Literatur

  • Fritz, K., M. Lehnert & P. Sowig (2007): Kreuzotter Vipera berus (Linnaeus, 1758). – In: Laufer, H., K. Fritz & P. Sowig, R. (Hrsg.): Die Amphibien und Reptilien Baden-Württembergs. – Ulmer, Stuttgart: 709–732.
  • Kühnel, K.-D., A. Geiger, H. Laufer, R. Podloucky & M. Schlüpmann (2009): Rote Liste und Gesamtartenliste der Kriechtiere (Reptilia) Deutschlands. Stand Dezember 2008. – In: Bundesamt für Naturschutz (Hrsg.): Rote Liste gefährdeter Tiere, Pflanzen und Pilze Deutschlands. Bd. 1: Wirbeltiere. – Naturschutz und Biologische Vielfalt 70 (1): 231–256.
  • Prokoph, U. & S. Teufert (2004): Verbreitung und Bestandssituation der Kreuzotter in Sachsen. – Mertensiella 15: 125–130.
  • Rau, S., R. Steffens & U. Zöphel (1999): Rote Liste Wirbeltiere. – Materialien zu Naturschutz und Landschaftspflege 1999, hrsg. vom Sächsischen Landesamt für Umwelt und Geologie, Dresden, 23 S.
  • Schiemenz, H., H.-J. Biella, R. Günther & W. Völkl (1996): Kreuzotter ¬– Vipera berus (Linnaeus, 1758). – In: Günther, R. (Hrsg.): Die Amphibien und Reptilien Deutschlands. – Gustav Fischer, Jena, Stuttgart: 710–728.
  • Schiemenz, H. & R. Günther (1994): Verbreitungsatlas der Amphibien und Reptilien Deutschlands (Gebiet der ehemaligen DDR). – Natur & Text, Rangsdorf.
  • Schrack, M. (2004): Erfahrungen beim Schutz der Kreuzotter (Vipera berus [Linnaeus, 1758]) in der Radeburger und Laußnitzer Heide (Freistaat Sachsen). – Mertensiella 15: 274–286.
  • Teufert, S. (2010): Zur Situation der Kreuzotter im Zechengrund (Oberwiesenthal) – einer Zielart für die Rechtsangleichung zum Naturschutzgebiet. – Jahresschrift für Feldherpetologie und Ichthyofaunistik in Sachsen 12: 23–31.
  • Völkl, W. & B. Thiesmeier (2002): Die Kreuzotter. Ein Leben in festen Bahnen? – Zeitschrift für Feldherpetologie, Beiheft 5.

Bearbeitungsstand und Bearbeiter des Artensteckbriefes

Offizieller Artensteckbrief des LfULG; Stand: 10.02.2014
Bearbeiter: Marko Olias und Dr. André Günther (Naturschutzinstitut Freiberg)
Hinweise und Änderungsvorschläge bitte an: Holger.Lueg@smul.sachsen.de

Legende zum Artensteckbrief unter: http://www.umwelt.sachsen.de/umwelt/natur/22872.htm
Informationen zur Artengruppe für Sachsen: http://www.umwelt.sachsen.de/umwelt/natur/22989.htm